"Sorry, aber der ist einfach überfordert", lautete das Urteil von Ralf Schumacher als Logan Sargeant seinen Williams-Boliden im Japan-Qualifying folgenschwer in der Streckenbegrenzung versenkte. Ohne Zweifel zählte der Rookie 2023 zu den Sorgenkindern des Grids. Aber nicht nur der US-Amerikaner brachte sich mit seinen Unfällen in eine aussichtslose Lage. Egal, ob Fahrer oder Teams, Motorsport-Magazin.com nimmt die größten Sorgenkinder noch einmal genau unter die Lupe und verrät, ob die Sorgenfalten gerechtfertigt sind.
Sergio Perez: Jenseits von Gut und Böse
"Wir haben mit Sergio den ersten Teamkollegen, der in die dritte Saison mit Max geht, und nicht daran zerbrochen ist. Sondern aufsteigende Leistung zeigt", lobte Dr. Helmut Marko noch zu Saisonbeginn nach Front-Row-Lockout und Doppelsieg in Bahrain. Update 15 Rennen später: Alles sieht danach aus, als ob Sergio Perez doch daran zerbrochen wäre.
Der Teamkollege dominiert, Sergio Perez verliert. Leider in der Formel-1-Saison 2023 ein allzu bekanntes Muster. Pleiten, Pech und Pannen anstelle von Weltmeisterschaften. Fast auf niemanden trifft der Begriff Sorgenkind so zu, wie auf den 33-jährigen Lateinamerikaner. Der Große Preis von Japan, ein weiteres Rennen der Schande. Zwei Kollisionen, zwei Frontflügel, zwei Strafen, zweimal ausgeschieden und vier Strafpunkte - während Max Verstappen im gleichen Auto das Rennen mit fast 20 Sekunden Vorsprung gewann.
Dazu das fast schon unglaubliche Bild, als die Regie bei Verstappens Boxenstopp auf den in der Garage sitzenden Perez schnitt. Einer fuhr die schnellste, der andere mit 43:08,523 Minuten die langsamste Rennrunde. Ein Tiefpunkt in der von Leid geplagten Saison. "Es fühlt sich so an, als ob wir ständig zwei Schritte zurückliegen", klagt Perez. Zumindest schaffte er es in Q3. Nicht alltäglich, obwohl der Mexikaner im besten Auto sitzt.
"Wir wissen, dass er eine Schwäche im Qualifying hat, das war schon in den Juniorkategorien so", erklärt Dr. Helmut Marko. Besonders bei Mischbedingungen. Normalerweise reißt es Checo dann im Rennen mit einer guten Performance heraus, zuletzt gelingt aber auch das nicht. "Das war nicht sein Tag, aber er wird beim nächsten Rennen zurückkommen", versichert Christian Horner, gefühlt jedes Mal.
In Baku feierte Perez mit Sieg im Sprint und im Rennen seinen Saisonhöhepunkt, ab da ging es eigentlich nur noch bergab. In Miami von Verstappen trotz deutlich älterer Reifen besiegt, in Monaco mit Unfall in Q1 nur Startplatz 20. Davon schien er sich nie mehr zu erholen. In Ungarn herrschten gar Mick-Schumacher-ähnliche Zustände als Sergio Perez nach Trainingscrash die Ersatzteile (wie in Suzuka die Frontflügel) ausgingen. Natürlich genau dann, als Daniel Ricciardo sein Comeback im Grid feierte.
Perez vs. Red Bull RB19
Das Hauptübel war schnell ausgemacht: Die neuen Teile in Barcelona, die den RB19 schneller machen sollten. Das taten sie auch, zumindest auf einer Seite der Garage. Perez kam (wie 2022) mit der alten Version besser zurecht. Und anders als Verstappen, scheiterte Perez wieder an der Adaption seines Fahrstils. Als Team gewann Red Bull sechs Rennen vor Saisonende die Konstrukteur-WM. Aber nicht aufgrund von Sergio Perez.
Er leistete mit 223 von 623 Zählern einen Beitrag, aber nicht genug. Red Bull gewann die WM, weil sich die direkte Konkurrenz gegenseitig die Punkte wegnahm, und weit hinter den Erwartungen zurückblieb. Unter 'normaleren' Verhältnissen reicht das nicht aus. Und Red Bull läuft Gefahr, 2024 bei einem engeren Kampf leer auszugehen.
"Ich würde mir das nicht antun, wenn ich nicht glauben würde, dass ich den Titel gewinnen kann", meint Perez, mit dem Wink auf den Gros seiner Familie in Mexiko. "Er muss sich mehr aufs Fahren konzentrieren, statt auf die WM", kritisiert Dr. Marko. Als nur noch sechs Punkte Unterschied zwischen den zwei Piloten waren, hätte Perez den Fokus verloren. Die Setup-Experimente auf eigene Faust ein Griff ins Klo.
Perez: Red-Bull-Cockpit in Gefahr?
Jetzt heißt es: Die im Simulator herausgearbeitete Abstimmung weiterentwickeln und sich dabei möglichst an Verstappen orientieren. Was aber nicht nur aufgrund der unterschiedlichen Fahrstile ein Problem darstellt. Mit jedem schlechten Ergebnis sank das Selbstvertrauen und stieg der Druck. Seine "Wir kehren stärker zurück" Postings auf Instagram wirken fast so, als müsste er sich selbst Mut zusprechen. Selbst ein Teamwechsel steht nicht mehr außer Frage.
Aber: Sergio Perez macht normalerweise (außer mental am Boden nach zerschlagenen WM-Hoffnungen) einen ordentlichen Job. Besser als seine Vorgänger. Er ist schnell, aber nicht so schnell, dass er Verstappen gefährlich wird. Er qualifiziert sich nicht sonderlich gut, aber trotzdem so weit vorne, dass er strategisch Optionen eröffnet.
Abgesehen vom Monaco-Brasilien-Debakel 2022 verstehen sich die Teamkollegen (zumindest öffentlich). Eine Reminiszenz an Michael Schumacher und Rubens Barrichello. Barrichello, gut genug für Ferrari, aber die ewige Nummer 1B. Aber momentan gibt es für Red Bull keinen Grund, Perez abzusägen. Ausnahme: Er steckt noch ewig in seinem Negativ-Strudel fest, während Daniel Ricciardo in der B-Garnitur brilliert.
Lance Stroll: Geld regiert (nicht) die Welt
Eine beinahe peinliche Situation, als Mike Krack offiziell verkündete, dass Lance Stroll auch 2024 bei Aston Martin fahren wird. Obwohl ihm zuletzt Tennis ans Herz gelegt wurde, bleibt der Kanadier vorerst in der Formel 1. Nicht unbedingt aufgrund seines Talents, sondern weil er als Sohn des Teambesitzers quasi einen Vertrag auf Lebenszeit hat. Beinahe monarchische Zustände. Und das genaue Gegenteil von Toto Wolffs geliebten Leistungsgesellschaft.
"Es gibt keinen deutlichen Performance-Unterschied, sondern nur einen deutlichen Punkteunterschied", rechtfertigt der Teamchef die Leistungen von Stroll. Dieser Unterschied führt allerdings zu massiven Problemen in der Konstrukteurs-WM. Einst erster Red-Bull-Verfolger, rutscht das Ein-Mann-Team mit Fernando Alonso immer weiter ab. Fernando Alonso gegen den Rest der Welt funktioniert mit erstarkender Konkurrenz eben nicht mehr.
Abseits der fehlenden Leistung wirkt Stroll motivationslos, fast apathisch bei Interviews. Seine Ausfälle scheinen ihn nicht einmal besonders zu kümmern. Anfallende Schäden am Auto oder das Mehr an Arbeit für die Mechaniker egal, der Papa wird es schon richten. Red Bull hätte den Kanadier vermutlich schon drei Mal innerhalb dieser Saison ausgetauscht. Nur: Mit einem Lance Stroll rücken die hohen Ziele von Aston Martin in weite Ferne.
Neues Personal, neue Fabrik, neuer Star-Teamkollege. Was nicht neu ist: Strolls fahrerisches Können. Je schwieriger das Auto, desto größer die Probleme. Vor allem im Qualifying kann er nicht mithalten, und es fehlt an Konstanz. Mit einem Ersatz (etwa durch Honda-Sprössling Yuki Tsunoda) ist trotzdem nicht zu rechnen.
Ein Szenario, bei dem der Eigentümer seinen eigenen Sohn vor die Tür setzt, ist eigentlich unvorstellbar. Dazu müsste der Junior schon von selbst das Handtuch werfen. Stroll Senior gewinnt gern, aber nicht so gern, dass er dafür Stroll Junior opfert. Demnach wird es auch noch länger heißen: Lance Stroll - 0 Punkte.
Kevin Magnussen: Nur aus Alternativlosigkeit hier?
Es ist nicht die beste Formel-1-Saison des Kevin Magnussen. Nachdem der Däne bei seinem kurzfristigen Comeback mit Haas 2022 wie eine Bombe eingeschlagen war, ist inzwischen ein bisschen der Glanz weg. Schon in der zweiten Saisonhälfte hatte sich die Lücke zu Mick Schumacher, den er zu Beginn deutlich im Griff gehabt hatte, immer weiter verkleinert. Nur positive Ausreißer, allen voran die Pole in Brasilien, täuschten darüber hinweg.
Von Nico Hülkenberg wurde die Latte deutlich höher gelegt. Teamchef Günther Steiner gab ein sehr nüchternes Fazit ab, nachdem er den Vertrag mit Magnussen im Sommer trotzdem verlängerte: Der Fahrermarkt war zu dünn besetzt. Haas' Suche nach einer Alternative mit Erfahrung war nicht von Erfolg gekrönt: "Irgendwann sagt man: 'Wir machen das so, arbeiten gemeinsam weiter.'
Damit er auch ruhig ist und am Auto arbeitet, und nicht immer über den Vertrag nachdenkt." Magnussens Schwierigkeiten werden über Gebühr offensichtlich, weil Hülkenberg ein Samstagskünstler ist, der dort mit einem VF-23 abliefert, der nur im Qualifying wirklich gut ist. Magnussen hingegen hat nur ein paar positive Ausreißer an Samstagen. Im Rennen ist das Auto nutzlos, oft das schlechteste. Dass er dann näher an Hülkenberg dran ist, fällt nicht mehr auf.
Das Team stärkt dem Fahrer trotzdem den Rücken und will wissen, wo das Problem liegt. "Das Auto ist im schlimmsten Teil der Kurve instabil", erklärt Magnussen selbst. "Man kann nicht aus der Rotation herausfahren und gleichzeitig bremsen. Man muss die Kurven mehr als 'V' fahren." Damit kommt er nicht so gut zurecht.
Auf Strecken mit langen, flüssigen Kurven tut er sich besonders schwer. Mit Hülkenberg-Setups und Team-Hilfe versucht er, sich wieder näher heranzutasten. Mit neuem Vertrag ausgestattet ist er vorerst sicher, aber die langfristige Formel-1-Zukunft wird zunehmend schwieriger.
Charles Leclerc: Entzauberter Heilsbringer
Der Anspruch an Charles Leclerc ist gewachsen. Im Vorjahr fuhr er zum ersten Mal im WM-Kampf mit, wenngleich Ferraris Einbruch zu Saisonende ihm einen Strich durch die Rechnung machte. Trotzdem - mehrere Siege, die meisten Poles, am Ende Vize-Weltmeister, Teamkollege Carlos Sainz klar im Griff. Jetzt wurde der letzte Schritt erwartet von einem Fahrer, der seit den Nachwuchs-Formeln als Supertalent und potenziell jahrelange Nummer 1 bei Ferrari galt.
Was ist 2023 passiert? Leclerc ist in einem Durchhänger von auffälligem Ausmaß angekommen. Zu Jahresbeginn war er im schwierig zu fahrenden SF-23 noch immer schneller als Sainz. Die Fehler waren das erste Anzeichen eines Problems. Abflug in Australien in der ersten Runde, in Baku und in Miami im Qualifying. Je länger das Jahr dauert, desto auffälliger wurde Leclerc.
Während Sainz sich zur Sommerpause mit seinen Ingenieuren zusammensetzte und definierte, wo, wie und warum er die Performance nicht beständig abrufen konnte, um dann mit drei guten Rennen inklusive des ersten Ferrari-Sieges von 2023 in den Herbst zu starten, blieb Leclerc hängen. Er selbst schiebt es auf den SF-23. Der passt nicht zu ihm, denn er ärgert seine Fahrer über den Großteil der bisherigen Rennen mit einem penetrant kleinen Arbeitsfenster, aus dem er mit den geringsten Änderungen bei Reifen, Strecke, Temperatur oder Wind sehr schnell herauszufallen tendierte.
Leclerc vs. Ferrari SF-23
"Wir müssen mit der Balance auf der sicheren Seite sein, denn wir können an der Vorderachse nicht allzu viel Grip aufbauen", erklärt Leclerc. Er hätte gerne ein Auto, das sich in berechenbares Übersteuern manövrieren lässt. So funktioniert das mit diesem hier aber nicht: "Wenn du dann einen Rutscher hast, verlierst du plötzlich sehr viel Grip, und das ist schwer abzufangen." Und latentes Untersteuern ist erst recht nicht der Leclerc-Style: "Ich habe Schwierigkeiten, das zu umfahren."
Obwohl sich Ferrari besonders seit der Sommerpause näher an den Antworten ihrer Setup-Mysterien wähnt - fundamental haben sich die Eigenheiten des SF-23 nicht geändert. Sainz scheint einen Weg gefunden zu haben, um damit umzugehen, Leclerc nicht. Er überfährt immer wieder das Auto im Qualifying. Lange klammerte er sich an die Hoffnung, das unberechenbar lose Heck genauso in den Griff bekommen zu können wie ein berechenbar loses, und setzte stur auf aggressive Setups.
Der Abflug im Qualifying von Miami illustrierte bestens, mit wie viel Risiko das verbunden ist. Jetzt scheint Leclerc gefangen. Zu oft machte er an den Wochenenden, wo er sich den Setup-Kompromissen verweigerte, Fahrfehler. Monza und Singapur lieferten aber auch keine augenscheinlichen Antworten auf die Frage, wie er denn das Problem nun per Setup lösen könnte. In Monza werkelte er den ganzen Freitag an der Abstimmung herum, bekam erst für das Qualifying etwas Brauchbares zusammen.
Ferraris Nummer 1: Läuft Sainz Leclerc den Rang ab?
Sainz, im Rhythmus, schlug ihn, hatte ihn aus der Sommerpause heraus im Griff und entzauberte auch den Qualifying-Mythos von Leclerc in Monza und in Singapur. Dort drängte er Leclerc in eine ungewöhnliche Rolle: Er musste für Sainz Wasserträger spielen, seine Sieg-Ambitionen wurden schon vor dem Start im Strategiemeeting begraben. Plötzlich steht seine Fähigkeit, sich an ein schwieriges Auto anzupassen, ernsthaft in Frage.
Nicht vergessen ist der Frühsommer, als Leclerc in Spanien und Kanada bei Mischbedingungen - also genau dann, wenn sich das Autoverhalten am schnellsten ändert - überhaupt kein Vertrauen ins Auto aufbauen konnte. Sainz' oft besserer, zumindest besser kontrollierter Überblick über Renn-Management und Strategie kommen dazu.
So landet Leclerc auf der Sorgen-Liste. 2024 plant Ferrari mit einem rundum erneuerten Auto aber ohnehin einen Reset. Hat Leclerc Recht mit seiner Annahme, dass es die Feinheiten des SF-23 waren, bleibt trotzdem ein Makel zurück: Als sich das Auto von ihm wegbewegte, konnte Leclerc nicht liefern. Sainz schon. Was macht er also, wenn das wieder passieren sollte?
Yuki Tsunoda: Liam Lawson stets im Nacken
Lange verlief Yuki Tsunodas dritte Saison in der Formel 1 absolut vielversprechend. Zwar gelangen in den ersten Rennen 2023 nur zwei Punkte durch zehnte Plätze, doch alle Beobachter waren sich einig: Am Japaner lag dies nicht. Im Gegensatz zu ihm zeigte die Formkurve von AlphaTauri nach unten. Dies ging so weit, dass Teamchef Franz Tost öffentlich äußerte, seinen Ingenieuren nicht mehr zu vertrauen.
Während Rookie Nyck de Vries sich schwertat, schien Tsunoda der einzige Lichtblick im Team zu sein. Doch diese Gesamtsituation sollte sich ändern. De Vries wurde rausgeworfen und durch Daniel Ricciardo ersetzt, der Ansprüche auf einen Red-Bull-Aufstieg markierte. Sofort stand Tsunoda deutlich stärker unter Druck, konnte einen starken Auftritt des Australiers im Spa-Sprint aber mit einem Punkt im Rennen kontern. Dann verletzte sich Ricciardo bei einem Trainingsunfall in Zandvoort.
Was im ersten Moment wie ein Glücksfall für Tsunoda aussah, erhöhte den Druck noch mehr. Ersatzmann Liam Lawson wurde ins kalte Wasser geworfen und überzeugte sofort. In Monza verfehlte er die Punkte nur knapp, in Singapur holte er dann als Neunter das bis dato beste Saisonergebnis der Scuderia. Während der Neuseeländer glänzte, wurde Tsunoda vom Pech verfolgt.
In Monza schaffte es sein Dienstwagen nach Motorschaden nicht einmal bis zur Startaufstellung. In Singapur wurde er ausgerechnet von Red-Bull-Kollege Sergio Perez aus dem Rennen geboxt. Zwar wurde das Cockpit des Japaners und das Daniel Ricciardos vor Suzuka für 2024 bestätigt, doch schlug Lawson den Stammfahrer bei dessen Heimrennen erneut.
Red Bull zögert nicht lange, einen Austausch vorzunehmen. Vertrag hin oder her: Tsunoda muss überzeugen, denn Lawson scharrt mit den Hufen. Dasselbe gilt natürlich auch für Ricciardo, aber der Australier hat große Verdienste für Red Bull auf der Habenseite, Tsunoda nicht.
Logan Sargeant: Nationalität allein reicht nicht
Die Formel 1 drängt mit Macht in den US-Markt, und da kam der erste amerikanische Stammpilot seit Scott Speed Liberty Media sehr gelegen. Dass es Logan Sargeant 2023 ins Williams-Cockpit geschafft hat, lag mit Sicherheit auch daran, dass der Traditionsrennstall mit der Investment-Firma Dorilton Capital Besitzer aus den USA hat. Dazu wollte Grove wohl auch unbedingt den Wert des eigenen Nachwuchsprogramms beweisen.
Sargeant gehört der hauseigenen Fahrerakademie seit Oktober 2021 an. Doch die Liste der Argumente für den 23-Jährigen endet leider mit diesen Umständen. Williams hat unter der Führung von Neu-Teamchef James Vowles seine Punktzahl aus dem Jahr 2022 bereits mehr als verdoppelt, doch dafür sorgte bis zum Redaktionsschluss einzig und allein Alex Albon. Sargeant hängt dem Briten mit thailändischer Lizenz stehts hinterher und fiel schon des Öfteren mit Unfällen auf.
Negativer Höhepunkt war sicherlich das Wochenende in Zandvoort, als er den FW45 in Qualifying und Rennen wegschmiss. Dass er es am Samstag vor seinem Unfall das erste Mal ins Q3 geschafft hatte, verkam so nur zur Randnotiz. Sargeant steht gewaltig unter Druck. Die Umstände und mangelnden Alternativen auf dem Fahrermarkt machten eine Verlängerung bei Williams zum Jahresende wahrscheinlicher als es seine Leistungen rechtfertigte. Für 2024 wurde er erneut unter Vertrag genommen, so muss er den Verantwortlichen im kommenden Jahr neben der Marketingseite auch eine sportliche Perspektive aufzeigen.
Sauber: Keine Spur von Audi-Euphorie
Eigentlich sollte Sauber vom bevorstehenden Einstieg Audis ab 2026 beflügelt sein. Endlich wieder ein Werksteam sein. Prestige, Investitionen und letztendlich Erfolg, davon darf geträumt werden. Doch momentan wirkt Hinwil von dieser Aussicht eher wie gelähmt. Seit einem starken Saisonbeginn 2022 geht es für die Schweizer sportlich nur mehr bergab. Beinahe drohte ihnen 2023 sogar die rote Laterne.
Was läuft nur schief beim Team, das eigentlich in Aufbruchstimmung sein sollte? Sinnbildlich für Saubers Zustand ist die Fahrerpaarung. Valtteri Bottas sollte der Anführer sein, doch der Finne verkommt immer mehr zu einer Karikatur seiner selbst. Gute Leistungen sind nur noch seltene Ausnahme, stattdessen macht er vielmehr mit neuer Frisur, markanter Gesichtsbehaarung oder ohne Kleidung in den sozialen Netzwerken auf sich aufmerksam.
Von dem Bottas, der bei Mercedes im Qualifying teilweise Lewis Hamilton herausforderte und zehn Grands Prix gewann, ist nichts mehr zu sehen. Es macht den Eindruck, als mache er es sich in der Sauber-Hängematte gemütlich. Schlechte Ergebnisse lächelt der Finne oft gleichgültig weg. Wenn er wirklich noch die Ambition hat, für Audi zu fahren, dann muss bald ein gewaltiges Aufbäumen erfolgen. Für 2024 gilt noch der ursprüngliche Dreijahresvertrag, darüber hinaus ist ein weiteres Engagement aktuell sehr fraglich.
Guanyu Zhou: Kaum Fehler, aber keine gute Pace
Der Zweite im Bunde ist Guanyu Zhou. Der Chinese ist ein solider Fahrer und fällt vor allem durch seine niedrige Fehlerquote auf. Dennoch ist er keiner, der den Ambitionen eines zukünftigen Werksteams entspricht. Zhou ist ein harter Arbeiter und daher mannschaftsintern beliebt, doch um ein Team anzutreiben braucht es Highlights, die ein Spitzenfahrer an bestimmten Wochenenden auch in schlechten Autos abliefert.
Zhou fällt nicht negativ auf, aber eben auch nicht positiv. Er ist ein Mitfahrer und kein Hoffnungsträger für die Zukunft. Als dieser war eigentlich Eigengewächs Theo Pourchaire auserkoren. Doch das einstige Supertalent aus Frankreich macht zu langsame Fortschritte in der Formel 2. In seinem dritten Jahr kürte er zwar zum Meister, aber für 2024 ist es zu spät. Zhous Vertrag wurde bereits verlängert, wohl auch weil Geld aus China die Lücke des Abgangs von Hauptsponsor Alfa Romeo stopfen soll.
Eigentlich bräuchte es bei Sauber aber wohl zwei neue Piloten. Kein Wunder also, dass es immer wieder Gerüchte gab, dass Neu-Geschäftsführer Andreas Seidl seinen alten Weggefährten Carlos Sainz ab 2025 zu Sauber lotsen will. Der Bayer sollte der Vorbote Audis sein, doch noch ist davon wenig zu sehen. Während sein altes Team McLaren zum Höhenflug ansetzt, muss Seidl wieder einmal bei Null beginnen. Beim Technischen Direktor hat er bereits reagiert.
James Key kehrt zurück: Anlass zur Hoffnung?
Jan Monchaux wird durch James Key ersetzt. Ausgerechnet der Mann, von dem sich Seidls McLaren-Nachfolger Andrea Stella zu Saisonbeginn trennte. Einen klassischen Teamchef hat Sauber gar nicht. Alessandro Alunni Bravi ist Manager und Jurist, er hält den Posten des Teamrepräsentanten. Und mehr als das Team zu repräsentieren, macht er dementsprechend auch nicht.
Dabei geht der Trend aktuell klar zu Teamchefs mit Technikhintergrund, siehe Mike Krack, Andrea Stella und James Vowles. Eigentlich ist diese Rolle für Seidl prädestiniert, doch soll er in seiner Funktion als Geschäftsführer auch die Koordination mit Audi in Neuburg an der Donau vorantreiben. Eine Doppelrolle für den Mann aus Passau wäre aber eine Mammutaufgabe.
So wirkt der Sauber-Fahrplan in Richtung Audi-Werksteam im Gesamtbild aktuell höchstens halbgar, kein Vergleich zu den Aufstiegsambitionen bei Aston Martin und McLaren. Dort werden Topleute angeworben, neue Windkanäle und neue Fabriken gebaut, während sich Sauber von der Resterampe bedient. Wenn Hinwil für 2026 wirklich bereit werden soll, dann muss Seidl schleunigst handeln und braucht dafür die volle Unterstützung aus dem Hause Audi.
Mick Schumacher: Die F1-Luft ist raus
Nach einer Auszeit wieder ein hart umkämpftes F1-Cockpit zu erobern ist schwer. Zu schwer wohl für Mick Schumacher, dem die Optionen ausgingen. Die Rolle als Ersatz- und Simulatorfahrer bei Mercedes hat ihm zwar viel gute Presse eingebracht, und immer wieder Zuspruch von seinem Teamchef Toto Wolff, aber das reichte nicht.
Erstmals standen Nicht-F1-Alternativen zur Diskussion, es folgte der Wechsel zu Alpine in deren Sportwagen-Programm für WEC und Le Mans. Gewissermaßen der erste Schritt weg von der Formel 1, hin zu einem Leben in der großen weiten Welt des restlichen Motorsports. Das Comeback aufgeben will Schumacher deshalb nicht. Trotz der Verpflichtung für die Langstrecken-Mannschaft behielt er als Zweitjob die Mercedes-Rolle.
Das wäre wohl wichtig für die Comeback-Hoffnung - die Tür durch Präsenz bei Mercedes weiter offenhalten. Ein Wechsel in eine andere Rennserie ist grundsätzlich kein Problem, aber wie der Fall Alex Albon zeigt, hilft es, sich im Fahrerlager weiter die Führsprache eines prominenten Arbeitgebers zu sichern. Albon fuhr 2021 DTM und Red-Bull-Simulator, und war dann da, als Williams suchte. Für Schumacher wird der Weg zurück trotzdem zunehmend holpriger.
So ist etwa die Chance bei Mercedes kaum vorhanden. Dort sind beide Einsatzfahrer noch mindestens zwei Jahre gesetzt, und dann kommt interessanter Nachwuchs. Andere Teams haben ebenso Fahrer in der Pipeline, oder sowieso junge Paare. Noch ist es nicht an der Zeit, Schumachers F1-Karriere für beendet zu erklären.
Aber geht man davon aus, dass Sauber und Williams schon für 2024 kein Interesse hatten, dann wird es dünn. Ein Comeback im Stile Nico Hülkenbergs setzt jahrelange Erfahrung voraus, die Schumacher nicht hat. Je länger er auf der Ersatzbank sitzt, desto geringer sind die Chancen, dass er doch noch einmal jemanden begeistern kann.
Günther Steiner: Der Bad Boy der Formel 1
"Günther Steiner gab zu, dass er, wenn er wirklich jemanden beleidigen hätte wollen, ganz andere Wörter verwendet hätte. Die Stewards bestreiten das nicht", so das FIA-Urteil im Fall Steiner vs. Stewards. Günther Steiner, wie er leibt und lebt. Auch wenn er mal bei der FIA für seine Wut-Tiraden geradestehen muss. Niemand wird gern als Laie beschimpft, vor allem nicht die Rennkommissare.
Aber wie gesagt: Steiner entschuldigte sich, er hätte niemanden beleidigen wollen. Cut: Weingarten-Idylle mit Mattia Binotto, zugeworfene Türen, Schimpfwörter. Ein kleiner Einblick in die Welt von Günther Steiner. Der schlechte Haas-Bolide dabei nur ein Aspekt des Theaters. "Wir sind unterirdisch schlecht im Vergleich zur Konkurrenz", ärgerte sich Nico Hülkenberg in Monza über die fehlenden Updates am VF-23.
Die B-Spec von Haas kommt erst in Austin, bis dahin muss Steiner den Zorn seiner Fahrer über den reifenfressenden und herumrutschenden Boliden im Zaum halten. Nicht nur den der aktuellen, auch den der ehemaligen mit Mick Schumacher. Tenor: Zu wenig Unterstützung, zu viel Druck, nichts gelernt. "Der fährt so langsam, der braucht sowieso keine Bremsen", hatte der Südtiroler zu Schumachers Beschwerden in Drive to Survive zu sagen.
Der Netflix-Star polarisiert, von Heiratsanträgen zu Lynchjustiz-Drohungen in den sozialen Medien. Nebenbei rettet er mit dem letzten deutschen Fahrer die Formel-1-Welt in Deutschland: "Ich trage etwas dazu bei! Ich bringe den Fahrer." Mehr könne wirklich nicht von ihm verlangt werden. Der ehemalige Red-Bull-Mitarbeiter übernahm 2014 das Kommando bei Haas.
Beinahe ikonisch schon seine Telefonanrufe beim Haas-Eigentümer. Stichwort: "Hi Gene!" Meist gefolgt von schlechten Nachrichten. Mit Kevin Magnussen wurde verlängert, weil Haas schlichtweg keine anderen Optionen hatte. Sorgen? Trotzdem Fehlanzeige. Nur mit Nikita Mazepin und Mick Schumacher hinterm Steuer.
James Allison: Zurück zum Leistungsdruck
Zugegeben, wirkliche Sorgen um seinen Job bei Mercedes muss sich James Allison nicht machen. Der Brite hat Brackley bis 2021 als technischer Direktor zu zahlreichen Weltmeisterschaften geführt und genießt daher allerhöchstes Ansehen. Doch von diesen Erfolgen ist Mercedes seit dem Beginn der Ground-Effect-Ära weit entfernt und genau deswegen wurde Allison 2023 in einer Jobrochade mit Mike Elliot wieder auf seinen alten Posten des Technik-Direktors zurückbeordert.
Die Aufgabe, Mercedes wieder zum Titelkandidaten zu machen, dürfte dem 55-Jährigen durchaus die Sorgenfalten auf die Stirn treiben. Anstatt sich mit dem Bootsbau beschäftigen zu dürfen, muss sich Allison nun wieder mit dem Tagesgeschäft der Königklasse auseinandersetzen. Und in diesem Geschäft zählen nur Zehntel auf der Uhr und Pokale in der Vitrine als harte Währung. Die Mammutaufgabe führt durch das teaminterne Chaos.
Damit ist nicht die Personalstruktur gemeint, sondern die ewige Suche nach der richtigen Entwicklungsrichtung beziehungsweise dem - von Toto Wolff so ungern gehörten - Konzept. Nach eineinhalb Jahren der gescheiterten Experimente ohne Seitenkästen ist das Team nun auf eine Richtung umgeschwenkt, die zumindest Anleihen am Red-Bull-Weg nimmt. Doch wie die Dominatoren überholen, wenn die Grundlage der eigenen neuen Richtung nur eine Kopie darstellt?
Um 2024 endlich wieder Siege einzufahren, muss Mercedes sich auf einen Weg festlegen, der genügend Entwicklungspotential in sich birgt und von den Ingenieuren tatsächlich verstanden wird. Die Verantwortung, diesen Weg zu finden, liegt bei Allison. Ein weiteres Jahr des Stocherns im Nebel und der anschließenden Schadensbegrenzung kann sich Mercedes nicht leisten, zumal mit Lewis Hamilton und George Russell die vielleicht einzige Fahrerpaarung der Königsklasse zur Verfügung steht, an der es wirklich keinerlei Zweifel gibt.
Bruno Famin: Nächster Mann auf dem Schleudersitz
Es gehört inzwischen sowieso zur Gewohnheit, hinter jeder Führungspersönlichkeit bei Alpine ein Fragezeichen zu setzen. Bruno Famin ist der nächste Mann im Rampenlicht, nachdem das alte Management - CEO Laurent Rossi, Teamchef Otmar Szafnauer - im Juli die Büros ausräumte. Aber wie genau geht es jetzt eigentlich weiter? Famin hat schließlich nach der Querfeldeinmethode inzwischen sämtliche Führungsposten des Teams gesammelt.
Er fing Ende 2021 als Motorenchef an, wurde im Frühsommer dann erst zum Motorsportchef ernannt und kurz darauf zum Teamchef. Sein Job ist aber nicht, alle diese Positionen zu bekleiden. In seiner Rolle als Motorsportchef soll er das Team umstrukturieren. Denn der Führung des übergeordneten Renault-Konzerns ging der Fortschritt zu langsam. Eine Verpflichtung eines neuen Teamchefs steht seit Juli im Raum, wenngleich Famin sich Zeit lässt: "Es geht nicht um eine Person. Es geht darum, alle Leute zusammenzuhaben."
Es gibt keinen bereits festgelegten Plan, er lässt alles offen und von seinen Erkenntnissen abhängig. Streckenseitig wurde einiges operativ umgestellt, er ortet dadurch inzwischen Fortschritt: "Das hat ein neues Mindset im Team an der Rennstrecke eingestellt. Mit dem, was ich bis jetzt gesehen habe, bin ich recht zufrieden. Wir haben denke ich ein paar gute Rennen in Sachen Strategie und Ausführung abgeliefert."
Seine nächsten definierten Baustellen sind die Fabriken im britischen Enstone und im französischen Viry. Nun stellt sich hier aber eine berechtigte Frage, wenn Famin davon spricht, dass sein Hauptziel jetzt ist, herauszufinden, wie man die Fabriken besser zusammenwachsen lässt und das volle Potenzial ausschöpft.
Das sind Dinge, die schon unter seinen Vorgängern (welche Positionen sie auch immer bekleidet haben mögen) stets Thema waren. Und die Defizite sind dort nicht nur personeller, auch infrastruktureller Natur. Abwarten, wie es sich bei Famin dann mit dem Druck und der Hilfe von der Konzernspitze verhält.
Dieser Artikel erschien in Ausgabe 93 unseres Print-Magazins. Am Ende der Saison veröffentlichen wir traditionell einen kleinen Teil unserer Print-Artikel kostenfrei auf der Website. Bestelle das Motorsport-Magazin direkt auf unserer Webseite.
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