Der Zweite ist der erste Verlierer. Eine alte Motorsport-Weisheit, die mit einer kleinen Umformulierung perfekt auf die Formel-1-Saison 2023 passt. Denn der WM-Zweite war in erster Linie einmal der größte Verlierer des Jahres. Die zu Saisonanfang kurz aufkeimende Hoffnung, dass Sergio Perez tatsächlich um den Titel mitfahren könnte, wurde brutal zerstört.

Je länger die Saison andauerte, desto wackeliger hing der Name des Mexikaners über der Red-Bull-Garage. Perez befand sich über weite Strecken der Saison in einem Formtief, aus dem er sich nur temporär befreien konnte. Dennoch reichten seine Vorstellungen im überlegenen Red Bull aus, um WM-Zweiter zu werden. Motorsport-Magazin.com stellt ihm ein durchwachsenes Zeugnis aus.

Sergio Perez' Qualifying-Statistik 2023

Qualifying / Shotout2023
Bestes Ergebnis1 (2x)
Q3-Teilnahmen19
Ø Ergebnis8,2
Ø Rückstand auf Teamkollegen0,589
Siege im Quali-Duell2 von 27

Sergio Perez im Qualifying: Auf eine Runde offenbarten sich die größten Schwächen von Perez. Bereits in seiner ganzen Karriere war die Qualifying-Pace seine Achilles-Ferse. Doch an den ersten fünf Rennwochenenden schien er sie größtenteils abgestellt zu haben - abgesehen von einer verpatzten Melbourne-Qualifikation, als er ein mysteriöses Brems-Problem als Ausrede heranzog.

Doch ein Unfall im Q1 beim Monaco-GP zog sich wie ein harter Schnitt durch die Saison, denn danach fand Perez nicht mehr in seine Spur zurück. Fünfmal in Serie verpasste er in den Sommermonaten Q3. Aus diesem Tal konnte sich Perez zwar etwas befreien (im restlichen Saisonverlauf blieb er "nur" dreimal in Q2 hängen), doch der Spitze blieb er fern.

Ein dritter Platz im Spa-Qualifying blieb das höchste der Gefühle und das wohlgemerkt während Max Verstappen im selben Zeitraum zehn Pole Positionen einfuhr. Die Differenz zwischen den beiden Red-Bull-Piloten betrug beinahe sechs Zehntelsekunden. In der modernen Formel 1 ein schier unfassbarer Rückstand.

Sergio Perez' Renn-Statistik 2023

Grand PrixSprint
Bestes ErgebnisSieg (2x)Sieg (1x)
Ø Zielankunft4,52,75
Ausfälle22
Punkte285
WM-Platz2

Sergio Perez im Rennen: Aufgrund seiner ausbaufähigen Qualifying-Vorstellungen stand Perez im Rennen meist vor einer Aufholjagd. Diese ging manchmal besser manchmal schlechter auf. Ausnahmen waren natürlich auch hier die Rennen zu Saisonanfang. Auf seinen zweiten souveränen Saisonsieg in Aserbaidschan folgte in Miami der erste wirkungsvolle Nackenschlag, als Verstappen von Startplatz 9 aus Perez mit Leichtigkeit den Sieg abnehmen konnte.

In Monaco war sein Schicksal schon mit der Startposition besiegelt, mit der Brechstange war außer Schäden nichts zu holen. In den folgenden Monaten das ähnliche Schema konnte Perez regemäßiger im Renntrimm die Stärken des Red Bull auf die Strecke bringen. Nach zwei Podien in Österreich und Ungarn dauerte es allerdings bis Belgien, ehe er wieder zu einem Red-Bull-Doppelsieg beitragen konnte. In Italien gab es das insgesamt sechste und letzte 1-2 der Bullen.

Peinliche Kollisionen wie beim Japan-GP oder am Start seines Heimrennens in Mexiko hinterließen vor allem neben dem makellos fahrenden Verstappen kein gutes Bild. Die Rennpace von Perez war zwar verglichen mit seiner Qualifying-Performance um einiges stärker, hinkte aber jener von Verstappen bei sämtlichen Rennen hinterher. In Summe sammelte Perez zwischen dem Miami-Wochenende und Saisonende sogar weniger Punkte als Lando Norris.

Die Entwicklung von Sergio Perez: Perez startete in das Jahr wie ein WM-Anwärter und beendete es als Wackelkandidat. Die Meinungen darüber, wann der Knackpunkt erreicht war, gehen auseinander. Laut Red-Bull-Teamchef Christian Horner habe Miami Perez aus der Spur geworfen. Perez selbst benannte Barcelona als Kipppunkt, seit dem er mit dem RB19 nicht mehr zurechtkam. Auf wann man auch immer den Beginn seines Niedergangs datieren mag: Spätestens ab den Sommermonaten war bei Perez die Luft draußen.

Die Entwicklungsrichtung, welche Red Bull während der Saison einschlug, spielte Perez auch nicht in die Hände. Der übersteuernde Bolide kam Verstappen entgegen, für den Geschmack des sechsfachen Grand-Prix-Siegers war das Heck etwas zu instabil. Im Oktober benannte Perez auch noch einen zweiten Punkt. Nämlich, dass man beim Setup auf Abwegen unterwegs war. "Rückblickend wissen wir, was wir falsch gemacht haben", sagte er. Besser wurde seine Performance nach dieser Feststellung allerdings auch nicht.

MSM-RankingNote (Platz)
Gesamtnote3,22 (16.)
Redaktionsnote3,44 (18.)
Lesernote3,01 (13.)
Bestes RennenAserbaidschan (1,12 - 1.)
Schlechtestes RennenJapan (5,48 - 19.)

Das sagte Sergio Perez: "Es war ein dominantes Jahr für Red Bull, aber für mich war es sehr hart. Wir werden sicher nächstes Jahr wieder ein tolles Auto haben, hoffentlich mit einer etwas besseren Balance für meinen Geschmack. Ich denke wir können viel aus diesem Jahr lernen und die positiven Dinge mitnehmen, aber auch von den negativen lernen, um als besser eingespieltes Team zurückzukehren."

Das sagt MSM: Sergio Perez ist nun an jenem Punkt angekommen, an dem Pierre Gasly und Alex Albon schon zu einem viel früheren Zeitpunkt ihrer Red-Bull-Karriere waren: Sein Verbleib ist in akuter Gefahr. 2024 wird ihm Red Bull keine Schonfrist gewähren. Vor allem, falls Daniel Ricciardo bei AlphaTauri liefert. Der gute Saisonstart 2023 trug rückblickend betrachtet vielleicht sogar seinen Teil zur Misere von Perez bei. Denn so baute sich das Luftschloss einer WM-Chance auf, der Leistungseinbruch setzte ihm anschließend psychologisch umso brutaler zu. Perez fand erst recht nicht aus dem Negativ-Strudel heraus, in dem er sich ab dem Monaco-GP befand. Man muss einfach so ehrlich sein um zu sagen: Perez ist kein Weltmeister-Kaliber, aber ganz so schlecht wie er sich für den Großteil von 2023 präsentierte, ist er eigentlich auch nicht.