Zwei Tage nach dem Großbritannien-GP geht in der Red-Bull-Welt eine Fahrer-Bombe hoch. Noch während Daniel Ricciardo in Silverstone für Red Bull einen Reifentest absolvierte, bestätigte die Marke nach zunehmenden Gerüchten die Sensation: Ricciardo ersetzt den in den ersten zehn Rennen strauchelnden Nyck de Vries im zweiten AlphaTauri-Cockpit mit sofortiger Wirkung. Der Australier steht schon in Ungarn wieder am Start.

Die finale Entscheidung wurde am Dienstag in Silverstone getroffen. Ricciardo fuhr dort zum ersten Mal nach seinem Red-Bull-Comeback wieder ein Formel-1-Auto der aktuellen Generation, nachdem er am Ende der Saison 2022 bei McLaren Abschied nehmen hatte müssen. Ricciardos "starke Leistung" in diesem Test lieferte die Bestätigung, um den Fahrertausch zu rechtfertigen, heißt es in einer kurzen Pressemitteilung.

Ricciardo ist zurück: AlphaTauri schmeißt Nyck de Vries raus! (08:14 Min.)

Ricciardo besticht bei Reifentest in Silverstone

Die Ersatz-Entscheidung fiel noch, bevor Ricciardos erster und damit wohl einziger Reifentest-Auftritt zu Ende war. Zwar ist bei diesen Reifentests das Programm streng reglementiert, von Alleinausrüster Pirelli vorgegeben und von der FIA überwacht, aber in Silverstone wurde für die geplante Abschaffung der Heizdecken bei Slick-Reifen getestet. Dafür fuhr Ricciardo sowohl aktuelle 2023er-Reifen als auch Prototypen, um Pirelli Vergleichswerte zu liefern.

Entsprechend kurz angebunden ist Ricciardo in der Pressemitteilung, die noch vor Ende des Tests versandt wurde: "Ich bin heiß darauf, mit der Red-Bull-Familie auf die Strecke zurückzukehren." Offiziell ist er bis zum Saisonende "ausgeliehen", sagt das Team. Wie es danach für ihn weitergeht bleibt offen.

Ricciardo war nach zwei enttäuschenden McLaren-Jahren dort vorzeitig aus seinem Vertrag ausgeschieden. Einsatz-Cockpit für 2023 war eigentlich keines in Sicht, also dockte der 34-jährige Australier bei seinem alten Team Red Bull als Test- und Simulatorfahrer an. Dort hatte er zwischen 2014 und 2018 sieben seiner acht Siege eingefahren.

Red Bull weiter von Ricciardos Fähigkeiten überzeugt

Nach dem McLaren-Stint war Ricciardos Reputation in der Formel 1 angeschlagen, aber bei Red Bull stützte man ihn. "Als er nach Abu Dhabi letztes Jahr zum ersten Mal bei uns angekommen ist, war das ein bisschen ein Schock", meinte Red-Bull-Teamchef Christian Horner in Österreich, "weil wir ihn nicht wirklich als den Fahrer wiedererkannt haben, der uns ein paar Jahre davor verlassen hat."

"Aber er scheint sein Mojo wiedergefunden zu haben, er arbeitet hart im Simulator, und er ist jetzt sehr wettbewerbsfähig, was das Virtuelle angeht", so Horner. Schon da war Red Bull interessiert daran, Ricciardos Leistung beim Reifentest in Silverstone in der Realität zu verifizieren: "Wir werden einen Eindruck bekommen, auf welchem Niveau er abliefert."

Die Erkenntnisse der ersten Stunden von Silverstone reichten nun, um den harten Schnitt zu machen. "Seine Zeiten im Test waren sehr wettbewerbsfähig", verkündete Horner am Dienstagabend. "Es war ein beeindruckender Auftritt, und wir freuen uns darauf, zu sehen, was der Rest der Saison für Daniel als Leihgabe an AlphaTauri bringt."

Update: Pirelli kommunizierte am Dienstagabend die Bestzeiten des ersten Test-Tages. Ricciardos beste Zeit im RB19 war nach 109 Runden eine 1:27,415. Theoretisch hätte das für den achten Startplatz gereicht, aber praktisch lassen sich die Zeiten so nicht vergleichen. Weder der verwendete Reifensatz noch die genauen Streckenbedingungen sind bekannt. Ricciardo war allerdings deutlich schneller als die ebenfalls testenden Nico Hülkenberg, Kevin Magnussen und Alex Albon, die alle über 1:30 fuhren.

De Vries muss AlphaTauri-Cockpit sofort räumen

Die Formel-1-Karriere von Nyck de Vries findet damit nach nur zehn Rennen ein unrühmliches Ende. Mit Führsprache von Max Verstappen war er nach einem starken Auftritt als Ersatzfahrer bei Williams, für die er in Monza 2022 seine zwei einzigen WM-Punkte holte, als Nachfolger für Pierre Gasly ins AlphaTauri-Cockpit gekommen. Doch in einem schwierigen Auto tat er sich vom Saisonstart weg schwer.

Das Duell Tsunoda vs. de Vries - Stand Silverstone, Foto: LAT Images / Motorsport-Magazin.com
Das Duell Tsunoda vs. de Vries - Stand Silverstone, Foto: LAT Images / Motorsport-Magazin.com

Als ehemaliger F2- und Formel-E-Meister waren die Ansprüche an den bereits 28-jährigen de Vries hoch gewesen. Die konnte er als Gegenüber von Yuki Tsunoda, der in seine dritte F1-Saison startete, nie erfüllen. In Qualifyings ging er mit zehn zu zwei unter, in der WM-Tabelle teilt er sich mit Logan Sargeant die unrühmliche Ehre, einziger Fahrer ohne Punkte zu sein.

AlphaTauri-Teamchef Franz Tost verabschiedet de Vries per Presse-Zitat kurz und bündig: "Ich würde Nyck für seine wertvolle Mithilfe während seiner Zeit bei AlphaTauri danken, und wünsche ihm alles Gute für seine Zukunft." Blitz-Fahrerwechsel in der Red-Bull-Familie haben ohnehin eine lange Tradition. Zuletzt war das 2019 der Fall, als in der Sommerpause Alex Albon ins Hauptteam befördert und Daniil Kvyat degradiert wurde. Kvyat war auch der letzte, der vor Saisonende gefeuert wurde - 2017.

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