Daniel Ricciardo wird mit sofortiger Wirkung das zweite Cockpit neben Yuki Tsunoda bei AlphaTauri übernehmen und damit Nyck De Vries aus der Formel 1 verdrängen. Ist der Rauswurf des Niederländers die richtige Entscheidung und kann Daniel Ricciardo sich vielleicht nun sogar wieder Hoffnungen auf einen Platz im Red-Bull-Werksteam machen? Die Motorsport-Magazin.com-Redakteure debattieren.
De-Vries-Hypetrain entgleist
Florian Niedermair: Nyck de Vries war gewiss nicht der große Wurf in der Formel 1 und er wäre es auch mit mehr Erfahrung nie geworden. Red Bull saß nach seinem starken Williams-Auftritt wohl dem Trugschluss auf, dass man mit dem Formel-2- und Formel-E-Meister einen bereits fertig ausgebildeten F1-Piloten einkaufte. Stattdessen entpuppte sich der 28-Jährige als klassischer Rookie, der dieselben Rookie-Fehler beging wie so viele vor ihm und gleichzeitig seinem Teamkollegen klar unterlegen war. Natürlich ist es einfach, die Entscheidungsträger bei Red Bull für ihre Ungeduld an den Pranger zu stellen. Ja, sie hätten ihm durchaus mehr Zeit geben können - können, aber nicht müssen. In Faenza bekam er immerhin eine Chance sich als Stammfahrer in der Königklasse zu beweisen und das ist mehr als er von irgendeinem anderen Formel-1-Team je erhalten hat.
Ricciardo bekommt sein Märchenende
Rebekka Bauer: "Wir haben jetzt erstmal den Reifentest und dann sehen wir weiter", so Dr. Helmut Marko am Sonntag. Zwei Tage später ist Nyck de Vries draußen, Daniel Ricciardo feiert sein Comeback und die Formel-1-Welt steht Kopf. "Wie ein perfektes Märchenende" wäre es für Ricciardo, wenn er seine Karriere bei Red Bull beenden könnte. Für de Vries ist es ein Albtraum. Aber: Die richtige Entscheidung. Einen 28-jährigen Rookie beim (eigentlichen Ausbildungsteam!) AlphaTauri ins Cockpit zu setzen, war von Anfang an eine fragwürdige Entscheidung. Liam Lawson ist eine ähnliche Wundertüte, aber jung und passt zur Marke Red Bull. Ja, es war richtig, jetzt die Reißleine zu ziehen: Nyck de Vries letzter in der Fahrer-, AlphaTauri letzter in der Konstrukteurs-WM. Es kann nur besser werden. Allein bei dem Beliebtheitsgrad, den der Honey Badger genießt. Die perfekte Märchenstory? Wir werden sehen. Vielleicht nicht für Sergio Perez.
Ein Armutszeugnis für die Red Bull Junioren
Tobias Mühlbauer: Nyck de Vries hat zu keinem Punkt besonders überzeugen können, auf Lichtblicke warteten Dr. Marko & Co. vergeblich. Mit Testfahrer Daniel Ricciardo stand ein hochdekorierter Mann bereit, der sicherlich fähiger als De Vries sein sollte. Der Wechsel ist für mich daher nachvollziehbar, aber das grundsätzliche Problem ändert sich durch diesen erneuten Fahrerwechsel im Hause Red Bull keineswegs. Dass jetzt ein 34-Jähriger im Cockpit des eigentlichen Juniorenteams AlphaTauri Platz nimmt, ist der letzte Beweis für den Niedergang der einst so hervorragenden Nachwuchsarbeit der Bullen. Früher haben AlphaTauri und Red Bull noch Fahrer rausgeworfen, weil ein vielversprechender Junior sich aufdrängte, siehe Sebastian Vettel, siehe Max Verstappen. Heute haben die Verantwortlichen Mühe, überhaupt einen formel-1-tauglichen Mann für das zweite Team aufzutreiben.
Endgegner für Yuki Tsunoda?
Moritz Wimmer: Die Entscheidung Nyck de Vries zu entlassen, überrascht nach der wochenlangen öffentlichen Kritik am Niederländer wenig, der Zeitpunkt dafür umso mehr. Zwei Rennen vor der Sommerpause zog man bei Alpha Tauri bzw. Red Bull die Reißleine und erlöste den 28-Jährigen von den ständigen Fragen über seine Zukunft. Ersetzt wird der punktlose Rookie von Daniel Ricciardo. Der Australier bekommt nach seinen überwiegend enttäuschenden McLaren-Saisons eine neue, vielleicht sogar seine letzte Chance. Das Haus der Red-Bull-Familie gewährte Ricciardo Unterschlupf, päppelte ihn laut eigenen Aussagen wieder auf und setzt ihn nun also für etwas mehr als die zweite Saisonhälfte an die Seite von Yuki Tsunoda. Die Konstellation bedeutet für beide Fahrer neue Maßstäbe. Kann Tsunoda auch gegen einen 8-fachen-Rennsieger bestehen? Kann Ricciardo wieder ansatzweise an das Niveau herankommen, dass ihn einst zu einem der gefürchtetsten Fahrer im Feld machte? Die nächsten zwölf Rennen werden es zeigen.
Formel 1 ist eine Meritocracy
Marco Bulitta: Ja, Red Bull mag in der Vergangenheit vielleicht auch mal zu voreilig eines ihrer vier Cockpits besetzt haben. Aber Nyck de Vries zu entlassen, ist die richtige Entscheidung. Wie betont Toto Wolff immer so schön: "Die Formel 1 ist eine Leistungsgesellschaft." Das gilt für die Fahrer genauso wie für die Konstrukteure. Und wenn de Vries eines nicht zeigte, dann Leistung. Der Formel-E-Champion von 2021 konnte in keiner einzigen Session an sein Wunder-Wochenende in Monza anknüpfen. Deshalb ist die Entscheidung hart, aber gerechtfertigt.
diese Formel 1 Redaktion