Eigentlich ist Daniel Ricciardo für seine permanent gute Laune und das große Lächeln bekannt. So sauer wie nach dem China GP hat man den Australier - zumindest in der Öffentlichkeit - noch nie gesehen. "F**k den Jungen", schimpfte er in Richtung Lance Stroll, der ihm zuvor am Ende einer Safety-Car-Phase ins Auto gefahren war.

Ricciardos Aussage kam nicht etwa direkt aus dem Cockpit, sondern später im Gespräch mit Medienvertretern. Nicht nur die Aktion an sich brachte Ricciardo so auf die Palme, vielmehr die Reaktion Strolls. Der Kanadier hatte Ricciardo am Boxenfunk als 'Idioten' bezeichnet.

"Mir wurde gesagt, was Lance über den Unfall sagt. Offenbar bin ich der Idiot und es war meine Schuld. Das bringt mein Blut zum Kochen, es ist klar wie Kloßbrühe und noch dazu war es hinter dem Safety Car", ärgerte sich Ricciardo. Doch was war überhaupt passiert?

Stroll räumt Ricciardo und Piastri ab

Am Ende der ersten Safety-Car-Phase machte sich das Feld in Runde 26 bereit für den Restart. Verstappen verlangsamte vorne, das gesamte Feld schob sich in der Spitzkehre am Ende der langen Geraden eng zusammen. Für Stroll zu eng: Der Aston-Martin-Pilot krachte mit Überschuss ins Heck des langsam fahrenden Ricciardo.

Die Nase von Strolls Auto tauchte unter den Diffusor des Racing Bulls, der durch den Aufprall rund einen halben Meter in die Luft geworfen wurde. Ricciardo seinerseits wurde dadurch noch in den vor ihn fahrenden Oscar Piastri geschoben. Die Autos beider Australier wurden beim Auffahrunfall beschädigt. Während Piastri das Rennen noch beenden konnte, musste Ricciardo wenige Runden später aufgeben.

"Das einzige, was du hinter dem Safety Car machen musst, ist es, auf das Auto vor dir zu achten. Wir wissen nicht, was der Führende machen wird. Wir können nicht annehmen, dass er in Kurve 14 beschleunigt. Das Rennen startet erst wieder auf der Ziellinie", rechtfertigte sich Ricciardo.

Stroll uneinsichtig: Nicht mein Fehler

Obwohl er mit Stroll verbal nicht zimperlich umging, musste sich Ricciardo noch zurücknehmen: "Ich bin mit meinen Aussagen noch nett. Ich gehe nicht härter mit ihm ins Gericht, weil er vielleicht Verantwortung dafür übernimmt, wenn er die Szene später noch einmal sieht. Wenn er das nicht tut, dann kann ich ihm auch nicht mehr helfen, dann kann ihm niemand mehr helfen."

Aston Martin-Fahrer Lance Stroll in der Boxengasse
Lance Stroll zeigte sich nach dem Unfall uneinsichtig, Foto: LAT Images

Doch Stroll tut ihm den Gefallen nicht. "Es war ein Ziehharmonikaeffekt. Wenn vorne jemand bremst, dann stoppen alle. Das Auto vor mir hat von 60 auf 0 km/h runtergebremst. Es war ein wirklich dummer Unfall", analysierte der Aston-Martin-Pilot später.

Zumindest ein wenig schränkte Stroll seinen Funk-Angriff auf Ricciardo ein, wenn auch nur auf Nachfrage. "Es ist nicht nur er, es sind alle. Alle sind auf die Bremse und er war eben derjenige vor mir", so Stroll.

Stewards geben Ricciardo recht: Strafe für Stroll

Die Stewards sahen es wie Ricciardo - auch wenn die sich etwas gewählter ausdrückten. Statt Beschimpfungen bekam Stroll von ihnen eine 10-Sekunden-Strafe und zwei Strafpunkte. Im Urteil heißt es, er hätte die Pace der Autos vor ihm antizipieren können, Stroll wäre deshalb überwiegend schuld an der Kollision.

"Rennunfälle können passieren, aber hinter dem Safety Car sollte das niemals passieren. Was mein Blut auch zum Kochen bringt, ist seine Onboard-Aufnahme. Als wir vor ihm auf die Bremse sind, hat er seinen Kopf nach rechts gedreht und auf den Scheitelpunkt von Kurve 14 geschaut", analysierte Ricciardo. "Er schaut nicht einmal auf mich. Als er dann den Kopf wieder dreht, ist er schon in meinem Heck. Ich weiß nicht, was er da gemacht hat. Das Einzige, was du in dieser Situation machen musst, ist es, auf mich zu achten - und das hat er ganz klar nicht getan."

Ausreden wollte der Australier nicht gelten lassen: "Es war auch keine unglückliche Situation, in der er mich leicht berührt hat - sein Auto war unter meinem! Das kann man nicht abstreiten." Der 34-Jährige, der um seine Karriere kämpft, wollte es deshalb nicht dabei belassen: "Ich will, dass er es versteht, wenn sich die Emotionen gelegt haben." Der Medientag in Miami in zwei Wochen könnte durchaus Sprengstoff bieten: "Mal sehen, was er in den Medien sagt, aber wenn er mich beschuldigt, dann sage ich noch mehr."