Verkehrte Welt bei den Racing Bulls: Anders als an den ersten vier Rennwochenenden des Jahres scheinen in China die beiden Piloten Daniel Ricciardo und Yuki Tsunoda die Rollen getauscht zu haben. Im Qualifying zum Grand Prix von China konnte Ricciardo seinen jüngeren Teamkollegen zum dritten Mal an diesem Rennwochenende hinter sich lassen - erst im Sprint-Qualifying, dann im Sprintrennen und nun auch in der Qualifikation für den Grand Prix. Ricciardo geht von P12 ins Rennen, Tsunoda schied hingegen im Q1 als 19. aus und hatte mehr als drei Zehntelsekunden Rückstand auf den Australier.
Die Umkehr im teaminternen Gleichgewicht folgt auf eine vielbeachtete Änderung am Formel-1-Boliden von Riccardo. Vor dem Wochenende hatten die Racing Bulls angekündigt, dass Ricciardos Chassis nach dem enttäuschenden Saisonstart ausgetauscht wurde. Ein übersehener Schaden? Nicht, wenn es nach dem Team ging. Denn dieses konnte im Vorfeld des China-GP keinen offensichtlichen Makel am alten Chassis ausmachen.
Ricciardo: Keine voreiligen Schlüsse
Neues Chassis, neues Glück? "Das war natürlich etwas, was wir geändert haben und bis jetzt war es mein bestes Wochenende in diesem Jahr", sagte Ricciardo nach dem Qualifying. Zugleich warnte der Routinier aber auch vor einem voreiligen Urteil: "Ich will nicht sofort darauf springen und sagen: 'Es war definitiv das!'"
Für eine endgültige Beurteilung des Chassis-Wechsels will Ricciardo zunächst weitere Rennwochenenden abwarten. "Wir werden sehen, ob es das ist, oder ob ich in China einfach immer gut unterwegs war. Wenn es die nächsten, lasst uns sagen, fünf Rennen immer noch diese komplette 180-Grad-Drehung ist, dann wäre ich selbstbewusst zu sagen: 'Ok, wir werden vielleicht nie wissen, was es war, aber irgendwas hat sich mit dem vorherigen Chassis nicht richtig angefühlt.'"
Holt Ricciardo die ersten Punkte des Jahres?
Ricciardo selbst hofft zumindest auf einen solchen Zusammenhang: "Es wäre schön, hier nach fünf Rennen zu stehen und das sagen zu können, denn das würde bedeuten, dass sich die Saison definitiv zum Positiven gewandelt hat und wir das Thema ad acta legen können."
Was für einen Zusammenhang zwischen Ricciardos Performance und dem neuen Chassis sprechen würde, ist die Tatsache, dass es sonst keine neuen Teile am Auto gibt: "Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass wir an diesem Wochenende viel verändert haben. Es gab ein paar kleine Optimierungen hier und da, aber nichts Verrücktes", meinte Ricciardo.
Obwohl sich Ricciardo also mit seiner Leistung im Qualifying zufrieden zeigte, ist der 12. Startplatz für den Grand Prix nicht sein bestes Ergebnis des Jahres. Zuletzt in Japan startete Ricciardo von Rang elf - nur eben hinter Teamkollege Tsunoda.
Der Racing Bull scheint in China jedoch nicht ganz so konkurrenzfähig zu sein wie bei den letzten beiden Rennen, in denen Tsunoda punkten konnte. "In Japan habe ich mich als Elfter qualifiziert, aber ich habe das Gefühl, dass dieser 12. Platz besser ist", meinte auch Ricciardo deshalb.
Für das Rennen hat der 243-fache GP-Starter die Hoffnung auf Punkte jedoch noch nicht aufgegeben, besonders der Sprint (P11) stimmt ihn optimistisch: "Im Sprint hatten wir etwas mehr Pace als ich gedacht hätte. Als ich einmal ein paar Runden freie Fahrt bekam, hatte ich das Gefühl, dass wir Kevin (Magnussen; d. Red.) und Zhou (Guanyu; d. Red.) einholen."
Yuki Tsunoda: Trotz Setup-Änderungen langsam
Während es bei Daniel Ricciardo also bergauf geht, herrscht bei Yuki Tsunoda beim Shanghai-Comeback Krisenstimmung. Schon im Sprint-Qualifying gestern konnte der Japaner nur die zweitlangsamste Zeit fahren, im Sprint selbst ging nicht viel nach vorne (P16). Mit der erneuten Öffnung des Parc Fermé hoffte Tsunoda durch Setup-Änderungen auf Besserung - vergeblich.
"Beim Start ins Qualifying war ich ziemlich zuversichtlich, dass wir den besten Kompromiss mit unserem Setup gefunden haben, aber es hat schlussendlich einfach nicht funktioniert", zeigte sich der 23-Jährige ratlos.
DRS-Problem keine Ausrede
Verstärkt wird die Ratlosigkeit dadurch, dass sich Tsunoda das frühe Aus am Freitag zumindest mit der eigenen Performance erklären konnte: "Es gab definitiv den Blickwinkel, dass ich im Sprint-Qualifying nicht alles herausgeholt habe. 50 Prozent waren definitiv mein Fehler, aber in diesem Qualifying war ich ziemlich zufrieden mit meiner Runde." Das Heck bekam der 67-malige GP-Starter aber nie in den Griff. "Wir sind im Nirgendwo", so Tsunodas ernüchterndes Fazit.
Zwar wurde Tsunoda auf seiner ersten schnellen Runde von einem Problem mit dem DRS geplagt, als Ausrede lässt er dies jedoch nicht gelten. "Ab der zweiten Push-Runde dachten wir, das DRS würde funktionieren", verriet er. "Ich weiß nicht, ob es vollkommen funktioniert hat, aber grundsätzlich hat es das."
Klare Niederlage gegen Ricciardo: Tsunoda ratlos
Die Tsunoda-Pleite folgt auf einen überzeugenden Saisonstart des Piloten, der sich mit Punkteplatzierungen in Australien und Japan schon des Öfteren Lob von Red-Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko einhandeln konnte. Als Elfter ist Tsunoda in der WM aktuell der bestplatzierte Fahrer eines Nicht-Top-5-Teams.
Umso rätselhafter mutet die bislang schwache Performance auf dem Shanghai International Circuit an. "Es ist komisch", so Tsunoda. "Ich kann beim Lenkverhalten sehen, dass ich im Vergleich mit anderen Autos in jeder Kurve mehr mit der Lenkung kämpfe. Es fehlen zwei Zehntel auf P18. Das ist ziemlich viel, es ist also schwer herauszufinden."
Yuki Tsunoda war jedoch nicht die größte Enttäuschung im Samstags-Qualifying. Rekordweltmeister Lewis Hamilton schied als 18. zum ersten Mal seit dem Sprint-Shootout in Österreich 2023 in einem ersten Qualifying-Abschnitt aus - und das, nachdem er im Sprint wenige Stunden zuvor noch auf Rang zwei gefahren war. Was Hamilton zu seinem frühen Aus zu sagen hatte, lest Ihr in diesem Artikel:
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