"Zumindest fragt jetzt keiner mehr, ob wir alle Rennen gewinnen", kommentierte Dr. Helmut Marko trocken nach Max Verstappens Ausfall in Australien. 2023 ging Verstappen nach seiner Singapur-Niederlage in Japan auf Rachefeldzug: Erster in allen Sessions, Pole, dominanter Sieg. Während Sergio Perez zweimal ausschied, sicherte Verstappen Red Bull eigenhändig die Konstrukteurs-WM.

Gleiches Spiel (ohne Titelgewinn) 2024? Oder muss Max Verstappen zum ersten Mal seit Barcelona 2022 seine WM-Führung abgeben? Kann sich Carlos Sainz wieder gegen Charles Leclerc behaupten? Und muss Williams wieder russisches Roulette spielen? Die Brennpunkte vor dem Grand Prix in Suzuka.

Brennpunkt #1: Gewinnt Max Verstappen wieder mit 20 Sekunden Vorsprung?

Die Konstrukteurs- oder Fahrer-WM wie 2023 oder 2022 wird Max Verstappen diesmal in Japan nicht fixieren, trotzdem stehen die Sterne gut für den Niederländer. 2023 fuhr er nach der Singapur-Pleite mit dem Messer zwischen den Zähnen. Dreimal Trainingsbestzeit, Pole, ein einsamer Sieg mit 19,387 Sekunden Vorsprung.

Nach seinem ersten Ausfall seit 43 Rennen (auch Australien, 2022) wird Max Verstappen ehrgeiziger denn je sein. Suzuka ist eine schnelle Oldschool-Strecke mit hohem Reifenverschleiß, die ihm und dem RB20 auf den Leib geschneidert scheint. Und: Nach Verstappens letztjährigem P5 in Singapur gewann er die folgenden neun Rennen.

Qualifying: Polesetter Max Verstappen gratuliert Oscar Piastri zu Platz 2
McLaren konnte 2023 nur am Start Max Verstappen ärgern, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

Brennpunkt #2: Übernimmt Ferrari die WM-Führung?

Oder doch wieder Ferrari? Australien war Ferraris erstes 1-2 seit Bahrain - 2022. Das Team aus Maranello befindet sich dieses Jahr am aufsteigenden Ast. Klar zweite Kraft hinter Red Bull und bereit, von jedem kleinen Fehler zu profitieren. "Wir können sie ein bisschen unter Druck setzen. Und unter Druck machen sie Fehler", weiß Fred Vasseur. Dann sei Ferrari da und bereit, einen Sieg (wie in Singapur im Jahr zuvor) abzustauben.

Ferrari-Teamfeier mit Frederic Vasseur, Sieger Carlos Sainz Jr. und Charles Leclerc
Das nächste Rennen, der nächste Ferrari-Doppelsieg?, Foto: LAT Images

Bald will die Scuderia Red Bull aber dauerhaft fordern. Mit der schnellsten Rennrunde in Jeddah und Australien kurz vor Schluss zeigte Ferrari, dass sie ihre Achillesferse Reifenverschleiß im Griff haben. Auch die Zuverlässigkeit stimmt: Bislang brachte das Team aus Maranello immer beide Autos ins Ziel, und mindestens eines davon aufs Podium.

Brennpunkt #3: Carlos Sainz gegen Charles Leclerc

Carlos Sainz - die Red-Bull-Nemesis. Scheinbar kann nur er Max Verstappen schlagen. Oder? Die Formel-1-Welt schlitterte von der Euphorie über Oliver Bearman gleich in die nächste. Wenn Carlos Sainz in Jeddah nicht ausgefallen wäre, würde er die Fahrer-WM anführen. Zum ersten Mal seit Spanien 2022 nicht Max Verstappen.

Hamilton statt Sainz: Hat Ferrari die falschen Fahrer gewählt? (27:43 Min.)

Ja. Aber: Solche extremen Höhepunkte zeigte der Spanier bereits mehrmals. Insgesamt war Charles Leclerc seit 2021 der bessere Ferrari-Pilot, vor allem im Qualifying. Fehler machen beide (noch zu) oft. Es bleibt abzuwarten, wie Sainz in Suzuka und Schanghai performt.

Brennpunkt #4: Schafft McLaren das erneute Japan-Wunder?

Mit 55 Punkten legte McLaren den besten Saisonstart seit 2012 hin und ließ Mercedes (26) und Aston Martin (25) klar hinter sich. Im Vergleich zu 2023 ein Quantensprung. Gut für McLaren: Der Suzuka International Racing Course liegt dem Team aus Woking. Mit P2 und P3 fuhren sie (gemeinsam mit Katar) ihr bestes Saisonergebnis im Vorjahr ein und waren klar zweite Kraft hinter Red Bull.

Aber: Klar zweite Kraft hinter Red Bull ist derzeit Ferrari. Lando Norris konnte in Australien trotz frischerer Reifen nicht zu den Ferraris aufschließen. Im Vergleich zur zweiten Saisonhälfte der Formel 1 2023 ein Rückschritt - damals war McLaren Stammgast auf der Siegerehrung. In Australien schaffte es Lando Norris erstmals 2024 aufs Podest.

"Wir kennen die Ursachen", bleibt Andrea Stella optimistisch. Kommende Updates sollen die Performance des MCL38 verbessern. Ein Update erhielt Team Papaya schon vor dem Rennwochenende: Zum zweiten Mal organisierte das Team seine Technik-Abteilung neu: Der Königstransfer David Sanchez verließ McLaren, Andrea Stella übernimmt und ist nun gleichzeitig Teamchef und Technik-Direktor.

Brennpunkt #5: Quo vadis, Daniel Ricciardo?

Bislang musste Yuki Tsunoda für die Racing Bulls die Kohlen aus dem Feuer holen. P7 in Australien sicherten dem Team die ersten Punkte und P6 in der WM. Daniel Ricciardo fährt stattdessen im Tief. Der Honey Badger fühlt sich sichtlich unwohl im VCARB 01 und seine Form erinnert derzeit eher an McLaren- als an Red-Bull-Zeiten. Wieder scheint das Bremsen das Problem, wieder wirkt der Australier ratlos über die schlechte Performance.

Nicht helfen wird Ricciardo seine verminderte Trainingszeit in Japan. Im 1. Freien Training fährt RB mit einer rein japanischen Besetzung: Honda-Zögling Ayumu Iwasa leistet für das Team einen ihrer zwei verpflichtenden Rookie-Einsätze ab. Auf einer Fahrer-Strecke wie in Japan, mit vermindertem Selbstbewusstsein und einem Lokalhelden als Teamkollegen dreifach problematisch für Ricciardo.

Dazu kommt ein angebliches Ultimatum von Red Bull: Laut dem New Zealand Herald hat Ricciardo noch bis Miami Zeit, sich zu verbessern. Sonst sitzt Liam Lawson statt ihm im Cockpit. Red Bull dementierte die Gerüchte inzwischen. "Er tut sich schwer, man muss schauen", so Dr. Helmut Marko.

Liam Lawson ist wieder Red Bull-Ersatzfahrer
Mit Liam Lawson hat Red Bull einen Rohdiamanten in der Hinterhand, Foto: LAT Images

Brennpunkt #6: Williams diesmal mit einem oder zwei Autos?

Als "Geburtstagsgeschenk" zu seinem 28. Geburtstag erhielt Alex Albon den FW46 seines Teamkollegen, nachdem er seinen eigenen gecrasht hatte. Logan Sargeant musste zuschauen. Grund: Verzögerungen in der Fabrik. Das Ersatz-Chassis war nicht rechtzeitig fertig geworden.

Auch für Japan nicht: In Grove hatte das Team nun zwischen den Rennen alle Hände voll zu tun, das alte zu reparieren. Wenn alles nach Plan verläuft, tritt Williams dann in China endlich mit drei Chassis an.

Heißt: In Japan dürfen sich Albon und Sargeant wieder keine Fehler erlauben, sonst muss erneut jemand zusehen. Für Logan Sargeants Selbstbewusstsein war schon das eine Mal ein herber Schlag. "Ich habe die Zeit zwischen den Rennen genutzt, um nach Bali zu fliegen, um mich geistig und körperlich fit zu halten", verrät der Amerikaner.

Zum ersten Mal seit 1994 findet das Formel-1-Rennen in Japan im April statt. Damals holte Ayrton Senna Pole, Michael Schumacher gewann den Pazifik-GP. Der Versuch eines etwas nachhaltigeren Rennkalenders hat das Rennen nun erneut vom Herbst ins Frühjahr verschoben. Am Zeitplan selbst ändert sich nichts, alle Infos zum Ablauf des Rennwochenendes gibt es hier.