Seit wann ist Ferrari eigentlich zum Reifenflüsterer geworden? Noch in der Saison 2022, in der sie zumindest anfangs mit Red Bull um den Weltmeistertitel kämpften, verschenkte das Formel-1-Team aus Maranello viel Potenzial seines eigentlich konkurrenzfähigen Autos aufgrund des Reifenabbaus und beging bei den Rennen zahlreiche Strategie-Fehler. Nicht selten wurden der Ferrari-Crew am Kommandostand in den sozialen Medien deshalb Clownsmasken aufgesetzt. Doch nach umfangreichen Umstrukturierungsmaßnahmen bei den Strategieprozessen und Weiterentwicklungen, was den Reifenverschleiß angeht, sieht die Welt in diesem Jahr ganz anders aus.

Strategie-Optimierung in Suzuka

Dies bewies der italienische Traditionsrennstall zuletzt beim Großen Preis von Japan. Charles Leclerc brachte nahezu als einziger eine 1-Stopp-Strategie zum Funktionieren. Bei freier Fahrt konnte sich der Ferrari-Pilot sein Rennen gut einteilen, trotz Reifenabbau an Geschwindigkeit zulegen und somit die Medium-Reifen fast bis zur Rennhälfte am Leben halten. In Runde 26 wechselte er auf den harten Reifensatz und konnte damit bis zum Ende fahren.

Auch Carlos Sainz benennt die Strategie als essenzielles Element seines Japan-Rennens: "Es war ein sehr hartes und sehr strategisches Rennen." Aufgrund des Wechsels von sonnigem zu sehr bewölktem Wetter veränderten sich die Streckenbedingungen während des Rennens enorm. Dies hatte einen wesentlichen Effekt auf die Pirelli-Pneus: "Die Reifen bauten deutlich weniger ab und so konnte man zur Halbzeit des Rennens viel mehr Druck auf die Reifen ausüben. Dies hat die Gesamtsituation sehr verändert", schildert der Spanier.

Nach zwei Medium-Stints wechselte Sainz in Runde 36 des Japan GP auf die harte Reifenmischung. "An einem Punkt dachte ich, dass das Podium nicht erreichbar sei. Aber dann war das Tempo mit dem neuen harten Reifen mega und ich konnte erneut aufs Podium fahren", schwärmt er und lobt sein Team, das er zum Ende der Saison verlassen muss. "Wir haben das Auto genau an den Stellen verbessert, an denen wir es verbessern wollten. Und Suzuka beweist das." Im Moment reicht es zwar noch nicht ganz dafür, um Siege zu kämpfen. Sainz bemerkt aber positiv: "Unsere Pace im Rennen war besser als unsere Qualifying-Pace." Erklärtes Ziel von Ferrari ist es laut ihm, an Orten wie Suzuka bald genauso schnell wie die Red Bulls zu sein.

In diesem Video nimmt Christian das Formel-1-Rennen in Japan noch einmal genau unter die Lupe und beleuchtet für euch die Brennpunkte:

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Sainz: Verbesserungen am Ferrari erlauben größere Flexibilität

Der Ferrari-Pilot aus Madrid identifiziert die Gesamtentwicklung des Autos, die ein besseres Reifenmanagement ermöglicht und somit insgesamt vielfältigere Möglichkeiten im Rennen eröffnet, als ausschlaggebenden Grund für die erfreuliche Performance und strategischen Verbesserungen in den ersten vier Saisonrennen.

"Wir haben in den letzten drei Jahren kontinuierlich Fortschritte bei der Strategie gemacht. Wenn man dieses Jahr eine signifikante Verbesserung bei der Strategie sieht, dann liegt das ganz und gar am Auto. Ich denke, dass wir einfach ein Auto haben, das uns eine gewisse Flexibilität bei den Strategien ermöglicht, was wir letztes Jahr nicht hatten. Wir waren gezwungen, in bestimmten Runden zu stoppen und konnten Stints nicht verlängern. Letztes Jahr waren wir einfach null flexibel und konnten nichts mit unserem Rennen anfangen. Aber wenn man ein Auto hat, das besser mit den Reifen zurechtkommt und die Fahrer öfter pushen lässt, wenn man diese zusätzliche Flexibilität hat, dann sieht auch die Strategie besser aus", erklärt Sainz im Nachgang des vergangenen Rennens.

Auf ein persönliches Performance-Hoch will Carlos Sainz, der seinen zuletzt im Qualifying schwächelnden Teamkollegen mit seinen starken Saisonergebnissen in den Schatten stellt, nicht schieben. Stattdessen führt er die Glanzleistungen der vergangenen Rennen konsequent auf das verbesserte Auto zurück.

"Viele Leute denken, dass ich im Moment besser fahre, aber die Realität ist, dass es in der Formel 1 sehr wichtig ist, ein gutes Auto zu haben. Dazu kommt bei mir dieses Jahr ein sehr gutes Momentum. Ich fahre auf einem hohen Niveau." Wichtig sei es dem Spanier nach aber, ein Auto zu haben, mit dem man die Stints länger ziehen, in der verwirbelten Luft etwas näher am Vordermann fahren sowie ein paar Strategiespiele durchführen könne, damit man insgesamt ein bisschen mehr glänzen könne.

Hochzufrieden zieht Carlos Sainz Bilanz: "Letztes Jahr sah es in den Rennen so aus, als ob es für uns immer nur nach hinten ginge. Wir mussten ständig in den Rückspiegel schauen und uns verteidigen. Wir hatten ein schlechtes Zeitmanagement und so war es schwierig, gute Rennen zu fahren. Dieses Jahr waren es plötzlich zwei Podestplätze in drei Rennen, viele Überholmanöver und ein Sieg. Das ist ein völlig anderes Bild."

Lassen Ferrari-Upgrades WM-Hoffnungen aufleben?

Optimistisch blickt Sainz auf die noch verbleibende Saison: "Sobald wir ein gutes Upgrade für das Auto haben, das in die richtige Richtung geht, können wir hoffentlich näher [an die Red Bulls, Anm. d. Red.] herankommen", untermauert der Spanier seinen Glauben an die Entwicklung des Autos.

Sieger Carlos Sainz Jr. (Ferrari) feiert auf dem Podium
Beim Großen Preis von Australien 2024 kam Carlos Sainz in den Genuss des Siegergefühls, Foto: LAT Images

Immerhin 20 Grands Prix - darunter sechs Sprint-Wochenenden - bleiben dem F1-Piloten noch bei der Scuderia Ferrari, bevor er sein Cockpit an Rekordweltmeister Lewis Hamilton abtreten muss. Seine Motivation in Sachen Meisterschaftskampf ist größer denn je: "Es ist mein letztes Jahr bei Ferrari. Wir haben also nichts zu verlieren und werden alles versuchen."

Kann Carlos Sainz im WM-Kampf noch ein Wörtchen mitreden? Lest hier, welche Chancen sich der Ferrari-Pilot ausrechnet: