Das Formel-1-Qualifying in Japan zeigte bei Ferrari abermals ein deutliches Gefälle. Carlos Sainz rief mit Startplatz vier für das Rennen erneut seine Bestform ab. Der Spanier reitet nach seinem Australien-Sieg weiter auf einer Welle unbeirrbaren Selbstvertrauens. Bei Charles Leclerc machte sich auf der anderen Seite der Garage nach der zweiten teaminternen Niederlage in Folge noch mehr Ratlosigkeit breit. Der Heilsbringer der Scuderia konnte sich den großen Rückstand im Zeittraining beim besten Willen nicht erklären.

"Normalerweise gibt es immer eine Erklärung, wenn du nur Achter wirst. Ob es ein Fehler in einer bestimmten Kurve war, oder du einfach nur das Setup nicht getroffen hast", so der Monegasse, der über den Jahreswechsel bei Ferrari am Samstag klar den Ton angegeben hatte. Bis Melbourne besiegte er Sainz in neun aufeinanderfolgenden Qualifyings. In Australien unterlag er dem Stallgefährten und musste sich am Sonntag dessen Fahrt zum Sieg aus der zweiten Reihe ansehen.

Beim Qualifying in Suzuka war der Rückstand mit einer Zehntelsekunde überschaubar, doch Startplatz acht ist Leclerc unerklärlich. "Die Pace fühlte sich heute gut an. Die Runde hat sich auch gut angefühlt, aber ich hatte einfach nicht mehr Grip, um schneller zu fahren", sagt er. "Ich wusste schon, dass es keine schnelle Runde ist, denn ich hatte das Delta auf meinem Dashboard. Mir war klar, dass das nicht schnell genug ist. Wenn ich nicht an das Delta denke und nur nach meinem Gefühl gehe, habe ich aber den Eindruck, dass es eine gute Runde ist."

Leclerc scheitert am Reifen

Nachdem Ferrari schon in der Generalprobe im dritten Training keine Rolle an der Spitze gespielt hatte, bestätigte sich das Bild in der Qualifikation. Im wenig aussagekräftigen Q1 war Leclerc als Vierter noch vor Sainz, danach verlor er den Anschluss. "Das Gefühl war im Q1 schon in Ordnung, und normalerweise kommt die Rundenzeit dann von allein, aber heute war es das Gegenteil", erklärt der 26-Jährige.

Leclerc völlig ratlos! Warum ist Sainz plötzlich besser? (13:29 Min.)

Im Verlauf der Sitzung verrannte er sich mit der Reifenvorbereitung." "Das war nicht das erste Mal in diesem Jahr. Wir müssen uns das anschauen und verstehen, was ich besser machen kann, um die Reifen für das Qualifying vorzubereiten. Im Moment habe ich damit die größten Schwierigkeiten", sagt er. "Wir haben heute viele unterschiedliche Dinge versucht und nichts davon hat funktioniert."

Im Q3 stand ihm nur ein Reifensatz des Soft-Compounds zur Verfügung. Ferrari verzichtete darauf, in Suzuka die Track Evolution auszureizen und schickte Leclerc für seinen einzigen Run zu Halbzeit der Session auf die Strecke. "Das war unsere Entscheidung, aber ehrlich gesagt wären wir auch so nicht schneller gewesen", so Leclerc.

Höhenflug von Sainz hält an

Der Teamkollege stand derweil erneut auf der Sonnenseite. Nach seinem Triumph in Melbourne war Sainz mit Startplatz vier erneut der Erfolgsgarant der Scuderia. Mehr war diesmal für die Roten ohnehin nicht drin. "Auf Lando fehlen mir zwei Zehntelsekunden, das ist in Suzuka zu viel", so der Spanier, der sich im Kampf um den Titel des Best of the Rest hinter Red Bull seinem ehemaligen McLaren-Teamkollegen geschlagen geben musste. "Aber ich bin in diesem Qualifying ein paar sehr gute Runden gefahren und bin glücklich mit meiner Leistung"

Ein kleines Problem mit dem Gaspedal konnte ihn nicht aus dem Konzept bringen. "Ich musste die Session einfach damit fahren. Du denkst irgendwann nicht mehr daran. Es war nur ein weiches Pedal, da bestand kein Risiko. Es fühlte sich nur etwas seltsam an", sagt der dreifache Grand-Prix-Sieger. Auf die Pole von Max Verstappen fehlte ihm mit einer knappen halben Sekunde für Formel-1-Verhältnisse diesmal jedoch eine Welt.

"Ich habe gestern schon die Erwartungen gedämpft. Wir waren hier letztes Jahr eine Sekunde von der Pace weg und mir war klar, dass wir auf einer Strecke wie Suzuka von einem Jahr aufs andere keine Sekunde finden", erklärt er. "Jetzt ist es nur noch eine halbe Sekunde. Der Fortschritt ist also zu sehen, aber was die Performance angeht ist das hier für uns ein schwieriger Kurs. In diesen langen Highspeed-Kurven sind uns Red Bull und McLaren einen Schritt voraus."

Ferrari baut auf Rennpace und Strategie

Im Vorjahr ebenfalls keine Stärke von Ferrari war die Rennpace. Diesen Sonntag soll sie es hingegen richten. "Ich denke, im Longrun sind wir ziemlich gut. Ich bin was die Rennpace angeht optimistisch", sagt er. Nur seine Ausgangslage bereitet ihm Sorgen: "Ich bin weniger optimistisch, was das Überholen auf dieser Strecke angeht. In Suzuka ist das Überholen sehr schwierig. Wenn wir die Pace haben, um zu überholen, kann es für uns morgen gut laufen, aber es wird schwer."

Sainz ist mit seiner Ausgangslage bereits näher am Ziel, denn das heißt diesmal Lando Norris. "Es wäre nett, mit Lando, Fernando und den Mercedes um das Podium zu kämpfen. Es sollte ein interessanter Kampf werden. Red Bull ist hier in einer anderen Liga. Der raue Asphalt, die Medium- und Highspeed-Kurven, da haben sie einfach viel mehr Downforce, das sieht man allein an den Rundenzeiten", so die Prognose des Madrilenen.

In Anbetracht des nicht gerade Zweikampf-freundlichen Layouts kann er sich vorstellen, Track Position auch über die Strategie zu gewinnen. "Es haben jetzt viele den Soft-Reifen ausprobiert, was letztes Jahr im Oktober unmöglich war. Dieses Wochenende scheint der Soft zu gehen, wenn du einen Vorteil am Start und eine aggressive Zweistopp-Strategie fahren willst."