Nach stundenlangen Spekulationen bestätigte Williams am Freitagabend in Australien, was sich davor schon abgezeichnet hatte. Mangels Ersatzteile steht für den Rest des Wochenendes nur ein Auto am Start. Und in dem sitzt Alex Albon. Obwohl der sein Auto eigentlich im 1. Training geschrottet hatte, trifft das Team die harte Entscheidung, Logan Sargeant den FW46 wegzunehmen. Und ihn zum Zuschauen zu verdammen.

Schon im Verlauf des Tages war immer klarer geworden, dass sich das Chassis von Albon nach einem doch heftigen mehrmaligen Einschlag in der Mauer wohl nicht mehr reparieren lassen würde. Das stellte das Team schnell vor ein Problem. Denn nach einem zu knapp bemessenen Fertigungs-Zeitplan in den Wintermonaten ist das Williams-Werk in Grove mit den Ersatzteilen im Rückstand.

Williams-Teamchef räumt ein: Das ist inakzeptabel

Daher war in Australien kein Ersatz-Chassis mit dabei. "In der modernen Formel 1 ist es inakzeptabel, kein Ersatz-Chassis zu haben, aber das zeigt, wie weit wir in der Winterperiode zurücklagen", ist Teamchef James Vowles selbstkritisch. "Und es zeigt, warum wir signifikante Änderungen durchlaufen müssen, um in Zukunft in besserer Position zu sein."

Das alles kommt zu spät für Sargeant. "Das Mittelfeld ist enger denn je", rechtfertigt Vowles. "Also haben wir die Entscheidung basierend auf der unserer Einschätzung nach besten Chance auf Punkte an diesem Wochenende getroffen."

Die Zahlen sprechen eine harte, aber eben deutliche Sprache für die Williams-Entscheidung: In seiner noch jungen Karriere hat Sargeant Albon in keinem einzigen Qualifying geschlagen. Im Vorjahr holte Albon 27 der 28 Punkte des Teams, und damit Platz sieben in der Konstrukteurs-WM im Alleingang.

Sargeant völlig fertig: Härtester Moment der Karriere

So oder so - Albons Abflug im 1. Training von Australien war ein Fahrfehler. Sargeant vollzog seinerseits zwar zwei Ausritte im 2. Training, aber er ließ das Auto heil. "Wir können Logan gar nicht genug dafür danken, dass er das akzeptiert hat", meint Vowles. "Es zeigt seine völlige Aufopferung für das Team; Er ist ein echter Teamplayer."

Für Sargeant ist es nichtsdestotrotz eine brutale Erfahrung: "Das ist der härteste Moment, an den ich mich in meiner Karriere erinnern kann - absolut nicht leicht. Ich bin allerdings nur für das Team hier, und ich werde auf jede mir mögliche Art und Weise für den Rest des Wochenendes mithelfen, um das zu maximieren, was wir tun."

Der kaputte Williams FW46 von Alex Albon kehrt auf dem Abschlepp-Laster zurück in die Australien-Boxengasse
Das kaputte Auto von Alex Albon in Melbourne, Foto: Williams F1

Teamkollege Alex Albon gibt sich demütig: "Ich würde so etwas nie wollen. Logan war immer ein absoluter Profi und vom ersten Tag an ein Teamplayer, und das wird nicht leicht hinzunehmen sein für ihn."

Was geht noch für Williams in Australien?

"An diesem Punkt kann ich aber nicht weiter über diese Situation nachdenken", weiß der Realist Albon jedoch. Er hat nur knapp ein halbes Training gefahren. Das ganze 2. Training über hatte er zuschauen müssen, während das Team noch nach der besten Lösung gesucht hatte. "Mein einziger Job ist jetzt, das Potenzial an diesem Wochenende zu maximieren und zusammen mit dem ganzen Team sicherzustellen, dass wir die bestmögliche Arbeit abliefern."

Im Qualifying-Trimm fühlt sich das Team solide aufgestellt, Sargeant hatte das 2. Training als 13. vier Zehntel hinter dem zehntplatzierten Yuki Tsunoda beendet. Vier Zehntel ist durchaus eine Lücke, die Albon in vergangenen Qualifyings regelmäßig auf Sargeant herausgefahren hat. Im Vorjahr lag er im Schnitt eine halbe Sekunde vor dem Amerikaner. Das verdeutlicht nur noch mehr, warum Williams die Fahrer tauscht - Q3 ist mit Albon im Auto bei weitem nicht auszuschließen.

Wie es ums Rennen steht, ist auch wegen Sargeant unsicher. Sein Dreher in FP2 hatte nämlich zur Konsequenz, dass er die dabei verwendeten Medium-Reifen nicht mehr für den geplanten Longrun zur Rennvorbereitung hatte nutzen können. Er musste stattdessen auf Soft seinen Dauerlauf abspulen. "Wir haben mit vollen Tanks heute nicht viel gelernt", lautete danach die nüchterne Analyse von Chefingenieur Dave Robson.