Charles Leclerc wartet seit mittlerweile 35 Grands Prix auf einen Formel-1-Sieg. Könnte in Australien seine große Chance kommen, diese Unserie zu brechen? Angesichts der Verstappen-Dominanz der ersten beiden Rennen in der F1-Saison 2024 scheint das unwahrscheinlich zu sein, doch nach dem Trainingstag zum Grand Prix in Melbourne ist es nicht einmal so weit hergeholt.

Denn der Ferrari-Pilot war am Ende des Tages in FP2 nicht nur auf der Zeiten-Tabelle ganz oben zu finden, sondern beeindruckte auch die Konkurrenz im Longrun. Red-Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko sagte im Interview zu Sky Deutschland: "Leclerc hat ein Tempo vorgelegt, da braucht es noch viel Feinabstimmung [am Red Bull]."

Red Bull fürchtet Ferrari: Beeindruckender Longrun

Im zweiten Training nahm Leclerc dem Rest des Feldes beinahe vier Zehntelsekunden ab, Verstappen als erstem Verfolger fehlten 0,381 Sekunden. Ein erkaufter Vorsprung? "In der Qualifying-Simulation ist Ferrari mit voller Power gefahren, wir nicht. Das sehe ich nicht so kritisch", vermutete Marko, fügte aber hinzu: "Der Longrun war beeindruckend."

Das ergibt sich auch aus den entsprechenden Daten. Leclerc war der einzige Fahrer, der auf seiner Renn-Simulation auf dem Medium-Reifen unter einer Zeit von 1:23 bleiben konnte, und das sogar mit einer bis zum Ende des Runs sinkenden Tendenz. "Es ist sehr schwierig, das zu vergleichen. Denn einige Fahrer hatten viel Verkehr und wir hatten relativ saubere Runden", versuchte Leclerc die Bedeutung dieser Zeiten zu schmälern.

Charles Leclerc: Unsere beste Chance

"Wir befinden uns in einer besseren Position als in den ersten beiden Rennen, aber Red Bull hat noch nicht gepusht. Ich denke, sie sind immer noch vorne, aber wir haben womöglich an diesem Wochenende unsere beste Chance seit Beginn der Saison", fügte er hoffnungsvoll hinzu.

Die Red Bulls lassen sich tatsächlich nicht gut einschätzen. Denn Max Verstappen verlor in FP2 viel Zeit aufgrund von Reparaturen an seinem RB20. Sein Longrun ging nur über eine Dauer von fünf Runden. Außerdem startete er seinen Run mit äußerst langsamen Zeiten und steigerte sich stark. Das wahre Potenzial lässt sich daraus nicht abschätzen.

Der Run des zweiten Red Bull von Sergio Perez fällt ins andere Extrem ab. Der Mexikaner startete mit schnellen Zeiten, ließ jedoch gegen Ende stark nach. Das riecht nach einem Ferrari-Vorteil, aber die letzten Jahre lehrten die Formel 1: Perez ist kein guter Indikator für die Red-Bull-Performance, jedenfalls nicht für jene, die Verstappen zu leisten imstande ist. Der Niederländer gab sich nach dem 2. Training unbekümmert: "Ferrari ist schnell, aber bei uns gibt es noch viele Dinge für die Feinabstimmung. Nichts Verrücktes, keine Gründe zur Sorge."

Auch Ferrari ist bislang an diesem Formel-1-Wochenende nur eine One-Man-Show. Carlos Sainz fühlt sich nach seiner Blinddarm-Operation während dem Saudi-Arabien-Wochenende noch nicht bei 100 Prozent und gab nach dem Training an, bewusst noch etwas vorsichtig an die Sache herangegangen zu sein. "Ich nahm es Schritt für Schritt und versuchte in einen Rhythmus zu kommen. Ich war noch nicht am Limit des Autos und noch nicht an meinem eigenen Limit", erklärte er.

McLaren ohne Chance? Norris: Sogar Aston Martin schneller

Gute Longruns zeigte auch McLaren. Lando Norris und Oscar Piastri waren im Schnitt nur etwa zwei Zehntelsekunden langsamer als Leclerc. Doch eine echte Chance gegen die Scuderia oder auch gegen Red Bull rechnet man sich in Woking nicht aus. Lando Norris stellte klar: "Ferrari und Red Bull sind uns weit voraus."

Angesichts des Resultats von FP2 machte er zwei andere direkte Gegner aus: Aston Martin und Mercedes. Das Aston-Duo reihte sich im FP2 auf den Rängen 4 und 5 ein, während Piastri und Norris nur die Positionen 7 und 9 belegten. Dafür waren die Longruns der Astons noch ausbaufähig. Strolls Renn-Simulation lag relativ knapp hinter jener der McLaren, fiel aber gegen Ende stark ab. Alonso war konstant, aber auch deutlich langsamer.

McLaren-Fahrer Lando Norris
Lando Norris beim Formel-1-Freitag in Australien, Foto: LAT Images

Mercedes war in Form von George Russell auch vor den McLaren, während Lewis Hamilton weit abgeschlagen nur P18 erreichte. Die Silberpfeile sind an diesem Wochenende einmal mehr damit beschäftigt, ihre eigenen Brandherde zu löschen.

Zum wiederholten Mal war der W15 sehr instabil. Sowohl George Russell als auch Lewis Hamilton konnten bereits in FP1 einen Unfall nur knapp vermeiden. Eine groß angelegte Setup-Änderung am Boliden des Rekord-Weltmeisters ging für FP2 nach hinten los. Auch bei Russell lag der Fokus darauf, Verständnis für den neuen Boliden zu entwickeln. Also dasselbe Spiel wie schon beim Formel-1-Wochenende in Jeddah.