Nach fünf Jahren Pause fährt die Formel 1 wieder ein Rennen in China. Die Rückkehr nach Shanghai wird mit viel Spannung erwartet. Denn die Strecke ist für die derzeitige F1-Generation neu. Nach so langer Abwesenheit lässt sich gar nicht abschätzen, wie sich die Bedingungen auf dem 5,451 Kilometer langen Shanghai International Circuit verändert haben. Dass es das erste Sprint-Wochenende des Jahres ist, macht die Situation erst recht komplizierter - vor allem für Topfavorit Max Verstappen.
1. Brennpunkt: Was ist mit dem Asphalt los?
Der Untergrund ist auf dem Shanghai International Circuit etwa 25 Kilometer außerhalb des Stadtzentrums der ostasiatischen Millionen-Metropole seit jeher ein schwieriges Thema. Denn die Formel-1-Strecke, die 2004 ihr Debüt in der Königsklasse feierte, wurde in einem Sumpfgebiet errichtet. 40.000 Betonpfähle und Styropor sorgen für Stabilität.
Das Asphaltband des Kurses gab schon beim letzten China-GP 2019 Anlass für Kritik - vor allem aufgrund der Bodenwellen. Neu asphaltiert wurde die Strecke seitdem trotzdem nicht, sondern nur die Unebenheiten abgetragen. Innerhalb von fünf Jahren ist allerdings damit zu rechnen, dass sich die Asphaltbeschaffenheit auch unabhängig davon geändert hat und der Belag mit der Zeit rauer geworden ist.
Wie stark, das wird sich wohl erst am Freitag zeigen. Nicht nur für die Formel 1 ist es ein Comeback. Allgemein ist keine international bedeutende Rennserie in den letzten Jahren in Shanghai an den Start gegangen. Für die Ground-Effect-Autos wurden zudem die Kerbs angepasst. Wie die Grip-Verhältnisse aussehen werden, ist nicht nur den Fahrern und Teams ein Rätsel, sondern auch Pirelli. Der italienische Reifenhersteller konnte noch keine Daten vor Ort sammeln, bevor er die Reifensätze für den Grand Prix auswählte. Mit dem C2- bis zu dem C4-Reifensatz entschied man sich für einen Mittelweg.
2. Brennpunkt: Ist China die richtige Strecke für Ferrari?
Was sich in Shanghai auf jeden Fall nicht geändert hat, ist das Streckenlayout. Und das könnte Ferrari in die Hände spielen. Denn der Kurs mit den prägenden Schneckenkurven ist von seiner Charakteristik her einer, bei dem vor allem die Vorderreifen der limitierende Faktor sind und der zu Graining (Reifenkörnung) neigt.
Beides Punkte, die Ferrari in die Hände spielen könnten. Vor allem zweiteres. Graining ist in der modernen Formel 1 nur eher selten ein Thema. Die letzten beiden Rennen, wo es das war: Australien 2024 und Las Vegas 2023. Einmal feierte Carlos Sainz im Ferrari einen Sieg, nachdem er bereits in den Trainings stark aussah, das andere mal war der rote Bolide das tonangebende Auto und wurde nur durch eine ungünstige Safety-Car-Phase um den Sieg gebracht.
Beim China-GP könnte also wiederum mit Carlos Sainz und Charles Leclerc zu rechnen sein. Red Bull betonte ja schon bei den letzten Grands Prix die Stärke von Ferrari, in Japan erwies sich diese Sorge jedoch als unbegründet.
3. Brennpunkt: Die Sprint-Premiere 2024
Sprints sind schon seit 2021 Bestandteil der Formel 1. Die Anzahl und das Format änderten sich seitdem jedoch. 2024 gibt es dahingehend etwas Konstanz. An den Sessions selbst wurde nichts verändert. Wie schon im Vorjahr gibt es für das Rennen sowie für den Sprint gesonderte Qualifying-Sessions und auch das Punkte-System blieb gleich.
Doch einige Aspekte wurden im Vergleich zur Formel-1-Saison 2023 deutlich abgeändert. Zunächst einmal der Zeitplan. Anstatt dass der Samstag für den Sprint beziehungsweise das Sprint-Qualifying (2023 noch Sprint Shootout) reserviert ist, wird nun das gesamte Wochenende in einer schlüssigen Reihenfolge ausgefahren. Bedeutet: Am Freitag gibt es nach einem Training das Sprint-Qualifying, am Samstag in der Früh den Sprint, ehe vier Stunden nach dem Sprint-Start das eigentliche Qualifying über die Bühne geht.
Eine bedeutende Änderung, die sich über den Winter ebenfalls durchgesetzt hat, ist eine an den Parc-Ferme-Regeln. In der Vergangenheit begann Parc Ferme und damit ein Änderungs-Verbot am Setup bereits am Freitagnachmittag mit dem Qualifying und blieb dann bis Rennende erhalten. Der Parc-Ferme-Beginn ist zwar immer noch derselbe, jedoch öffnet sich 2024 Parc Ferme nach dem Sprint erneut.
Bis zum Beginn des Qualifyings dürfen wieder Änderungen vorgenommen werden. Damit sollen Szenarien wie letztes Jahr vermieden werden. Damals mussten mehrmals Teams einen Start aus der Boxengasse in Kauf nehmen, weil sie die Unterboden-Höhe nicht auf Anhieb hinbekamen. Beim USA-GP wurden Lewis Hamilton und Charles Leclerc sogar aufgrund einer zu starken Abnutzung der Unterboden-Planke disqualifiziert.
Was sich allerdings nicht geändert hat und China trotzdem äußerst knifflig macht, ist ein anderer Punkt: Nach wie vor haben die F1-Teams nur ein einziges echtes Training am Freitag. Angesichts der für alle Mannschaften unbekannten Streckenbeschaffenheit ist es eine große Herausforderung, so schnell das Auto abgestimmt zu bekommen.
4. Brennpunkt: Haben die Katastrophen-Wochen von Williams ein Ende?
Für kaum ein Team liefen die letzten Formel-1-Wochenende schlechter als für Williams. Die Briten stehen noch immer ohne Punkte da und noch immer ohne Ersatz-Chassis. Und das ausgerechnet in einer Zeit, in der der FW46 ein Unfallmagnet zu sein scheint. In Australien musste bereits Logan Sargeant das Wochenende aussitzen, nachdem sein Teamkollege Alex Albon seinen Williams bei einem Trainings-Unfall schwer beschädigt hatte.
In Japan crashte dann der US-Amerikaner. Glücklicherweise blieb dabei das Chassis heil und er konnte das Wochenende fortsetzen. Kurz nach dem Rennstart wurde Albon dann erneut in einen heftigen Unfall verwickelt, Sargeant konnte bei einem Ausflug ins Kiesbett seinen zweiten Crash an dem Wochenende knapp vermeiden.
Teamchef James Vowles hofft in China wohl einfach nur auf einen soliden Grand Prix ohne Unfall - nicht nur dem Budget zuliebe. Zum jetzigen Zeitpunkt steht eine offizielle Bestätigung noch aus, ob Williams in China überhaupt mit zwei Autos an den Start gehen kann. Es erscheint aber sehr wahrscheinlich.
5. Brennpunkt: Mercedes hofft auf eine Trendwende
Desaströse Wochen erlebte im letzten Monat nicht nur Williams, sondern auch Mercedes. Für die Silberpfeile setzte es in Australien und in Japan einen Tiefschlag nach dem anderen. Nach dem Nuller in Melbourne, als Lewis Hamilton einen kapitalen Motorschaden erlitt und George Russell einen schweren Unfall hinlegte, ging es in Suzuka pacemäßig noch weiter bergab.
Obwohl Lewis Hamilton schwärmte, dass sich das Fahrgefühl des Autos so gut anfühle wie lange nicht mehr und sogar zu Superlativen griff, spiegelte sich das nicht in der Zeitentabelle wider. Am Rennsonntag kam dann auch noch ein strategischer Fehlschlag dazu, als die Silbernen in Suzuka zu lange versuchten an einer 1-Stopp-Strategie festzuhalten. Aufgrund des hohen Reifenverschleißes scheiterten sie allerdings. In der Konstrukteurs-WM der Formel 1 trennt Mercedes nur ein Punkt von Aston Martin.
Besonders bitter ist der bisherige WM-Verlauf für Hamilton. Der zukünftige Ferrari-Pilot steht nach vier Rennen bei gerade einmal zehn Punkten und liegt damit lediglich einen Zähler vor Lance Stroll. Die Ansprüche für ein achtfaches Weltmeister-Team und für einen siebenfachen Weltmeister sind andere. In China will die Mannschaft von Toto Wolff die Trendwende einläuten.
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