Jahrelang musste das Formel-1-Team von Ferrari Spott und Häme über sich ergehen lassen, da die Scuderia in bestechender Regelmäßigkeit bei der Wahl der Renn-Strategie danebengriff. Vor allem 2022, als sich Charles Leclerc lange im WM-Kampf befand, waren die taktischen Fehlschläge der Roten ein zentrales Thema. Doch seitdem stabilisierte sich Ferrari dahingehend etwas.
Stattdessen leistete sich Mercedes in den vergangenen Jahren auffällig viele Strategie-Patzer, die Podien und mitunter sogar Siege kosteten. Das letzte Beispiel dafür gab es in Japan. Dort schien ein Top-3-Resultat zwar außer Reichweite zu sein, doch Mercedes war gleichzeitig aufgrund der eigenen Entscheidungen auch im Kampf um die Top 5 auf verlorenem Posten.
1-Stopp-Strategie nicht möglich: Mercedes' Strategie-Fauxpas im Doppelpack
Anstelle der beinahe unumgänglichen 2-Stopp-Strategie versuchte man bei Lewis Hamilton und George Russell das Formel-1-Rennen in Suzuka nach einer frühen Unterbrechung mit nur einem Boxenstopp durchzubringen. Ein Plan, der zum Scheitern verurteilt war, vor allem da der Reifenverschleiß am W15 ein nicht zu unterschätzendes Ausmaß angenommen hatte. Zur Rennmitte erkannten die Silbernen ihren Fehler, doch da war es schon zu spät.
2023 gab es auch eine Reihe von Fehlschlägen im Strategie-Team aus Brackley. Den wohl bittersten davon leistete man sich beim USA-GP in Austin und die Parallelen zur Japan-Pleite sind offenkundig. Auch damals versuchte Mercedes mit Hamilton, der hinter Lando Norris und vor Verstappen auf P2 lag, zu lange eine 1-Stopp-Strategie durchzudrücken.
Die Reifen machten das allerdings nicht mit. Die Pirellis kosteten Hamilton viel Zeit und erzwangen eine Umstellung der Taktik zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Dadurch wurde Verstappen ein höchst effektiver Undercut geschenkt und das bei einem der wenigen Rennen, in denen ein Sieg realistisch möglich schien. Einziger 'Trost': Aufgrund der nachträglichen Disqualifikation von Lewis Hamilton wäre es so oder anders nichts mit dem Sieg geworden
Im Regen-Drama von Zandvoort ein paar Monate zuvor ging es zwar nicht um den Sieg, doch auch dort verzockte sich kaum jemand so krass wie Mercedes. Während alle anderen Teams sofort nach Beginn der Regenfälle reinkamen oder sie aussaßen, taten die Silbernen das schlechteste aus beiden Welten. Sie warteten länger, nur um dann doch zu stoppen kurz bevor der Regen wieder aufhörte. Dazu kam noch Miss-Management wie in Japan, als sich Russell und Hamilton in einem Zweikampf selbst gegenseitig aufrieben, ehe das Team sie strategisch auseinanderdividierte.
Mercedes: Auch schon 2022 potenzielle Formel-1-Siege verspielt
Ähnliche Beispiele gibt es aber auch aus dem Ende der Formel-1-Saison 2022. In Mexiko als auch in den USA führte der Hard-Reifen Mercedes in den Abgrund. Eine Soft-Hard-Strategie in Mexiko-Stadt fiel den Soft-Mediums der Konkurrenz zum Opfer.
In den USA sparte man sich nach dem Training anstatt des Medium-Reifens ebenfalls nur einen Hard für den letzten Rennstint auf. Die falsche Wahl: Hamilton verlor die Führung und somit auch den Sieg an Verstappen.
Was führt zu Mercedes' Strategie-Fehlern?
In ihren Dominanz-Jahren in der Formel 1 war Mercedes so etwas wie der Inbegriff für eine perfekte Ausführung des Renn-Ablaufs inklusive der Strategie. Eine einheitliche Antwort darauf, wo bei dem achtfachen Weltmeister-Team der Fehler im System liegt, gibt es nicht. In der Vergangenheit wurden mehrmals die eigenen Simulationen als Erklärung geliefert (zum Beispiel in Mexiko 2022).
Außerdem hat die Stellung als Verfolgerteam anstatt als Spitzenreiter auch ihren Einfluss auf die Risikobereitschaft der Mannschaft. Wenn man mit derselben Strategie ins Rennen geht wie der Favorit, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass man auch hinter ihm ins Ziel kommt. Bei der verzweifelten Suche nach Alternativ-Strategien laufen Teams aber automatisch Gefahr, den Bogen zu überspannen - anstatt ganz nach vorne geht es womöglich aber nur weiter nach hinten.
Gleichzeitig kann es sich derzeit Red Bull und Max Verstappen bei den meisten Rennen dank ihrer Pace-Überlegenheit erlauben, eine konservative Herangehensweise zu wählen. Eine Parallele zur Strategie gab es auch regelmäßig in der Renn-Abstimmung der Silbernen in der Ground-Effect-Ära. Auch dort experimentierte man - vor allem bei Hamilton - gerne mal mit einem aggressiven Setup. Ein Risiko, das häufig nicht aufging.
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