Keine drei Tage mehr, dann heulen - oder pfeifen - in Melbourne wieder die Power Units. Die Formel-1-Saison 2016 steht unmittelbar vor der Tür. Bevor Teams und Fahrer aber zum ersten Kräftemessen unter Wettbewerbsbedingungen antreten, wirft Motorsport-Magazin.com einen Blick auf jene Themen, die uns in den bevorstehenden Monaten beschäftigen werden: sieben heiße F1-Brennpunkte anno 2016!

#1: Nationenkampf! Deutschland gegen England

Noch müssen Vettel und Rosberg dem F1-Weltmeister applaudieren. 2016 will das deutsche Duo Hamilton stürzen, Foto: Sutton
Noch müssen Vettel und Rosberg dem F1-Weltmeister applaudieren. 2016 will das deutsche Duo Hamilton stürzen, Foto: Sutton

Das große Duell im Fußball steigt 2016 auch auf der Rennstrecke. Mit dem erwartet großen Zweikampf Ferrari vs. Mercedes um den Titel einher geht immerhin auch das Aufeinandertreffen von Weltmeister Lewis Hamilton für Großbritannien auf der einen und dem Doppel-Vize Nico Rosberg sowie dem ehemaligen Vierfach-Champion Sebastian Vettel für Deutschland auf der anderen Seite. Verbrüdern sich die beiden am Ende gegen ihren britischen Konkurrenten?

Eigentlich kaum vorstellbar. Zumindest bei Mercedes steht das Team doch an erster Stelle. Dennoch: Die Konstellation könnte Hamilton nach einem souveränen Titel 2015 wieder ähnlich ins Schwitzen bringen wie 2014. Damals ging es gegen Rosberg durchaus eng zu, ein starkes Ferrari gab es allerdings nicht. Anders 2016. Die doppelte germanische Spitze könnte den britannischen King Lewis also von seinem gut eingesessenen WM-Thron piksen.

#2: Geld her! Bloß nicht Letzter werden ...

Sorgt Pascal Wehrlein dafür, dass Manor einen fetten Batzen Preisgeld abstaubt? , Foto: Sutton
Sorgt Pascal Wehrlein dafür, dass Manor einen fetten Batzen Preisgeld abstaubt? , Foto: Sutton

Klar, Schlusslicht sein will keiner. Aber durch den Einstieg des neuen Haas F1 Teams (siehe Brennpunkt #4) bekommt der Kampf am Ende des Feldes noch eine andere Dimension: Geld! Wegen des US-Rennstalls umfasst das Startfeld der Formel 1 2016 wieder 22 Piloten, also elf Teams. Für den bisherigen Hinterbänkler Manor Racing bedeutet das: keine Garantie mehr auf eine fette Ausschüttung aus dem großen Preisgeldtopf am Ende des Jahres. Die steht nämlich nur den Top Ten der Konstrukteursweltmeisterschaft zu. Der Elfte bekommt nur noch zehn Millionen - in der teuren F1 weniger als eine Aufwandsentschädigung.

2014 als es auch 22 Starter gab, hatte sich das damalige Marussia-Team dank Punkten Jules Bianchis in Monaco noch gegen Caterham - am Ende sogar ohnehin nicht in der Wertung und sogar Sauber durchgesetzt. Gelingt dies 2016 auch gegen Haas? Oder steht am Ende gar ein ganz anderes Team hinten? Nicht auszuschließen, ist Manor mit Mercedes-Motoren, Williams-Unterstützung und etlichen neuen Top-Leuten im Team 2016 so stark aufgestellt wie nie zuvor.

Nicht zu vergessen auch ein gewisser Import aus Deutschland. "Pascal Wehrlein kann im Idealfall ein viel besseres Investment für sein Manor-Team sein als ein sogenannter Paydriver, der zunächst wesentlich mehr Millionen Sponsorgeld ins Team bringt. Sollte Wehrlein einen oder gar mehr WM-Punkte machen, die für den Paydriver - wenn auch nur geringfügig langsamer - nicht erreichbar sind, können diese Punkte zweistellige Millionenbeträge wert sein", erklärte Norbert Haug im Interview mit Motorsport-Magazin.com.

Sauber droht unterdessen die ganz große Katastrophe, sollten die Schweizer erneut eine dramatisch schwache Saison wie 2014 erwischen. Der Rennstall leidet aktuell offenbar so akut unter Geldnot wie nie zuvor. Nur ein Mini-Preisgeld könnte dem Team den Gnadenstoß versetzen.

#3: Zwergenaufstand! Toro Rosso fordert Red Bull

Zieht Toro Rosso 2016 an Red Bull vorbei?, Foto: Sutton
Zieht Toro Rosso 2016 an Red Bull vorbei?, Foto: Sutton

2016 muss nicht, aber es kann ein richtig bitteres Jahr für Red Bull Racing werden. Nach dem tiefen Fall von der zweiten zur vierten Kraft in der Formel 1 von 2014 auf 2015, könnte das ehemalige Weltmeister-Team in dieser Saison einen weiteren Platz herschenken müssen. Und das ausgerechnet an das eigene Juniorteam. Warum? Während Red Bull weiter mit Renault-Motoren - nur unter anderem Namen - fährt, setzt Toro Rosso 2016 auf Power Units von Ferrari aus der Vorsaison. Diese gelten nach wie vor sowohl als leistungsstärker als auch zuverlässiger als das Renault-Pendant.

Zwar hat Red Bull im Winter offenbar erneut ein Top-Chassis entwickelt, doch auch Toro Rosso fand eine beachtliche Lösung. Entsprechend erwarten die Verantwortlichen bei beiden Teams, dass der Nachwuchsrennstall zumindest zu Saisonbeginn die Nase vorne haben kann. Weil der 2015er Ferrari-Powertrain nicht weiterentwickelt wird, könnte Red Bull durch Renault-Updates im Verlauf wieder vorbei ziehen. Die Frage ist nur, ob diese Updates a) reichen und b) rechtzeitig kommen, um den konzerninternen Konkurrenten in den WM-Wertungen wieder einzuholen. Zumal die Youngster Max Verstappen und Carlos Sainz jr. in ihrer zweiten Saison inzwischen auch die wichtigsten F1-Routinen kennen ... Auf jeden Fall gibt es in Österreich 2016 ordentlich Potential für interne Action.

#4: Sparmodell! Funktioniert das System Haas?

Hat Gene Haas gleich in seiner ersten F1-Saison Erfolg oder gerät Haas schnell ins Abseits?, Foto: Sutton
Hat Gene Haas gleich in seiner ersten F1-Saison Erfolg oder gerät Haas schnell ins Abseits?, Foto: Sutton

2016 gibt es mal wieder ein neues Team in der Formel 1. NASCAR-Größe Gene Haas steigt mit dem amerikanischen Haas F1 Team in die Königsklasse ein. Die Herangehensweise unterscheidet sich massiv von allem bisher Dagewesenen: Drei Dependancen - USA, England, Italien. Enge Partnerschaft Ferrari. Der Neueinsteiger bezieht nicht nur Power Units und Getriebe aus Maranello, sondern nutzt auch deren Windtunnel für Aerodynamik-Tests. Das Chassis kommt derweil vom italienischen Spezialisten Dallara.

Kurz gesagt: Haas versucht an den Grenzen des Reglements, maximal möglicher Effizienz und Know-how-Einkäufen zum Erfolg zu kommen. Ein einmaliges Projekt, das sich damit deutlich von den bislang letzten - größtenteils gescheiterten - Einstiegen in die F1, wie Virgin, Caterham und HRT, abgrenzt. Gleich bei den ersten Testfahrten überraschte Haas mit erstaunlicher Performance. Beim zweiten Test holte die harte F1-Realität den jungen Rennstall ein - klare Probleme in Sachen Zuverlässigkeit. Der Anspruch ist dennoch geblieben. Haas will gleich in seiner ersten Saison im Mittelfeld fahren und erste Punkte sammeln. Ob das gelingt oder grandios scheitert, wird 2016 spannend zu beobachten sein.

#5: McLaren & Renault: Wiederauferstehung der Gebeutelten?

Die 'alten Damen' Renault und McLaren arbeiten am Comeback in der Weltspitze, Foto: Sutton
Die 'alten Damen' Renault und McLaren arbeiten am Comeback in der Weltspitze, Foto: Sutton

Das Zeitalter des Hybrid-Antriebs in der Formel 1 ist bisher nicht der Ära von McLaren. Genauso wenig von Renault. McLaren scheiterte zuerst noch mit Mercedes-Motoren am eigenen Chassis. Dann war das Chassis gut, aber Neo-Motorenpartner Honda noch alles andere als bereit. Renault scheiterte derweil daran, eine zuverlässige, fahrbare und leistungsstarke Power Unit zu konzipieren, was der Partnerschaft mit Red Bull tiefe Risse einbrachte. 2016 rüstet Renault Letztere nun doch weiter mit Motoren aus, setzt parallel jedoch auf einen Neustart des eigenen Werksteams. McLaren hingegen versucht 2016 gemeinsam mit Honda endlich einen Schritt Richtung Zukunfts-Dominanz zu gehen.

Bei den Testfahrten zeigte sich bereits: Beide sind auf ihrem Weg zurück an die Weltspitze noch weit von dessen Ende entfernt. Renault plant sowieso langfristig, McLaren hat anscheinend inzwischen zumindest die Zuverlässigkeit unter Kontrolle, an der Performance krankt es allerdings noch. Die soll jedoch schon in Australien deutlich besser sein. Immer Punkte, irgendwann Podien heißt die Vorgabe für 2016 in Woking. Renault würde schon Ersteres reichen. Spannend zu sehen also, wie sich die beiden Granden der F1-Vergangheit 2016 schlagen werden. Auferstehung? Oder löst sich wieder alles - wortwörtlich - in Rauch auf?

#6: Silly Season! Alte Recken wirbeln Fahrermarkt auf

Button, Räikkönen und Massa, hier beim Bahrain GP 2012, könnten 2016 den Fahrermarkt komplett durcheinander bringen, Foto: Sutton
Button, Räikkönen und Massa, hier beim Bahrain GP 2012, könnten 2016 den Fahrermarkt komplett durcheinander bringen, Foto: Sutton

Kimi Räikkönen, Jenson Button und Felipe Massa. Alle drei gehören fast schon zum F1-Inventar. Seit 15 Jahren - teilweise mit Unterbrechungen - ist das Trio in der Formel 1 aktiv. Jedem von ihnen verdankt die Szene großartige Geschichten - vom Scheitern und Triumphieren sowie Kuriositäten, Stichwort Gorilla-Kostüm. 2016 könnte das Dreigestirn gemeinsam für einen ganz großen Knalleffekt sorgen: Die Verträge aller drei Routiniers laufen zum Saisonende aus. Noch dazu drängen bei Toro Rosso die jungen Superstars Max Verstappen und Carlos Sainz auf Cockpits in Spitzenteams, während bei Red Bull Daniel Ricciardos Vertrag ausläuft. Dasselbe gilt übrigens für einen gewissen Nico Rosberg ...

Ein Erdrutsch auf dem Fahrermarkt steht also unmittelbar bevor, nachdem es 2015 trotz brodelnder Gerüchteküche unter dem Strich kaum, oder erst sehr späte, Veränderungen gegeben hat. Allerdings ist genauso wenig auszuschließen, dass wenigstens zwei der drei eingangs genannten Herren noch ein Jahr dranhängen. Williams bescheinigt Massa immerhin noch immer herausragende Qualitäten am Lenkrad wie zu seinen besten Rennfahrer-Zeiten. Auch Räikkönen präsentierte sich zuletzt im Aufwind. Noch dazu gilt der Finne als idealer Teamkollege für Sebastian Vettel und ist in Sachen Fangemeinde die Nummer eins der Königsklasse - für Ferrari keine zu verachtenden Faktoren. Einzig Button sprach schon in der Vergangenheit oft aus eigenem Antrieb vom Karriereende. Stoffel Vandoorne dürfte es freuen ...

#7: K.O.-Quali, neue Reifenwahl, weniger Boxenfunk!

Beim neuen Qualifying wird alle 90 Sekunden ein Pilot 'eliminiert', Foto: Sutton
Beim neuen Qualifying wird alle 90 Sekunden ein Pilot 'eliminiert', Foto: Sutton

Nach großem Hickhack um das Ob und Wie kommt es 2016 zur Quali-Revolution. Es gibt weiterhin drei Abschnitte, allerdings werden diese durch ein Knockout-System nochmals unterteilt: Nach knapp der Hälfte der jeweiligen Segmente scheidet bereits der langsamste Pilot aus, danach alle 90 Sekunden der nächste zu diesem Zeitpunkt langsamste Fahrer - bis nur noch 15 (für Q2) bzw. 8 (für Q3) übrig sind. Im Q3 duellieren sich am Ende die beiden verbliebenen für 90 Sekunden um die Pole Position.

Das Ziel: Ganz bewusst mehr Unvorhersehbarkeit kreieren, das Feld zumindest ein Stück weit durcheinander wirbeln und so für spektakulärere Rennen durch eine Startaufstellung mit mehr Top-Boliden mitten im Grid sorgen. Ob die ganze Idee am Ende jedoch nicht die Fans vergrault, weil das Qualifying selbst am Ende im Chaos versinkt, muss sich erst in der Praxis beweisen. Bisher sind die Reaktionen der Fans auf das neue Format jedenfalls zwiegespalten. Die Fahrer unterdessen sehen es fast durchweg kritisch.

Damit nicht genug. Der Boxenfunk soll 2016 noch drastischer reguliert werden. Inwiefern die Stewards das allerdings auch kontrollieren und sanktionieren werden, ist noch ein wenig schleierhaft. Kommt es hier allerdings - wie von vielen gewünscht - endlich hart auf hart, so wird sich für die Fahrer jede Menge ändern. Genauer gesagt gibt es dann viel mehr Arbeit im Cockpit, was zum Beispiel bei Mercedes Nico Rosberg einen Vorteil bringen könnte. Der Deutsche beschäftigt sich bekanntlich extrem mit all den Einstellungen an seinen Boliden.

Als drittes Spannungselement gibt es schließlich auch noch ein liberaleres System der Reifenwahl, das das Feld zumindest im ersten Saisondrittel mangels Erfahrungswerten durcheinander wirbeln könnte. Die sportlichen Regeln sind 2016 also nicht umsonst ein absoluter Brennpunkt.

Jetzt seid ihr dran! Wir haben natürlich nur eine Auswahl von Brennpunkten zusammengestellt, um den Rahmen nicht zu sprengen. Doch sicherlich gibt es noch sehr viel mehr - den neuen Ultrasoft-Reifen und die bevorstehenden Regeländerungen für 2017 zum Beispiel. Was, denkt ihr, wird die Formel 1 2016 beschäftigen? Worauf freut ihr euch besonders? Tauscht euch in den Kommentaren aus und postet eure Meinung!