21 von 22 gewonnene Rennen, 5 von 6 gewonnene Sprints, sowie gebrochene Rekorde am laufenden Band: 2023 war Red Bull in der Formel 1 das Maß der Dinge. Viele prophezeien eine Fortsetzung des Erfolges, der am längsten dienende Teamchef der Königsklasse ist nicht darunter. Christian Horner sieht 2024 einen holprigen Weg - und drei wichtige Herausforderungen, die sein Team bewältigen muss.

Red-Bull-Herausforderung Nr. 1: Weniger Entwicklungsspielraum

Seit Einführung der Ground-Effekt-Autos ist Red Bull der Primus inter Pares - niemand wurde schneller Herr der neuen Regelperiode. Von den bisherigen 44 Rennen seit 2022 gewann Red Bull 38.

Siege in der neuen Ground-Effekt-Ära

FahrerTeamAnzahl
Max VerstappenRed Bull34
Sergio PerezRed Bull4
Charles LeclercFerrari3
Carlos SainzFerrari2
George RussellMercedes1

Damit haben Adrian Newey und Co. eine stabile Basis, auf der sie gut aufbauen können. Andererseits sind sie deshalb auf der Entwicklungskurve weiter oben angesiedelt und haben theoretisch weniger Spielraum für Verbesserungen.

Horner: Regeln der Ökonomie spechen gegen Red Bull

"Ich rechne fest damit, dass wir bei den gleichbleibenden Regeln schlechter abschneiden werden. Weil wir schneller an der Spitze der Kurve angekommen sind", glaubt auch Christian Horner bei Formula1.com an diese Theorie. "Das Feld wird sich annähern."

Max Verstappen beim Sprint in Katar mit Christian Horner in der Garage
Christian Horner hält die Saison 2023 als Ausreißer, nicht die neue Normalität, Foto: Getty Images / Red Bull Content Pool

"Wir haben die Kurve schneller als andere erklommen, aber wir unterliegen dem Gesetz des abnehmenden Ertrages", meint der 50-Jährige. Ursprünglich aus der Landwirtschaft kommend heißt das: Der Erfolg steigt bis zu einem gewissen Grad an, stagniert jedoch dann trotz gleichbleibender Ressourcenzufuhr oder fällt sogar ab. Oder kurz gesagt: Viel hilft nicht viel.

"Es gibt immer einen Reset, wenn man ins nächste Jahr geht", so Horner, und ist fest davon überzeugt, dass viele Autos 2024 dem erfolgreichen RB19 ähnlich sehen werden. "Wenn man in diesem Geschäft stehen bleibt, macht man Rückschritte."

Red Bull gegenüber McLaren, Ferrari und Mercedes im Nachteil?

Weiteres Problem: Die geringere Aero-Testzeit. Obwohl Red Bull schon seit der Sommerpause nur mehr streckenspezifischere Updates am RB19 vornahm. "Trotz der frühen Umstellung hatten wir weniger Zeit als viele unserer Gegner", so Horner. "Wir müssen sehr sparsam und wählerisch sein, wo wir die Zeit für den RB20 einsetzen."

Evolution statt Revolution ist deshalb auch dieses Jahr das Motto. Der RB20 soll auf den Stärken seines Vorgängers aufbauen. "Wir werden das Rad nicht neu erfinden", so der Teamchef. "Aber wir haben alle Bereiche des Autos untersucht, und können uns dabei keine Selbstgefälligkeit leisten." Am 15. Februar wird das neue Auto der Öffentlichkeit präsentiert.

Wer Gegner Nummer eins sein wird, wagt der Teamchef nicht zu prognostizieren: "Die Verhältnisse verschieben sich ständig. Aber das ist es, was wir in diesem Jahr erwarten." Max Verstappen gab sich indes im Talking Bull Podcast besonders beeindruckt von McLarens Wiederauferstehung.

Herausforderung Nummer 2: Weltkriegs-Windkanal

McLaren beeindruckt ebenfalls mit ihrem neuen Windkanal in Woking. "Ein Relikt aus dem Kalten Krieg" (O-Ton Christian Horner) soll stattdessen der mehr als 60 Jahre alte Red-Bull-Windkanal in Bedford sein. Veraltet und bei dem kalten Wetter in Großbritannien nicht sehr effizient.

Nicht mehr lange. Ein neuer Windkanal ist bereits in Auftrag gegeben, direkt am Standort Milton Keynes. Dieses Jahr beginnen die Bauarbeiten, fertig sein soll er 2026. Das zweite Auto mit eigenem Red-Bull-Powertrains-Motor könnte also bereits damit entwickelt werden.

Im Vergleich zur Konkurrenz ist der Red-Bull-Winkanal in Bedford nicht auf dem neuesten Stand, Foto: Red Bull Content Pool
Im Vergleich zur Konkurrenz ist der Red-Bull-Winkanal in Bedford nicht auf dem neuesten Stand, Foto: Red Bull Content Pool

Herausforderung Nummer 3: Das verhexte zweite Red-Bull-Cockpit

Max Verstappen hat 2023 mehr als doppelt (575) so viele Punkte eingefahren wie Sergio Perez (285) und die Konstrukteurs-WM im Alleingang gewonnen. 2024 darf nicht von einer ähnlichen Situation ausgegangen werden. "Wenn das Feld immer näher zusammenrückt, ist es unvermeidlich, dass man seine beiden Autos so nah wie möglich beieinander haben will", so Horner.

Bei Max Verstappen mit einem Vertrag bis 2028 scheint so weit alles klar, der Vertrag von Sergio Perez läuft allerdings bereits Ende dieses Jahres aus. "Wir sind in einer Luxus-Position und müssen nichts überstürzen", so Horner. "Wir haben eine Menge Optionen. Aber es liegt an Checo."

Red Bull: Sergio Perez muss sich Vertrag verdienen

"Es hängt nur davon ab, wie er über den Großteil der Saison abliefert", betont der Red-Bull-Teamchef nochmals. Besonders im Qualifying muss sich der Mexikaner verbessern, im Durchschnitt war er mit 0,589 Sekunden am weitesten von allen zehn Teams vom eigenen Kollegen entfernt.

"Wir setzen auf ihn, er ist unser Fahrer für 2024. Wenn er einen guten Job macht, gibt es keinen Grund, warum wir ihn nicht bis 2025 verlängern sollten", führt der Brite aus. Mit Daniel Ricciardo, Liam Lawson und Yuki Tsunoda hätte Red Bull genug Fahrer, die an die Seite von Max Verstappen gesetzt werden könnten. Abgesehen von Fahrern anderer Teams, die einen Platz im besten Auto des Feldes nicht ablehnen würden.