War Lewis Hamiltons Sieg je in Gefahr?

Kurzum: nein. "Es ist nie einfach", sagte Lewis Hamilton zwar nach Rennende. Aber wer gerade seinen fünften Karriere-Grand-Slam aus Pole, schnellster Rennrunde, Sieg und sämtlichen Führungsrunden erzielt hat, kann eigentlich keine echten Probleme gehabt haben. Wenn überhaupt, dann wurde es am Start mal eng: Kimi Räikkönen war einen Tick besser losgekommen, doch reichte es nicht ganz, um den Ferrari neben den Mercedes zu setzen.

Danach sah es zunächst lang nach einem engen Duell aus. Zehn Runden lang pendelte sich der Abstand zu Räikkönen bei rund 2,5 Sekunden ein. Dann aber war Hammertime angesagt: Hamilton drehte voll auf und verschaffte sich bis zu den Boxenstopps ein Polster von mehr als zehn Sekunden - die Entscheidung. Im zweiten Stint konnte Hamilton verwalten.

Wieso startete Vettel so schlecht?

Anders als der Teamkollege kam Sebastian Vettel am Start in Silverstone nur sehr langsam in die Gänge. Deutlich schneller aus der Startbox schoss derweil Max Verstappen, der den Ferrari-Piloten somit nach einem Scharmützel über den gesamten ersten Kurvenkomplex hinweg am Ende niederringen konnte. Doch wieso startete Vettel so suboptimal? Ursache ist ein kleines Feuer an der Bremsanlage des Ferrari.

"Ich weiß nicht, warum die Bremsen Feuer fingen. Hinten links hat es stark geraucht, rechts hat es dann auch gequalmt", erinnerte sich Vettel nach Rennende. "Dadurch sind dann die Reifen so heiß gewesen, dass ich dann keinen Grip gehabt habe und der Start gar nichts war. Ich konnte mich noch irgendwie retten, aber hinter Max hing ich dann trotzdem fest. Von da an war es schwierig", haderte Vettel.

Wie kam es zu Ferraris Reifenschäden?

Das große Finale des Großbritannien GP verkam für Ferrari zum Desaster: Drei Runden vor Rennende zerlegte es Kimi Räikkönen den linken Vorderreifen, einen Umlauf später erwischte es auch noch Sebastian Vettel. Aber warum? Trümmerteile erschienen sofort unwahrscheinlich, hatte es in Silverstone kaum Zwischenfälle gegeben. Noch dazu spricht ein augenscheinlich identes Problem am selben Auto und selben Reifen stark dagegen.

Etwas näher betrachtet handelte es sich allerdings nicht um die gleichen Schäden, wie Pirelli berichtete. Bei Räikkönen lösten sich einzelne Fasern des Pirelli-Reifen beginnend links der Mitte, die Luft blieb allerdings noch drin. Bei Vettel hingegen zerlegte es den Pneu fast vollständig - und das eher an der rechten Schulter. Genaue Details stehen allerdings noch aus - dafür muss Pirelli die Reifen erst in Mailand näher analysieren.

Die Schuldfrage: Ferrari oder Pirelli? Zumindest Scuderia-Teamchef Maurizio Arrivabene hat eine klare Meinung: "Auch wenn die Gründe offensichtlich sind, sich über den Verlust der Plätze zu beschweren, ist nicht Ferraris Stil." Ähnlich sah es Vettel selbst: "Es war keine Sternstunde der Reifen. Es ist nicht so, als hätte es sich erahnen lassen." Tatsächlich stiegen die Rundenzeiten Vettels vor dem Super-Gau aber dramatisch an - doch ein mögliches Indiz also.

Der heftige Verbremser Vettels im Duell mit Bottas soll dabei keine Rolle gespielt haben."Ich glaube nicht, dass der Schaden daher kommt", sagte Mario Isola. Noch dazu hatte Vettel nach dem Überholmanöver Bottas Gas rausgenommen. Genauso wenig glaubt der Pirelli-Mann, dass Blistering, über das sich in Silverstone etliche Piloten beklagten, verantwortlich war. Lag es also ein einer vielleicht zu aggressiven Fahrzeugabstimmung Ferraris? "Nein", widerspricht Vettel knapp.

Wieso stoppte auch Verstappen nochmal?

In der gleichen Runde wie Kimi Räikkönen nach seinem Reifenschaden kam zur Verblüffung vieler auch Max Verstappen noch einmal an die Box. Aber warum? Red Bull sei schlicht etwas vorsichtiger gewesen, was die Reifen-Haltbarkeit betreffen habe, so Verstappen. "Mit den vielen schnellen Rechtskurven wird der linke Vorderreifen hier hart rangenommen und wir wussten, dass das später zu einem Problem werden würde. Wir haben uns entschieden, lieber noch einen Stopp zu machen", schilderte der Niederländer.

Wer hat Schuld am Reifen-Desaster?: (04:25 Min.)

Den konnte sich Verstappen eigentlich auch locker erlauben: Hülkenberg und Ricciardo direkt dahinter lagen mit 30 Sekunden mehr als genug zurück. Eigentlich, weil Räikkönen durch dessen Stopp plötzlich potentiell schlagbar gewesen wäre. Doch zu diesem Zeitpunkt hätte man sich bereits zum eigenen Wechsel entschlossen, so Verstappen. Im Nachhinein hätte man aber vielleicht doch etwas mehr riskieren sollen. Verstappen: "Hätte ich gesehen, dass Kimi am Ende an die Box musste, hätte ich draußen bleiben und versuchen können, ihn zu erwischen. Aber wir hatten uns schon zu unserem Sicherheits-Stopp entschieden."

Wie kam Bottas bis aufs Podium?

Valtteri Bottas zeigte nach seiner Strafversetzung wegen Getriebewechsels auf P9 ein blitzsauberes Rennen, das den Finnen so gut wie aus eigener Kraft auf das Podium führte. Schon nach einer Runde war Bottas Siebter, nach fünf auch vorbei an Esteban Ocon und damit auf P6. Nur zwei Runden dauerte es, bis auch Nico Hülkenberg fällig war. Mit dem Soft-Reifen hieß es daraufhin direkt hinter Vettel/Verstappen Geduld bewahren, ein Überholversuch war jedenfalls nicht drin. Nachdem der Ferrari und der Red Bull aber an der Box gewesen waren ließ Bottas in Clean Air sofort den Hammer fallen.

Durch seinen späten Stopp in Runde 32 fiel Bottas zwar wieder hinter Vettel zurück, konnte den Deutschen mit frischen Supersofts aber mühelos überholen. Mitten auf Hangar Straight fuhr Bottas einfach vorbei an Vettel. In die Karten spielte Bottas hier jedoch, dass Vettel im ersten Stint viel Zeit hinter Verstappen verloren hatte. Dass es am Ende sogar zu P2 reichte war allerdings einzig dem Glück des Tüchtigen geschuldet: Ohne den Reifenschaden am Räikkönen-Ferrari hätte Bottas seinen Landsmann nicht mehr einholen, geschweige attackieren können.

Wie schaffte Ricciardo die Aufholjagd?

Die Aufholjagd ist eigentlich schon falsch. Effektiv gelangen Daniel Ricciardo in Silverstone sogar gleich zwei: Nach nur einer Runde hatte sich der strafversetzte Australier bereits von P19 auf P14 verbessert, ehe ein Safety Car seiner Aufholjagd kurz Einhalt gebot. Nach dem Re-Start in Runde vier jedoch verzockte sich der Honeybadger im Duell mit Romain Grosjean, wurde Ausgang Luffield nach Außen ins Kiesbett gedrückt. Das warf Ricciardo zurück auf den letzten Rang. Schon in der 18. Runde hatte sich Ricciardo aber wieder bis in die Top-10 vorgekämpft - setzte ein starkes Überholmanöver nach dem anderen, darunter ein besonders schönes gegen Fernando Alonso in Stowe.

Nach seinem Stopp in Runde 32 ging die Attacke sofort weiter: Erst schnappte sich Ricciardo sehenswert die beiden Force India Ende Wellington und Hangar Straight, dann Kevin Magnussen in Anfahrt auf Copse. In der vorletzten Runde kassierte Ricciardo schließlich auch noch Nico Hülkenberg ehe er von Vettels Reifenschaden profitiert - P5 im Ziel, direkt hinter Verstappen. "Es hat richtig Spaß gemacht, von hinten durchs Feld zu kommen und ich habe einfach alles gegeben", berichtete Ricciardo

Crash in Runde eins: Was war zwischen Kvyat & Sainz?

Bei Toro Rosso kehrt einfach keine Ruhe ein. Nicht nur, dass das Gerücht eines unmittelbar bevorstehenden Sainz-Wechsels zu Renault in Silverstone hartnäckig die Runde machte, noch dazu gerieten sich der Spanier und Teamkollege Daniil Kvyat einmal mehr auf der Strecke ins Gehege. Nach Windschatten-Ärger in Kanada und Kurve-eins-Diskussion in Baku knallte es diesmal ebenfalls in der ersten Runde: Im Highspeed-Abschnitt Maggotts/Becketts lieferten sich Kvyat/Sainz ein Rad-an-Rad-Duell - mit üblen Folgen: Kvyat geriet nach Maggots leicht links neben die Strecke und kollidierte beim Wiedereinfädeln mit dem Spanier - das Aus für Sainz, der noch dazu beinahe Kevin Magnussen mit ins Gras riss.

"Da hat er einen guten Job gemacht", funkte Sainz sarkastisch. Kvyat bekam eine Durchfahrtsstrafe und zwei Strafpunkte - für den Russen zu hart, für Sainz zu lasch. Letztere hielt sich nach seinen offensiven Spielberg-Äußerungen aber bewusst sehr zurück. "Ich bin mit der Strafe überhaupt nicht einverstanden", schimpfte dagegen Kvyat. "Das hier ist Rennsport und kein Ballett." Kvyat betonte weiter, Sainz habe ihn diese Saison schon mehrfach von der Strecke gedrängt. "Niemand hat ihm etwas gesagt", klagte er und riet Sainz: "Er sollte in Runde 1 generell zu mir auf Abstand gehen." Weiterer Ärger scheint bei den Jungbullen programmiert.

High-Speed-Mekka: So geil ist Silverstone mit den neuen F1-Autos: (02:48 Min.)

Wieso fuhr Wehrlein zweimal früh an die Box?

Pascal Wehrlein steuerte unmittelbar nachdem das Safety Car infolge der Kvyat/Sainz-Kollision auf die Strecke gekommen war an die Box und wechselte von Soft auf Medium. Damit war der Pflichtboxenstopp erledigt. Weil die Performance des Medium-Reifen in Silverstone aber einfach zu schlecht war, nutzte Sauber das SC, um direkt wieder zurück auf Soft zu wechseln. "Mit dem Ziel, bis zum Rennende zu fahren", berichtete Wehrlein. "Leider haben die Reifen mehr und mehr an Haftung verloren, weshalb ich ein weiteres Mal zum Reifenwechsel musste." Die Folge: Nur Platz 17, letzter Platz. Teamkollege Marcus Ericsson wurde 14.

Wieso schied Palmer in der Formationsrunde aus?

Ganz bitteres Heimrennen für Jolyon Palmer: Schon vor dem Start war für den Renault-Piloten Schluss - und das nachdem er mit P11 endlich einmal einen passablen Startplatz erzielt hatte, Renault in Silverstone generell ein extrem starkes Auto vorzuweisen hatte, klare Nummer vier war, wie Nico Hülkenberg mit Platz sechs eindrucksvoll untermauerte. Doch Palmer hatte von alldem nichts. Gegen Ende der Formationsrunde rollte sein Auto plötzlich mit einem Hydraulik-Defekt aus.

Wieso fiel Alonso schon wieder aus?

Siebter Ausfall im neunten Saisonrennen von Fernando Alonso. Und auch in Silverstone war die Technik schuld. Diesmal versagten jedoch weder Turbo noch MGU-H & Co., sondern die Benzinpumpe. Das führte zu einem plötzlichen Leistungsverlust, in Runde 33 musste der Spanier den McLaren abstellen. Für Alonso aber ein Ausfall der besseren Sorte: "Wir lagen heute nicht in den Punkten. Also ist der Ausfall heute etwas weniger schmerzhaft."