Mit dem Formel-1-Rennen in Melbourne und dem MotoGP-Lauf in Portimao steht ein äußerst geschäftiges Motorsport-Wochenende bevor, doch an diesem Freitag beherrschte ein ganz anderes Thema die Schlagzeilen: Sebastian Vettel kehrt erstmals nach seinem F1-Abschied Ende 2022 in einen aktuellen Rennwagen zurück und bestreitet einen Test in Porsches Le-Mans-Prototypen.

In der kommenden Woche macht sich der viermalige Weltmeister mit Penske - Porsches Werksteam für die Einsätze in der WEC und IMSA - auf ins Motorland Aragon und ist dort Teil eines 36-stündigen Dauerlaufs. Mit dieser durchgängigen Rennsimulation bereitet sich Porsche auf das WEC-Saisonhighlight sowie berühmteste Rennen der Welt, die 24 Stunden von Le Mans (15.-16. Juni 2024), vor.

Sebastian Vettel erstmals im Le-Mans-Porsche: Seatfit im 963 (00:42 Min.)

Vettel und Schumacher: Wiedersehen in Aragon?

Auf der spanischen Rennstrecke könnte es zu einem deutsch-deutschen Wiedersehen kommen: Nach Informationen von Motorsport-Magazin.com testet neben Porsche auch der französische Autobauer Alpine seinen LMDh-Rennwagen kommende Woche in Aragon - wo unter anderem Neuzugang Mick Schumacher fährt. Der Sohn des siebenfachen Formel-1-Weltmeisters Michael Schumacher gibt dieses Jahr sein Debüt auf der Langstrecke und hat beim WEC-Auftakt in Katar das erste Rennen im Alpine A424 bestritten.

Vettel und Schumacher kennen sich nicht erst seit gemeinsamen Zeiten im Formel-1-Fahrerlager, sie haben beim Race of Champions sogar schon Rennen zusammen für das Team Deutschland bestritten.

Vettel testet Porsche 963 am Dienstag in Aragon

Während Schumachers Rennpremiere bei den 24 Stunden mit Le Mans feststeht - er fährt die komplette WEC-Saison für Alpine - bleibt Vettels nähere Zukunft unklar. "Wie es danach (nach dem Aragon-Test; d. Red.) weitergeht, wird man dann sehen - momentan gibt es noch keine weiteren Absichten für die Zukunft", wurde Vettel am Freitag in einer Porsche-Pressemitteilung zitiert.

In Aragon kann sich Vettel nach MSM-Infos am Montag noch ein wenig mit dem Porsche 963 bei einem Rollout vertraut machen, bevor er am Dienstag ins Testgeschehen eingreifen wird. Der gebürtige Heppenheimer hatte sich vergangene Woche bereits mit einer Simulator-Session am Penske-Standort in Mannheim vorbereitet und am Donnerstag dieser Woche auf Porsches Teststrecke in Weissach die ersten Kilometer im rund 680 PS starken LMDh-Boliden gesammelt.

Sebastian Vettel im Porsche 963 von Le-Mans-Rekordsieger Porsche
Sebastian Vettel bei Penskes-Motorsportstandort in Mannheim, Foto: Porsche AG

Sebastian Vettel: Wie geht es nach dem Porsche-Test weiter?

Dass es sich bei Vettels Porsche-Test nicht um ein 'Spaß-Programm' handelt, dürfte angesichts dieser doch intensiven und detaillierten Vorbereitung klar sein. Ob ein Start schon beim diesjährigen 24-Stunden-Rennen in Le Mans eine realistische Option darstellt, bleibt aktuell komplett offen. Vettels und auch Porsches Eindrücke nach dem Aragon-Test dürften weitere Aufschlüsse bei der Entscheidungsfindung liefern.

Auf dem Papier wäre noch Platz für Vettel in einem Porsche: Die Zuffenhausener setzen in Le Mans wie im Vorjahr einen dritten Penske-963 ein. Auf diesem Auto mit der Startnummer #4 ist bislang nur der französische Werksfahrer Mathieu Jaminet genannt worden. Zwei Cockpits sind noch frei. Der zusätzliche Porsche kommt normalerweise in der US-Sportwagenmeisterschaft IMSA zum Einsatz und wird extra nach Le Mans geliefert.

Vettel-Hürde: Keine Renn-Möglichkeit vor Le Mans

Es ist schwer vorstellbar, dass ein ambitionierter Profi-Rennfahrer à la Vettel ein derart prestigeträchtiges Rennen wie Le Mans bestreiten würde, wenn er sich nicht perfekt vorbereitet fühlt. Und hier gibt es einen Haken: Zumindest bei Penske-Porsche bestünde für Vettel wohl nicht die Gelegenheit, vor Le Mans ein WEC-Rennen unter realen Bedingungen bestreiten zu können.

Die Langstrecken-WM trägt vor dem 24-Stunden-Klassiker noch zwei Rennen aus: eines in Imola (21. April) sowie ein weiteres in Spa-Francorchamps am 11. Mai. Beide WEC-Rennen überschneiden sich allerdings mit IMSA-Läufen in Long Beach respektive Laguna Seca. Heißt: Die Penske-Mannschaft hätte nicht die Möglichkeit, eines seiner beiden IMSA-Autos aus den USA zu den europäischen Rennen zu transportieren, um dort ein drittes Auto für Vettel einzusetzen.

Sebastian Vettel im Porsche 963 von Le-Mans-Rekordsieger Porsche
Vettel am Steuer des Porsche 963, Foto: Porsche AG

Hülkenberg und Alonso hatten Le-Mans-Vorbereitung

Anders war es 2015 bei Nico Hülkenberg, der in jenem Jahr mit Porsche die 24 Stunden von Le Mans gewann: Der heutige Haas-Pilot bekam damals die Gelegenheit, auf einem zusätzlichen Porsche 919 Hybrid in Spa zu fahren, um sich auf Le Mans einschießen zu können. Der Belgien-Lauf gilt traditionell als wichtiges Vorbereitungsrennen für das nachfolgende Saisonhighlight.

So hielt es übrigens auch Fernando Alonso, der 2018/19 die komplette, jahresübergreifende WEC-Saison ('Super Season') für Toyota fuhr und somit Renn-Erfahrung aufwies, bevor er mit den Japanern 2018 und 2019 die 24 Stunden von Le Mans zweimal in Folge gewann.

LMDh-Auto gut 250 Kilo schwerer als Formel 1

Zwar dürfte ein Fahrer vom Kaliber eines Sebastian Vettel keine Schwierigkeiten haben, einen je nach BoP-Einstufung rund 680 PS starken LMDh-Boliden schnell über die Piste zu bewegen. Zu Formel-1-Zeiten war er schließlich an 1.000 PS starke Formelwagen gewöhnt. Kniffliger könnte es mit Blick auf das höhere Fahrzeuggewicht und den deutlich geringeren Anpressdruck werden. Während ein F1-Wagen wie ein Brett in der Kurve liegt, verlangen die behäbigeren Prototypen nach einem deutlich angepassten Fahrstil.

Zum Vergleich: Bei einem LMDh-Auto beträgt das vorgeschriebene Mindestgewicht 1.030 Kilogramm. Bei Porsches spektakulärem Dreifach-Sieg zum WEC-Saisonstart in Katar waren die 963-Rennwagen mit 1.048 Kilo und 686 PS eingestuft. Ein Formel-1-Auto muss aktuell mindestens 798 Kilo auf die Waage bringen und ist damit gut 250 Kilogramm leichter. Langstrecken-Debütant Mick Schumacher verglich den Alpine-LMDh nach seinen ersten Testfahrten mit einem Formel-2-Auto.

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Porsche gewann den WEC-Saisonauftakt in Katar, Foto: LAT Images

WEC-Porsche fährt mit Hybrid und BioFuel-Kraftstoff

Alle LMDh-Autos werden von einem selbstentwickelten Verbrennungsmotor in Kombination mit einem einheitlichen Hybridsystem von Bosch, Williams Advanced Engineering und Xtrac angetrieben. Hybrid kennt Vettel bereits aus der Formel 1, und was ihm in der WEC gefallen dürfte: Schon seit 2022 werden die Autos mit BioFuel-Kraftstoff betankt. Das Herz des Porsche bildet ein 4,6 Liter großer V8-Biturbo. Die Grundlagen des Motors stammen aus dem Hochleistungs-Hybrid-Sportwagen 918 Spyder.

Vettel hatte nach seinem Formel-1-Rücktritt Ende 2022 eine Rückkehr ins Rennauto nie ausgeschlossen, schien es aber auch nicht allzu eilig zu haben. Im Dezember vergangenen Jahres sagte er noch, er sei "ganz zufrieden, so wie es gerade ist", aber ein Comeback könne "natürlich immer wieder passieren, denn es ist etwas, das mir fehlt. Wenn ich neben der Strecke stehe, natürlich kribbelt es dann. Es ist nicht einfach und man beißt sich dann auf die Zähne".

Sebastian Vettel im Porsche 963 von Le-Mans-Rekordsieger Porsche
Fährt Sebastian Vettel nach seinem Formel-1-Abschied wieder Rennen?, Foto: Porsche AG

WEC und Le Mans: Vettel-Gerüchte schon im Winter

Im Winter waren Gerüchte aufgekommen, dass Vettel die WEC-Saison und/oder Le Mans für das Porsche-Kundenteam JOTA bestreiten könnte. Zu einem Test kam es allerdings nicht für das Team um den früheren Audi-Motorsportchef und heutigen Teamchef Dieter Gass. "Wir waren in Kontakt, aber aus verschiedenen Gründen, wie der Umstand, dass sich das Fahrzeug in Übersee befand, man Tests mit 30 Tagen Vorlauf anmelden muss und auch wegen Sebastians eigenen persönlichen Planungen, hat ein Test mit unserem Porsche nicht wirklich stattfinden können", sagte Gass im Dezember zu Motorsport-Magazin.com.

Gass betonte in diesem Zuge, dass die bereits aufgenommenen Gespräche nicht das Ende gewesen sein sollen: "Was einen Einsatz in der WEC angeht, ist es irgendwann ruhig geworden, aber sicher sind wir weiterhin interessiert, mit ihm zu arbeiten und die Gespräche jederzeit fortzuführen, auch hinsichtlich 2025."

JOTA setzt bei den 24 Stunden von Le Mans 2024 zwei Kunden-Porsche 963 ein, das deutsche Team Proton Competition ein weiteres Fahrzeug. Die jeweiligen Fahrer sind bereits allesamt kommuniziert worden. Mit sechs Autos stellt Porsche das größte Aufgebot in der gesamtsiegfähigen Hypercar-Klasse, die 22 Prototypen von Ferrari, Toyota, Peugeot, BMW, Lamborghini und Co. umfasst.