1. Hat Lando Norris wegen dem Safety Car verloren?

Die Vorentscheidung um den Sieg in Kanada fiel definitiv in Runde 25. Unter dem ersten Safety Car stoppten fast alle an der Spitze, außer Lando Norris. Der hatte da eben die Führung übernommen und erschien Red Bull bereits uneinholbar. Indem er aber eine Runde mit dem Wechsel auf neue Intermediates wartete, schenkte er Max Verstappen und George Russell die ersten beiden Plätze. Red Bull freute sich über eine Miami-Revanche, aber war Norris wirklich schon an der Boxeneinfahrt vorbei, als das Safety Car ausgerufen wurde?

Die Antwort ist nämlich nein. Norris war in der Bremszone von Kurve 13, also direkt vor der Boxeneinfahrt. Eineinhalb Sekunden vor dem Entscheidungspunkt. "Rückblickend hätten wir dem Fahrer sagen können, dass er im Falle eines Safety Cars stoppen soll", räumt Teamchef Andrea Stella ein. "Dann hätte er einfach instinktiv reagieren können." Wegen des Unfalls von Logan Sargeant war das Safety Car schließlich schon lange vorher absehbar. So musste Norris erst nachfragen, und dann war es schon zu spät.

McLaren verweist darauf, dass ob der unsicheren Wetterlage ein Wechsel nicht offensichtlich war. Bei einem Norris-Stopp hätte Verstappen draußenbleiben können. Damit überdenkt man aber die Entscheidung. "Wir wären sowieso reingekommen, weil unsere Reifen durch waren", sagt Christian Horner. Das war nur bei McLaren nicht der Fall, weil man dort zu Rennbeginn extrem Reifen gespart hatte.

2 Warum beschwerte sich Russell über Norris' Ausritt in Kurve 1?

Später im Rennen geriet Norris noch einmal ins Fadenkreuz von George Russell und von den Stewards. In Runde 42 verschätzte er sich hinter Russell in Kurve 1 und kürzte ab. Wie von der Rennleitung vorgegeben fuhr er durch die Asphalt-Auslaufzone und kehrte nach Kurve 2 zurück auf die Strecke. Fast genau in dem Moment, als Russell die Stelle passierte. "Ich musste ausweichen, habe eineinhalb Sekunden verloren!", klagte der sofort.

Haben McLaren & Mercedes den Sieg verschenkt? Red Bull bestraft (16:41 Min.)

Die Daten bestätigen: Russell verlor 1,5 Sekunden auf Verstappen, Norris kam ihm minimal näher, und Oscar Piastri ebenfalls. Die Stewards nahmen sich des Falles an, entschieden aber gegen eine Strafe. Norris gewann keine Position, und der Fehler war auch nicht beim Verteidigen passiert. Nur die Veränderungen der relativen Lücken zwischen Verstappen, Russell, Norris und Piastri waren nicht genug, um im Norris-Manöver einen verschafften Vorteil zu sehen.

3. Was löste diesmal den Stunk bei Alpine aus?

Beide Autos in den Punkten, trotzdem miese Stimmung bei Alpine. Weil Esteban Ocon in Runde 69 Pierre Gasly durchwinken musste. Tatsächlich kam die Aufforderung schon eine Runde früher. Mit dem Argument, dass Gasly so noch Daniel Ricciardo angreifen könnte. Ocon sträubte sich, weil er keine Garantie bekam, dass Gasly im Falle des Scheiterns die Position wieder zurückgeben würde. Schließlich fügte er sich. Die Position bekam er nicht wieder. Den Grund kapiert er nicht: "Wir waren 2,5 Sekunden hinter Daniel. Nicht einmal ein Red Bull kann in einer Runde so viel aufholen."

4. Warum bekam Lewis Hamilton 16 Runden vor Schluss harte Reifen?

Kanada war nicht das Rennen von Lewis Hamilton. Für seine zahlreichen Eigenfehler geißelt er sich, doch auch sein Team spart er mit Strategie-Kritik nicht aus. Unter dem zweiten Safety Car stoppte ihn Mercedes, gab ihm aber trotz nur noch 16 verbleibender Runden Hard mit. "Hätte ich gewusst, dass wir nicht auf Medium gehen, wäre ich lieber draußengeblieben", klagt Hamilton.

Den Strategen waren aber die Hände gebunden. Sie hatten nur einen Medium ins Rennen mitgenommen. Der wurde im Stint davor verheizt. Soft (hier der C5) war an dem Punkt noch zu riskant. Und hätte man Hamilton nicht gestoppt, wäre der ebenfalls reinkommende George Russell mit neuen Medium hinter ihn zurückgefallen. Eine vertrackte Situation.

5. Wie schlimm war der Defekt bei Charles Leclerc?

Ferrari und Charles Leclerc erlebten in Kanada ein Desaster. Sie steckten im Mittelfeld fest, Leclerc kam nie über den neunten Rang hinaus. Das Team bestätigte nach dem Rennen einen Defekt, gibt aber keine Details an. Nur, dass es nicht der Verbrennungsmotor war, und dass 80 PS fehlten. Den ganzen ersten Stint versuchte Leclerc Einstellungen am Lenkrad, das machte es noch schwieriger und ihn noch langsamer. Erst ein "Hard Reset" bei einem 24,19 Sekunden langen Boxenstopp löste das Problem.

6. Warum fuhr Leclerc im Regen weiter auf Slicks?

Ferraris Entscheidung, Leclerc danach trotz eines erneuten Schauers auf harten Slicks draußen zu lassen, erntete viel Spott. Seine Bemühungen, einen Inter-Stopp einzufordern, wurden von der Box fast zwei Runden lang beschwichtigt. Die nimmt Leclerc rückblickend aber in Schutz: "Ich war mehr von der ganzen Situation mit dem Motor frustriert. Wäre es aufgegangen, wäre es unsere einzige Chance gewesen, vielleicht Neunter oder Zehnter zu werden." Wegen des langen Stopps war er schon mit deutlichem Rückstand auf dem letzten Platz gelegen.

7. Warum gaben beide Ferrari-Piloten vorzeitig auf?

Für Leclerc war es in Runde 40 klar. Nach dem Wechsel auf Intermediates war er da überrundet, mitten in der Spitzengruppe gefangen, nichts hatte mehr einen Sinn. Carlos Sainz crashte ein paar Runden später mit Alex Albon, konnte aber eigentlich noch unter Safety Car zum Reparaturstopp. Bei ihm zog Ferrari aber nach einem Blick auf die Heckpartie die Reißleine. Beim Kontakt mit Albon waren Heckflügel und Unterboden beschädigt worden, damit weiterzufahren hatte keinen Sinn.

8. Warum kassierte Sergio Perez auch noch eine Grid-Strafe für Spanien?

Wie Sainz fuhr auch Sergio Perez nach einem Unfall mit einem kaputten Auto an die Box. Doch Perez und Red Bull bekamen deshalb einen mit dem Regelbuch übergezogen. 25.000 Euro Strafe für das Team, drei Grid-Plätze für Perez in Spanien. Grund: Obwohl der Heckflügel nur mehr gefährlich lose am RB20 hing, forderte Red Bull ihn auf, zurück an die Box zu kommen. Man wollte die Führung von Max Verstappen nicht durch ein Safety Car gefährden. Ein offensichtlich Teile verlierendes Auto so weiterfahren zu lassen ist für die FIA-Stewards ein absolutes No-Go.

9. Warum kostete Yuki Tsunoda den Racing Bulls 10.000 Euro Strafe?

Die FIA forderte nach dem Rennen aber noch 10.000 weitere Euro an Strafen ein. Nämlich von den Racing Bulls. Ein peinlicher Zeitplan-Patzer wird für das Team teuer. Das Team hatte Yuki Tsunoda nicht rechtzeitig über das Timing der kanadischen Hymne vor dem Start informiert. Daher kam Tsunoda zu spät. Die Stewards bemängeln, "dass der Besuch der Nationalhymne ein wichtiges Element des Prozedere vor dem Rennen und eine Respektbekundung gegenüber dem ausrichtenden Land ist." Tsunoda sprintete immerhin auf seinen Platz, nachdem er informiert wurde, und entging damit einer Verwarnung.

10. Warum wurde der Ricciardo-Fehlstart (so lasch) bestraft?

Trotz einer Fünf-Sekunden-Strafe rettete Daniel Ricciardo in Kanada den achten Platz. Ihn erwischten die Stewards beim Anrollen in der Startbox, als die Lichter bereits angingen. Aber wirklich nur leicht - was jedoch wegen des Profils der Intermediates aus der Onboard klar ersichtlich war. Weil es nur leicht war, gab es dafür mit 5 Sekunden eine ungewöhnlich milde Strafe. "Kein signifikanter sportlicher Vorteil wurde gewonnen", so die Stewards. Randnotiz: Nachdem Lando Norris in Saudi-Arabien vor dem Start einen richtigen Satz machte, aber die Startbox-Sensoren keinen Fehlstart meldeten, wurde hier das Reglement angepasst. Jetzt sind die Sensoren nicht mehr ausschlaggebend.

11. Warum wurde gegen die Kanada-Veranstalter ermittelt?

Einer saftigen Geldstrafe entgangen ist die Octane Racing Group, der Veranstalter des Kanada-GP. Denn eine große Gruppe an Zusehern betrat an mehreren Stellen die Strecke, während noch Autos unterwegs waren. Vor die Stewards zitiert, gestanden die Veranstalter, dass die Situation nicht akzeptabel und ein Verstoß gegen den internationalen Sportkodex war. Sie sind jetzt dazu verpflichtet, bis zum 30. September der FIA ein neues Sicherheitskonzept vorzulegen. Sollte es hier noch einmal passieren, wird es eine "signifikante finanzielle Strafe" geben.

12. Warum starteten beide Sauber aus der Box?

Bei Sauber ging das Rennen schon lange vor dem Start den Bach runter. Wieder ein Doppel-Aus in Q1, als Verzweiflungstat baute das Team über Nacht einen größeren Heckflügel auf beide Autos, um im Regen mehr Abtrieb zur Verfügung zu haben. Das war ein Parc-ferme-Verstoß, daher starteten beide aus der Box. "Es war die richtige Entscheidung, aber unsere Leistung erlaubte es uns letztendlich nicht, näher an den Top-10 zu kämpfen", so die bittere Eingeständnis von Teamrepräsentant Alessandro Alunni Bravi.

Sauber-Duo Valtteri Bottas vor Guanyu Zhou
Sauber fuhr in Kanada ein Rennen im Nirgendwo, Foto: LAT Images

13. Warum hatte Zhou beim zweiten Safety Car schon zwei Runden Rückstand?

Während Valtteri Bottas immerhin halbwegs den Anschluss hielt, sackte Zhou Guanyu komplett ab. Beim zweiten Safety Car war er der einzige Überrundete, was mit "Überrundetes Auto [Einzahl] darf sich zurückrunden" eine besonders deprimierende Nachricht auslöste. Da war Zhou sogar schon zwei Runden hinten - wie war das überhaupt möglich? Nicht nur dadurch, dass er sich darüber beklagte, ständig zu rutschen und kein Vertrauen in den C44 zu haben. Obendrauf ging irgendetwas beim Wechsel auf Slicks unter grüner Flagge schief. Zhou stand ganze 42,26 Sekunden.