Alpine meldet sich mit einem Doppelpunkt-Ergebnis beim Kanada Grand Prix aus dem Abgrund der Formel 1 zurück. Beide Autos starteten das Rennen vom hinteren Viertel des Feldes und kämpften sich in die Top-10 vor. Pierre Gasly holte den neunten Platz. Teamkollege Esteban Ocon wurde Zehnter. Mit den drei Punkten aus Montreal rückt Alpine auf P8 in der Konstrukteurs-WM vor und überholt damit Williams. Aber nicht jeder im Team ist in Stimmung für Freudensprünge…

Zufrieden mit dem Resultat in Kanada zeigt sich auf jeden Fall Gasly. „Wir können als Team mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein, da beide Autos zum ersten Mal in diesem Jahr in den Punkten gelandet sind", freut sich der Franzose. "Die Simulationen haben eigentlich nicht gezeigt, dass das erreichbar ist."

Auch aus einem anderen Grund sahen Punkte zwischenzeitlich unmöglich aus. In der ersten Runde des Rennens hatte Gasly in Kurve 2 Kontakt mit dem Red Bull von Sergio Perez. Der Mexikaner kam bei nasser Fahrbahn ins Rutschen und berührte mit seiner linken Vorderachse Gaslys rechte Hinterachse. Der Alpine drehte sich in den Red Bull hinein, dennoch konnten beide Autos weiterfahren. Perez klagte jedoch über Schäden an seinem RB20. Was der Mexikaner zu seinem Unfall-Rennen zu sagen hat, lest ihr hier: Nächste F1-Krise nach Vertragsverlängerung?

Gasly kam glimpflich davon. "Ich hatte zu Beginn des Rennens Kontakt mit Sergio und verlor einige Positionen", so der Alpine-Pilot. "Danach konzentrierten wir uns darauf, uns wieder nach vorn zu kämpfen. Wir haben einige gute und opportunistische Entscheidungen getroffen. Ich bin früh auf die Hards gewechselt, während der Rest des Feldes noch auf Intermediates unterwegs war. Im Nachhinein hätten wir noch eine Runde warten sollen, aber am Ende hat es gut geklappt, sodass wir ein ordentliches Tempo fahren und Positionen zurückgewinnen konnten, die wir zu Beginn verloren hatten."

Startunfall mit Pierre Gasly (Alpine) und Sergio Perez (Red Bull)
Berührung mit Perez - Gasly kam glimpflich davon, Foto: LAT Images

Esteban Ocon verärgert über Teamorder: Bin zu nett

So weit so gut. Doch bei Esteban Ocon hat das überraschende Punkte-Ergebnis von Alpine auch einen bitteren Beigeschmack. "Wir sind von hinten gestartet und haben es mit beiden Autos in die Punkte geschafft. Das ist großartig für das Team. Ich bin aber nicht super glücklich", so der Franzose.

Warum? Die Antwort lautet Teamorder. Vier Runden vor Rennschluss wurde Ocon von Daniel Ricciardo überholt und rutschte damit auf P9. Kurz danach kam die Aufforderung am Funk, den Teamkollegen vorbeizulassen. Gasly sollte versuchen, den Racing Bull noch einzuholen. Ocon hatte zu diesem Zeitpunkt Probleme am Auto, wodurch er nicht mehr die volle Leistung seiner Batterie nutzen konnte.

Der Franzose, vom dem nach dem Monaco-GP bekannt wurde, dass er 2025 nicht mehr für Alpine fahren wird, reagierte am Funk auf die Anweisung des Teams zunächst erbost. Auf die Frage, ob die Plätze am Ende des Rennes zurückgetauscht werden würden, kam keine eindeutige Antwort. Dennoch ließ Ocon Gasly schließlich vorbei.

"Ich habe meinen Teil der Arbeit getan. War ein Teamplayer und der nette Kerl", so der 27-Jährige. Recht erfreut ist er über diese Tatsache jedoch nicht. "Ich bin zu nett", ärgert er sich. "Wir mussten Pierre am Ende ziehen lassen, was ich getan habe. Ich habe immer die Anweisungen befolgt, die ich vom Team bekommen habe."

Für sinnvoll hält Ocon den Autotausch kurz vor Schluss nicht. "Wir hätten Daniel sowieso nicht eingeholt, das war aber der Grund für die Entscheidung", meint der Franzose. "Wir waren 2,5 Sekunden hinter Daniel. Nicht einmal ein Red Bull kann in einer Runde so viel aufholen. Es war nicht fair und nicht die richtige Entscheidung. Ich verliere dadurch natürlich einen Punkt. Zu nett zu sein ist nicht die richtige Einstellung in der Formel 1. Aber ich habe gezeigt, dass ich ein Teamplayer bin, und darauf kommt es an. Ich habe schon härtere Zeiten erlebt und werde weiter pushen."

Pierre Gaslys Sicht: Teamorder nicht schnell genug befolgt

Gasly sieht die Situation aus einem anderen Blickwinkel. "Wir haben versucht, das Maximum für das Team herauszuholen und wollten Daniel am Ende des Rennens durch einen Positionstausch angreifen", so der 28-Jährige. "Am Ende des Rennens war ich mit den harten Reifen schneller und lag direkt hinter Daniel."

Alpine-Fahrer Pierre Gasly
Gasly kam nicht an Ricciardo vorbei, Foto: LAT Images

Zu einem Überholmanöver für P8 kam es nicht. Vielleicht sogar Ocons Schuld? "Der Wechsel hat etwas mehr Zeit gebraucht, als uns lieb gewesen wäre", meint Gasly. "Hätte er mir die Position früher gegeben, hätte ich mit DRS mehr Zeit gehabt und hätte eine bessere Chance gehabt." Große Anschuldigungen möchte der Alpine-Pilot jedoch nicht aussprechen. "Es ist keine große Sache", versichert Gasly. "Ich denke trotzdem, dass wir eine großartige Teamarbeit geleistet haben. Die drei Punkte sind sehr wertvoll."

Am Donnerstag vor dem Kanada-GP dementierte Esteban Ocon noch eine Alpine-Krise und betonte: Alles bestens mit Pierre Gasly & Co. Hier nachlesen.