Das Formel-1-Rennen in Kanada hatte zahlreiche Wendungen zu bieten. So auch für die Racing-Bulls-Piloten Daniel Ricciardo und Yuki Tsunoda. Die positive Bilanz des Wochenendes: Ricciardo hat 4 Punkte gesammelt. Für das RB-Team, das sich in der Konstrukteurs-WM momentan an sechster Position befindet, eine wichtige Ausbeute.

Die Freude wird allerdings durch zweierlei getrübt: Zum einen ließ die gute Ausgangslage - im Qualifying am Samstag sicherte sich Ricciardo P5 und Tsunoda P8 - mehr Punkte erwarten. Zum anderen fuhr auch Tsunoda über weite Strecken in den Punkterängen, bis er sein Fahrzeug in der Schlussphase des Rennens verlor und zurückfiel. Den vollständigen Bericht zum Rennen gibt es hier.

Verhängnisvolle Schlussphase: Ricciardo greift an, Tsunoda rutscht aus

Den Ausrutscher kurz vor Rennende nahm Tsunoda auf seine Kappe: "Das war mein Fehler. Ich hatte ziemlich mit der Bremse zu kämpfen. Meine Räder haben blockiert und ja…", erklärte er. "Der heutige Tag ist enttäuschend und nicht so, wie ich das Rennen hätte beenden sollen. Es ging nur darum, es nach Hause zu bringen." Die Frustration stand dem Japaner, der in Kanada für die Saison 2025 bei Racing Bull bestätigt wurde, ins Gesicht geschrieben.

Der Ausritt von Yuki Tsunoda war bei weitem nicht der einzige Zwischenfall beim turbulenten Kanada GP. Insgesamt gab es fünf Ausfälle. Einer davon war Sergio Perez, der sich bei einem Mauerkontakt den Heckflügel stark beschädigte. Warum es dafür obendrein eine harte Strafe gab, lest ihr hier:

Was war genau geschehen? In Runde 66 verfehlte Tsunoda Kurve 8 und kam auf die Rasenfläche neben der Strecke. Beim Bremsversuch blockierten die Räder und in Kurve 9 drehte er sich mit seinem RB-Boliden zurück auf die Strecke, wobei er das Wegweiserschild am Streckenrand mit abräumte. Ricciardo, Gasly, Hülkenberg, Bottas und Magnussen passierten ihn. Tsunoda lag vor diesem Zwischenfall auf P9 und fiel auf P14 zurück.

Doch hat ihn möglicherweise sein eigener Teamkollege in diesen Ausrutscher getrieben? Drei Runden vorher erhielt Ricciardo über Funk die Erlaubnis seines Renningenieurs: "Du darfst gegen Yuki kämpfen." Nach dem zweiten Restart - das Safety Car wurde infolge einer Kollision zwischen Carlos Sainz und Alex Albon in Runde 54 ausgerufen - hielt sich Ricciardo ab Runde 59 wacker im DRS-Fenster von Esteban Ocon. Als der Alpine-Fahrer in Runde 61 an Tsunoda vorbeiging, hatte Ricciardo (zu diesem Zeitpunkt auf P10) seinen eigenen Teamkollegen (zu diesem Zeitpunkt auf P9) direkt vor der Nase.

Ob Ricciardo zu großen Druck auf Tsunoda ausübte und ihn dadurch in den Fehler trieb, ließen beide Fahrer unkommentiert. Anschließend machte Ricciardo auch noch weiter Druck auf Ocon und schnappte sich drei Runden vor Schluss den achten Platz vom Franzosen. Somit standen am Ende P8 und P14 für die Racing Bulls auf dem Tableau.

Racing Bulls auf gutem Kurs mit kluger Boxenstopp-Strategie

Ausschlaggebend dafür, dass sich Ricciardo, der von P5 aus ins Rennen ging, etwa ab der Hälfte des Rennens überhaupt auf der Position hinter seinem Teamkollegen befand, war eine 5-Sekunden-Strafe, die der Australier wegen eines Fehlstarts verhängt bekam. "Ich war etwas verwirrt wegen der Strafe für den Frühstart, weil ich mir sicher war, dass ich nicht zu früh losgefahren bin. Dann erinnerte ich mich aber daran, dass ich während des Starts das Gefühl hatte, dass sich das Auto vielleicht bewegte. Wir hatten ein kleines Problem mit dem Auto, das wir uns ansehen werden müssen. Aber natürlich war das ein Rückschritt für unser Rennen", teilte Ricciardo seine Ansicht bezüglich der Strafe.

Guillaume Dezoteux, Head of Vehicle Performance, erklärte hierzu: "Daniel bekam zu Beginn eine Strafe, weil er sich in der Startaufstellung leicht verschoben hatte, bevor die Ampel ausging. Er hat die Prozedur korrekt befolgt, also sieht es so aus, als ob es am Auto lag, wahrscheinlich hat ein leichter Kupplungswiderstand das Auto ein paar Zentimeter nach vorne geschoben."

Während der ersten Safety-Car-Phase - ausgelöst durch einen Einschlag von Logan Sargeant - kam Ricciardo wie nahezu alle anderen Piloten auch an die Box, wo er vor dem Wechsel auf neue Intermediate-Reifen die fünf Strafsekunden absitzen musste. Für den ersten Restart fiel er somit von P7 (vor dem Safety Car) auf P10 zurück. "Als wir dann an die Box kamen, um auf neue Inters zu wechseln, haben wir ein paar Positionen an die Autos verloren, die draußen blieben, und dann konnten wir mit den neuen Inters nicht viel mehr herausholen. Das Rennen lief uns also irgendwie davon", beschrieb Ricciardo jene Phase des Rennens.

Profitiert hatte in dieser Phase hingegen die andere Seite der Garage. Tsunoda blieb draußen und wurde durch die Stopps anderer Piloten von P10 (vor dem Safety Car) auf P7 vorgespült. Er konnte den ersten Stint auf Intermediates bis Runde 45 ausdehnen, wo die Strecke bereits so weit abgetrocknet war, dass die Trockenreifen zum Einsatz kommen konnten. Somit sparte sich der Japaner einen Boxenstopp. Für diese Strategieentscheidung, welche die Weichen für ein erfolgreiches Ergebnis hätte stellen können, lobte er sein Team: "Sie haben definitiv die richtige Entscheidung bezüglich der Strategie getroffen und eine gute Arbeit vollbracht. Es war nicht einfach auf den alten Inters, aber ich habe mich gut gefühlt."

Zum richtigen Zeitpunkt reagierte das Team in Runde 44 bei Ricciardo bzw. in Runde 45 bei Tsunoda auf die sich verändernden Streckenbedingungen und wechselten von den Intermediates auf Medium-Reifen. Damit konnten sie konstant zu Ende fahren.

Ricciardo trotzt der Kritik: Starkes Comeback in Kanada

Für Ricciardo, der zwischenzeitlich aus den Punkterängen herausgefallen war, erwies sich der Formanstieg im späteren Rennverlauf auf trockener Strecke als besonders bedeutsam. "Als die Strecke gegen Ende abtrocknete und wir auf Medium-Reifen unterwegs waren, konnte ich ein paar Autos überholen und mich zurück in die Top 10 kämpfen. Am Ende war es eine kleine Erleichterung, wieder in die Punkte zu kommen", sagte er zufrieden.

Der Australier konnte in der Formel-1-Saison 2024 zuvor nur einmal mit einem vierten Platz im Sprint in Miami punkten und wurde regelmäßig von seinem jungen Teamkollegen überflügelt. Darum hagelt es in letzter Zeit oft harte Kritik für den Honey Badger und nicht wenige gehen davon aus, dass dieses Jahr sein letztes in der Formel 1 sein wird. Ricciardo braucht daher dringend einen Aufwärtstrend und könnte in Montreal den Grundstein dafür gelegt haben.

Seinen Kritikern hat er nach dem Kanada GP zumindest vorerst eine solide Leistung entgegenzuhalten: "Es war von Anfang bis Ende ein ziemlich gutes Wochenende, wenn man die schwierigen Bedingungen bedenkt. Bei einem so verrückten Rennen bin ich froh, dass ich am Ende ein paar Punkte in der Tasche habe. Ich bin froh, dass es für uns ein ziemlich reibungsloses Wochenende war und dass wir den Abstand zum Feld hinter uns vergrößern konnten."

Das Kanada-Wochenende war außerdem geprägt von Diskussionen über das neue Formel-1-Reglement für 2026, das am Donnerstag veröffentlicht wurde. Was sind die Besonderheiten an den 2026er Boliden? Christian klärt in diesem Video auf:

F1-Regeln 2026 enthüllt: So sieht die Zukunft der Formel 1 aus! (16:24 Min.)