Alle wollten Max Verstappen schon in Saudi-Arabien zum Sieger des zweiten Rennens der Saison 2023 küren. Dann ging am Red Bull RB19 des Weltmeisters im Qualifying die Antriebswelle kaputt. Jetzt startet er heute nur vom 15. Platz, Teamkollege Sergio Perez holte die Pole vor Fernando Alonso. Trotzdem kommt dem Formel-1-Fahrerlager bei der Frage nach dem Favoriten das große Zittern.

Kann Verstappen diesen Sieg wirklich aus dem Hut zaubern? "Er hat so viel Pace, einen Vorteil von einer Sekunde oder mehr", predigt Mercedes-Teamchef Toto Wolff vom Untergang. "Wir haben das in der Vergangenheit schon von Lewis [Hamilton] gesehen." Wie realistisch ist das heute wirklich? Motorsport-Magazin.com analysiert es im Favoritencheck.

Verstappen im Red Bull: Das perfekte Auto für die Aufholjagd

Der Red Bull ist unglaublich schnell, das steht außer Frage. "Es war generell sogar besser in Bahrain, zumindest für mich persönlich", beurteilte Verstappen, der in den letzten Tagen noch krank gewesen war, davon aber nichts mehr zu spüren scheint. Wie schon in Bahrain fokussierte man sich auf die Renn-Abstimmung. Der Pace-Vorteil ist so groß, dass man sich im Qualifying zurücklehnen kann.

Toto Wolffs Sekunde ist nicht aus der Luft gegriffen. Im Longrun fuhren Verstappen und Sergio Perez zwar nur knapp schneller als die Konkurrenz. Aber hier fährt man koordiniert auf Zielzeiten zu. Bei den Reifen war jedenfalls kein Einbruch zu erkennen. Wenn es im Rennen zur Sache geht, dann glaubt niemand, dass es für die Bullen noch ein Halten geben wird.

Gepaart mit dem starkem Reifenmanagement ist brutaler Topspeed. Im Qualifying waren Verstappen und Perez an allen Vollgas-Stellen vorne. Am Ende der Geraden ist der RB19 eine Macht. Fünf km/h Vorteil gegenüber Ferrari am Messpunkt vor der letzten Kurve, sieben gegenüber Mercedes, zehn gegenüber Aston Martin. Red Bull hat bewusst weniger Abtrieb gewählt.

Qualifying Saudi-Arabien: km/h vor letzter Kurve

P.Fahrerkm/h
1Perez337,8
2Verstappen337,5
3Zhou335,8
4Magnussen335,4
5Hülkenberg334,8
6Leclerc332,8
7Sargeant332,6
8Sainz332,6
9Albon331,5
10Bottas330,7
11Russell330
12Hamilton329,7
13Gasly328,8
14Alonso327,8
15Ocon327,8
16Tsunoda326,5
17De Vries325,7
18Stroll325
19Piastri320,6
20Norris316,9

Verstappens berechtigte Zweifel: Saudi-Arabien ist nicht Spa

Perfekt also für Verstappen, um im Rennen auch zu überholen. Weit nach vorne wird es für ihn sicher gehen. Erinnerungen an Spa 2022 werden wach. Dort verwandelte Verstappen Startplatz 14 in einen Sieg über Perez, mit 17 Sekunden Vorsprung. Große Töne spuckt der Weltmeister allerdings keine: "Ich bin mir sicher, dass es nach vorne gehen kann, aber das Rennen gewinnen zu wollen, das ist etwas gewagt."

Polesetter Perez sitzt noch immer im gleichen überlegenen Auto, auch wenn er das ganze Wochenende nicht ganz auf Verstappen-Niveau agiert. Hinzu kommt heute die Strecke. In Spa holte sich Verstappen im Vorjahr sechs Plätze auf den ersten sechs Kilometern. Saudi-Arabien ist jedoch ein enger Stadtkurs. Da in der ersten Runde schon aggressiv nach vorne zu sprinten ist schwierig.

Die Rennstrecke in Saudi-Arabien ist ein enger Beton-Kanal, Foto: LAT Images
Die Rennstrecke in Saudi-Arabien ist ein enger Beton-Kanal, Foto: LAT Images

Wenn sich das Feld erst einmal stabilisiert hat, erwartet Verstappen dann eine Gruppe an acht Fahrern, die sich in diesem Rennen viel ausrechnen: Fernando Alonso, George Russell, Carlos Sainz, Lance Stroll, Esteban Ocon, Lewis Hamilton, Pierre Gasly und Charles Leclerc träumen alle vom Podium. Hinter Red Bull war es nämlich in Saudi-Arabien bisher richtig eng.

Lästige Podiums-Jäger in Saudi-Arabien

Offiziell Podiums-Ambitionen haben für heute nicht nur der von Platz zwei startende Fernando Alonso angemeldet, sondern auch George Russell ("Die Astons sind unser größter Gegner") und Carlos Sainz ("Unser Rennen sollte besser sein"). Ferrari vertraut nach wie vor darauf, dass die Rennpace hier besser ist, und so sah es in den Trainings auch aus.

George Russell feierte einen nächtlichen Setup-Durchbruch, dank dem er sich im Qualifying von Lewis Hamilton abhob. Mercedes-Teamchef Toto Wolff rechnet vor: "Ich denke, wenn du die Benzin-Zuladungen rausnimmst, dann sind wir vor Ferrari, dann Aston Martin, dann Alpine. Alle innerhalb von zwei Zehnteln. Alles ist möglich."

"Ja, es wird ein sehr enges Rennen", stimmt Fernando Alonso zu. Er wähnt sich im Aston Martin mit besseren Karten. Sicher ist sich aber niemand, wer wirklich die besten in der Hand hält. "Es wird von kleinen Details abhängen. Einmal der Start, einmal das Reifenmanagement, einmal die Strategie."

Langer Weg bis Perez für Verstappen

Auch für Verstappen wird das Reifen-Management eine Herausforderung. Der Vorderreifen wird der limitierende Faktor. Der Soft-Reifen würde in der Startphase mit Performance helfen, doch auf vollen Tanks und im Verkehr ist er vorne anfällig für Oberflächen-Graining.

Und die Fahrer rechnen mit DRS-Zügen. "Weil das Mittelfeld in Sachen Rennpace so extrem eng beieinander liegt", erklärt Charles Leclerc. Er muss nach seiner Motorstrafe zurück auf Platz 12 und hinterlässt eben deshalb keinen besonders hoffnungsfrohen Eindruck nach dem Qualifying. Verstappens Pace-Vorteil mag helfen, aber wie schnell er sich wirklich durch ein um das Podium kämpfendes Paket durchkämpfen kann, vermag niemand zu sagen.

So ist das Tor für Sergio Perez sperrangelweit offen. Er muss nur die Startphase gewinnen. Dann hat er freie Fahrt im besten Auto und kann davonziehen. Red Bulls Hoffnung auf einen Doppelsieg bleibt berechtigt. Für die Reihenfolge Verstappen-Perez braucht es wohl aber mehr als ein normales Rennen.

Formel 1 Saudi-Arabien: Die Startaufstellung

  • Reihe 1:  Sergio Perez (POLE) &  Fernando Alonso
  • Reihe 2:  George Russell &  Carlos Sainz Jr.
  • Reihe 3:  Lance Stroll &  Esteban Ocon
  • Reihe 4:  Lewis Hamilton &  Oscar Piastri
  • Reihe 5:  Pierre Gasly &  Nico Hülkenberg
  • Reihe 6:  Guanyu Zhou &  Charles Leclerc
  • Reihe 7:  Kevin Magnussen &  Valtteri Bottas
  • Reihe 8:  Max Verstappen &  Yuki Tsunoda
  • Reihe 9:  Alexander Albon &  Nyck de Vries
  • Reihe 10:  Lando Norris &  Logan Sargeant