Selbst nach dem dominanten Qualifying am Vortag schien es eigentlich vermessen, Max Verstappen schon vor dem Rennen zum fast sicheren Sieger des Belgien-GPs zu erklären. Hinter vorgehaltener Hand äußerten viele die Vermutung, aber dass der nach einer Motorenstrafe nur von Startplatz 14 losfahrende Niederländer tatsächlich locker zum Sieg fahren würde, dass es wirklich einfach sein könnte - schwer vorstellbar.

Verstappen zeigte in einer 44-ründigen Meisterklasse am Sonntag in Spa allen, dass es durchaus geht. Seinen 14. Startplatz wandelte er nicht nur in einen Sieg um, sondern in einen Sieg mit 17,841 Sekunden Vorsprung auf Sergio Perez im identen Red Bull, der aus der ersten Startreihe losgefahren war.

Für Verstappen war es ein dominanter Sieg auf ganzer Linie - Pace, Reifenmanagement, alles passte. Die Krönung eines nicht minder dominanten Wochenendes, mit etwa einem Qualifying, in dem Verstappen schon mit gebrauchten Reifen ins Q3 gekommen war, und die Bestzeit mit einem einzigen Schuss in Q3 gesetzt hatte.

War es das dominanteste Wochenende seiner Formel-1-Karriere? "Wenn du dir das ganze Wochenende anschaust, dann ja", stimmt Verstappen zu. "Das Auto war von FP1 weg unglaublich. So haben wir das nicht erwartet, aber manchmal ist es nett, wenn dich diese Dinge so positiv überraschen."

Verstappen selbst wollte es immer langsam angehen: "Ich wollte einfach ein gutes Rennen haben, und sobald ich es durch das Chaos in der ersten Runde geschafft habe, wusste ich, dass wir ein gutes Rennen haben würden."

Verstappen-Albträume in der ersten Runde

Diese erste Runde war Verstappens größte Angst gewesen. "Mit so einem Auto willst du nichts riskieren", erklärt er. "Da wollte ich mich raushalten, aber auch nicht zu viel Zeit verlieren." Er legte es schließlich extra vorsichtig an. Ließ viel Abstand hin zu Eau Rouge. Stach in Les Combes erst spät bei Alex Albon rein, als der sich verbremste. Zog sofort wieder zurück, als Lance Stroll aus dem Kiesbett zurück auf die Strecke kam und ihn zwischen Albon einzuzwängen drohte.

Auch als der kaputte Lewis Hamilton vor ihm ausrollte und das Feld zusammenstauchte, ließ Verstappen viel Luft. Nur ein aggressives Manöver wagte er, gegen den einzigen Fahrer, von dem in der Anfangsphase eine Gefahr für ihn ausging: Als Charles Leclerc sich außen in Kurve 10 danebenzusetzen versuchte, hielt Verstappen dagegen und zwang den Ferrari zum Zurückstecken.

"Außerdem war da so viel Dreck", erinnert sich Verstappen. Vor ihm verlor der angeschlagene Hamilton-Mercedes Unmengen an Kühlflüssigkeit, mehrere Fahrer ritten aus. "Ich musste ein Abreißvisier runterziehen, weil ich fast nichts sehen konnte von dem ganzen Gras und Schotter im Sektor davor."

Verstappen feiert Sieg auf Lieblingsstrecke Spa

Dann wurde das Feld durch ein Safety Car eingebremst. Verstappen hatte im Chaos schon Platz acht erreicht, nach dem Restart machte er sofort weiter. Diese Rennphase machte ihm am meisten Spaß, verrät er später in der Pressekonferenz: "Natürlich waren einige deutlich langsamer als wir, also war es relativ einfach, sie zu überholen, aber du musst immer noch schnell an ihnen vorbei. Das war der lustige Teil." Mit Runde fünf wurde neu gestartet, in Runde zwölf übernahm Verstappen die Führung. Auch beim Reifenmanagement war der Rest chancenlos, Verstappen konnte die Soft-Reifen länger am Leben halten als andere Medium.

Von den letzten 32 Runden führte Verstappen nur zwei aufgrund der Boxenstopp-Rotation nicht an. Kurz war der Ferrari von Carlos Sainz noch einmal vor ihm, mit DRS zog der Red Bull in Runde 18 wieder vorbei. Danach war die Sache mit dem Sieg für alle anderen erledigt. Relativ zu Sainz war Verstappen im Schnitt eine Sekunde pro Runde schneller. Obendrauf holte er sich die schnellste Runde mitsamt Bonuspunkt.

An Verstappen konnte Ferrari in Spa unmöglich den Anschluss halten, Foto: LAT Images
An Verstappen konnte Ferrari in Spa unmöglich den Anschluss halten, Foto: LAT Images

Dass er nun nach dem Regen-Desaster von 2021 nun auch einen "echten" Sieg in Spa vorweisen kann, freut ihn besonders: "Generell macht Siegen Spaß, diese Art von Siegen noch mehr, und erst recht so ein Sieg auf einer Strecke wie Spa, die meine Lieblingsstrecke ist." Mit 284 Punkten führt er die WM nun deutlich vor Teamkollege Perez (191) an, Charles Leclerc ist mit 186 Punkten auf P3 abgerutscht.