Eineinhalb Wochen Pause haben bei weitem nicht gereicht, um bei Fernando Alonso und bei seinem Formel-1-Team Alpine den Ärger über Miami verrauchen zu lassen. Nachdem Alonso dort für ein Abkürzen spät im Rennen mit einer Zeitstrafe belegt wurde und aus den Punkten flog, liefert er am Freitag in Barcelona nun eine explosive Kritik an der FIA - sowohl an den für die Strafen zuständigen Stewards als auch an der Rennleitung.

Alpine hatte schon in den Tagen nach Miami mit kurzen Stellungnahmen die FIA-Offiziellen ins Visier genommen. Doch während sich Alpine-CEO Laurent Rossi da noch diplomatisch gab, geht Alonso nun voll auf Angriff: "Es war unfair. Wir glauben, es war sehr unfair. Einfach Inkompetenz von den Stewards, die waren in Miami nicht sehr professionell."

"Ich habe eine Kurve verpasst, und habe die Zeit dann in der Runde zurückgegeben", erneuert Alonso seine Argumentation, die auch schon Alpine letzte Woche in der Stellungnahme vorgebracht hatte. Genauso wie die Beschwerde, dass man die Strafe ausgesprochen hatte, ohne dem Team in einer Stewards-Anhörung nach dem Rennen die Chance zu geben, Gegenargumente vorzubringen.

Miami-Stewards für Alonso nicht Formel-1-Niveau

Wenngleich erneut angemerkt werden sollte: Abkürzen gilt gemeinhin schon immer als eine Tatsachen-Entscheidung während dem Rennen, ohne garantierte Anhörung. Alonso kürzte die Schikane ab, und schaffte es so, Mick Schumacher hinter ihm aus dem DRS-Fenster zu drücken. Zwar nahm er auf der darauffolgenden langen Geraden Tempo raus, aber einen potenziellen Angriff Schumachers wehrte er so definitiv ab, und unter dem Strich fuhr er auch eine Sektor-Bestzeit.

Davon lässt sich Alonso in seiner Argumentation aber nicht beeindrucken: "Natürlich, wenn du eine Kurve verpasst, da ist direkt hinter der Kurve die Sektor-Zeit. Daher war da die pinke Farbe [Anm.: Sektor-Bestzeit]. Sie haben diese Entscheidung getroffen, ohne um Beweise zu fragen."

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Davon hätte Alpine viele, meint Alonso: "Wir sind mit den ganzen Beweisen angekommen, und sie waren schon beim Zusammenpacken. Sie waren nicht einmal im Raum. Wir haben ihnen alle Daten gegeben und sie meinten okay, fünf Minuten. Aber da konnten sie nicht mehr zurück, denn sie hatten das Dokument schon ausgeschickt." Fazit: "Ganz schlecht. Sowas sollte in der Formel 1 nicht passieren."

Alonso kritisiert Rennleitung: 2022 nichts verbessert

Neben den Stewards ist Alonso aber auch auf die nach dem Abu-Dhabi-Debakel umstrukturierte Formel-1-Rennleitung sauer. Die, in den ersten Rennen bislang von Niels Wittich angeführt, macht sich bislang keine Freunde. Stundenlange Fahrerbriefings und ein Tauziehen um Unterwäsche und Schmuck zogen schon den Ärger der Weltmeister Lewis Hamilton und Sebastian Vettel auf sich. Dass die Rennleitung in Miami dagegen entschied, nach dem Trainings-Crash von Carlos Sainz an der Unfallstelle zusätzliche Schutzmaßnahmen zu treffen, sorgte für noch mehr Unmut.

Erst recht, da die Fahrer die Verbesserungen forderten, sie nicht bekamen, und dann Esteban Ocon an der gleichen Stelle schwer verunfallte. "Niemand hat irgendwas unternommen", sagt Alonso, der in Barcelona kein Blatt vor den Mund nimmt. "Du brauchst ein gewisses Vorwissen zum Rennsport, bevor du Rennleiter wirst oder versuchst, ein Rennen zu leiten. Ich denke nicht, dass dieses Wissen momentan vorhanden ist."

Unter seinen Fahrerkollegen ist man mit Äußerungen etwas vorsichtiger, wenngleich es durchaus Unterstützung gibt. Etwa von Lando Norris: "Er hat viel Erfahrung, und was ich im Auto da von ihm lernen konnte, als ich 2017 und 2018 neben ihm bei McLarne war, war spektakulär. Wenn er das sagt, wird er wohl einen Punkt haben."

Alonso hofft auf neuen Formel-1-Rennleiter in Barcelona

Was Alonso und Alpine besänftigt: In Barcelona tritt erstmals Eduardo Freitas als verantwortlicher Rennleiter auf. Freitas hat viel Erfahrung, war unter anderem schon in der Tourenwagen-WM und Langstrecken-WM Rennleiter. Normalerweise sollen er und Wittich sich 2022 den Chef-Posten teilen, doch da Freitas nach wie vor seinen WEC-Posten hält, ist er nicht immer verfügbar, um als Wittichs Stellvertreter aufzutreten.

Tatsächlich lobt Alonso in Barcelona direkt Freitas, unter dem er bereits mehrere Sportwagenrennen fuhr, und dessen Erfahrung: "Ich denke, das wird die Dinge schon verbessern." Alpine-Teamkollege Esteban Ocon bestätigt später, dass es bereits ein Gespräch mit Freitas gab. Eine Stunde, zu den Miami-Unfällen: "Es wird für nächstes Jahr wegen der Sicherheit Verbesserungen geben. Ich bin sehr zuversichtlich und zufrieden mit dem Ergebnis."

Esteban Ocon verunfallte an der gleichen Stelle wie Carlos Sainz schwer, Foto: LAT Images
Esteban Ocon verunfallte an der gleichen Stelle wie Carlos Sainz schwer, Foto: LAT Images

Alonso unterstreicht: "Wir sind die, die diese Autos fahren. Wir spüren die Unfälle. Wenn wir glauben, dass etwas notwendig ist, dann sollte man uns zuhören. In Miami war das nicht wirklich der Fall. Da schien man sich auf andere Dinge zu konzentrieren." Es ist übrigens nicht die erste Alonso-FIA-Konfrontation. Im Vorjahr implizierte er nach fehlenden Strafen für Abkürzen gar eine Voreingenommenheit der Formel-1-Stewards.

Update: Laut den Kollegen von 'RacinNews365' könnte die Alonso-Tirade ein Nachspiel haben - der Medien-Delegierte der FIA hat die Kommentare an die Stewards weitergegeben. Alle News vom Trainings-Freitag der Formel 1 heute in Barcelona gibt es hier im Live-Ticker.