Dass Aston Martin Formel-1-Autos kopieren kann, ist inzwischen gut bekannt - und nachdem das Team aus Silverstone vor zwei Jahren mit einer detailgetreuen Kopie des Weltmeister-Mercedes für Aufmerksamkeit sorgte, mutmaßt man bei der ersten großen Upgrade-Welle beim Grand Prix in Barcelona von der Rückkehr zum Kopier-Prinzip. Statt "pinker Mercedes" heißt es jetzt aber "grüner Red Bull".
Denn schon als das Team von Sebastian Vettel am Donnerstagabend den überarbeiteten AMR22 erstmals in die Boxengasse rollte, war sofort sichtbar: Das seit Saisonbeginn angekündigte "große Upgrade" von Aston Martin beinhaltet verdächtig ähnliche Konzepte des Red Bull RB18, dem gegenwärtig womöglich schnellsten Auto im Feld.
Aston Martins Red-Bull-Kopie als Barcelona-Upgrade
Das Grundprinzip der neuen Seitenkästen, Motorabdeckung und des neuen Unterbodens von Aston Martin ist ohne Frage dem Red Bull sehr ähnlich, auch wenn es sich in Details unterscheidet. Aber nach hinten abfallende Seitenkästen, die in der Mitte mit einem Knick eine Doppelrampe erzeugen, sowie die Einschnitte im Unterboden sprechen eine sehr deutliche Sprache.
Die abfallende Verkleidung, und mehr Fokus auf den "Downwash"-Effekt des Luftflusses, ist für Aston Martin neu. Es hofft, damit den Luftfluss zum Heck deutlich zu verbessern und auch den Abfluss des internen Kühlluftstroms zu verbessern. Zu diesem Zweck sind auch die Kühlrippen nicht mehr allein auf dem Seitenkasten, sondern wie bei Red Bull weiter nach oben gewandert. Hier scheinen sich Details der Form zu unterscheiden, womöglich aufgrund der Tatsache, dass Aston Martin mit dem Mercedes eine andere Power Unit verpacken muss.
Der Einlass vorne am Seitenkasten liegt nun weiter hinten, ebenfalls um den Luftfluss zu verbessern, und die Unterkante ist flacher. Der Flügel am Unterboden wurde auch nach hinten verlegt, und die Form angepasst, und die Leitformen an den Kanten verschoben und mit einem neuen Profil an neue Luftfluss-Forderungen angepasst. Die Last soll so entlang des Randes besser verteilt werden und das Betriebsfenster des Autos vergrößern. Der Unterboden selbst wurde fundamental angepasst, um mit dem Rest zusammenzuspielen.
Red Bull sauer, FIA sieht Aston Martin regelkonform
Vonseiten Red Bull kamen in Barcelona keine freundlichen Komplimente über die Kopie. Im Gegenteil - man will Klarheit, wie Aston Martin ein so detailgetreues Modell anfertigen hatte können. Die FIA sieht ihrerseits keinen Verstoß. In einem Statement hält sie fest, dass schon beim Routine-Check auffiel, wie ähnlich die AMR22-Ausbaustufe dem RB18 war. Daraufhin starteten die FIA-Techniker von sich aus eine Untersuchung, ob es zu verbotenem Transfer von geistigem Eigentum kam.
Beide Teams brachten bei dafür Beweismaterial ein. CAD-Zeichnungen und der Entwicklungsprozess von Aston Martin wurden untersucht. An keinem Punkt wurden Verstöße entdeckt. Datenaustausch wäre verboten, aber Design-Einflüsse von der Konkurrenz zu ziehen ist erlaubt.
Red Bulls Zweifel sind nicht vollends ausgeräumt. In einer kurzen Stellungnahme nimmt das Team die FIA-Position zur Kenntnis, weißt aber erneut darauf hin: "Sollte irgendeine Form vom Transfer geistigen Eigentums stattgefunden haben, wäre das ein klarer Verstoß gegen das Reglement und sehr besorgniserregend." Weitere Schritte wurden aber bisweilen nicht eingeleitet.
Vettel bremst: Kein massiver Aston-Martin-Sprung in Barcelona
Alles das soll Aston Martin helfen, das Auto tiefer zu fahren und so endlich auch ins Setup-Fenster zu kommen. Mit der ursprünglichen Version des AMR22 war man gezwungen, aufgrund der Hüpf-Probleme auf den Geraden viel zu hoch zu fahren. Daher war das Basis-Design praktisch kaum ins aerodynamische Betriebsfenster gekommen.
Die Fahrer halten erst einmal den Ball flach. "Wir erwarten nicht sofort einen massiven Sprung, aber wir glauben an das Konzept, und glauben daran, dass am Ende mehr dabei rausspringt", sagt Sebastian Vettel und hält fest: "Ich habe nicht wirklich viele Erwartungen. In der Fabrik gab es einen großen Push, um die Teile für zwei Autos zu machen, und es wird interessant sein, wie es sich auf der Strecke anfühlt. Da bin ich neugierig." Den ganzen Qualifying-Tag der Formel 1 heute in Barcelona gibt es hier im Live-Ticker.
Viele Formel-1-Teams mit großen Upgrades für Barcelona
Aston Martin ist nicht das einzige Team mit langer Upgrade-Liste. Wie vermutet bringen einige hier die auf den Daten der ersten fünf Rennen basierenden ersten großen Revisionen ihrer Designs. Mercedes zog mit einem neuen Unterboden, genauer gesagt mit einem neuen Einschnitt im Unterboden, dessen Prinzip man von Teams wie McLaren und Alfa entlehnt hat, Aufmerksamkeit auf sich.
Weniger dramatisch sind die Upgrades an der Spitze. Ferrari hat am Unterboden, Diffusor und an der Hinterbremsverkleidung nachgeschärft und debütiert einen Heckflügel für Strecken, die maximalen Abtrieb fordern. Red Bull hat den Frontflügel um einen Flap ergänzt, um mehr Last zu erzeugen, und am Unterboden Hand angelegt.
McLaren reichte gleich eine Liste mit zehn angepassten Teilen ein: Frontflügel, Vorderrad-Aufhängung neu verkleidet, Vorderbremskühlung neu, Unterboden-Kante neu mit dafür angepasstem Seitenkasten und angepassten Kühlrippen, und neuer Heckflügel mit mehr Abtrieb für Strecken wie auch Monaco. Im ersten Training fuhr Norris das neue Auto, Ricciardo zum Vergleich das alte.
Auch bei Alfa gibt es ein großes Paket mit Frontflügel, Aufhängungsverkleidung, neuem Spiegel, neuem Unterboden, angepasster Motorabdeckung und ebenfalls einem High-Downforce-Flügel. Alpine, AlphaTauri und Williams gehören auch zu jenen, die hier schon den High-Downforce-Flügel bringen.
Alpine hat außerdem noch die Bremskühlschächte und Frontflügel-Endplatte verbessert, Williams ein paar zusätzliche kleine Flügel auf der Innenseite der hinteren Bremskühlschächte montiert. Haas ist das einzige Team, welches kein einziges neues Teil ans Auto gebaut hat. Alle Infos zu Formel-1-Upgrades der Saison 2022 gibt es hier in der Übersicht.
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