1. Warum war Mercedes so stark?

Tja, wie so oft weiß es auch Mercedes selbst nicht. "Eine Überraschungskiste", kann Toto Wolff nach dem Rennen nur sagen. Eher noch hat die Konkurrenz Vermutungen. McLaren etwa hob am Samstag schon hervor: Die 90-Grad-Kurven, Untersteuern als limitierender Faktor, bei solchen Rennen ist Mercedes üblicherweise stark. Las Vegas im Vorjahr, Kanada dieses Jahr, die Strecken haben teils ähnliche Features. Aber Mercedes selbst bleibt auch im siebtletzten Rennen der Ground-Effect-Ära der Formel 1 planlos.

2. Stand ein Platztausch bei McLaren zur Debatte?

Schwerlich ließen sich Oscar Piastris wütende Funksprüche nach der Startkollision mit Lando Norris anders interpretieren: Er war in Monza zur Seite gefahren, jetzt sah er Norris' Manöver als unfair an und wollte zurück auf den dritten Platz gewunken werden. Schließlich ist die erste Regel der 'Papaya Rules' bekanntermaßen: Keine Berührung. Diskutiert wurde die Angelegenheit tatsächlich, räumt Teamchef Andrea Stella nach dem Rennen ein: "Wir haben es am Kommandostand bewertet. Wir dachten, es gäbe keinen Grund einzugreifen."

Denn McLaren, wie auch übrigens die FIA-Stewards, urteilte auf Rennunfall. Die Meinung des Kommandostandes: Norris rutschte am Start bei seiner Attacke gegen Piastri unglücklich in das Heck von Max Verstappen und übersteuerte dann in Piastri hinein. So war für das Team die Berührung eben unglücklich, nicht unfair. Norris durfte Platz drei behalten.

3. Hat Oscar Piastri seine Meinung nach dem Rennen geändert?

Hart wie selten fielen Piastris Funksprüche in den ersten Runden aus. Es sei "nicht fair", und "eine ziemlich beschissene Art, auszuweichen." Von solchen Aussagen war nach dem Rennen nichts mehr zu hören: "Ich glaube, die meisten meiner Kommentare waren in den ersten zwei von 62 Runden." Er hütete sich, noch etwas zu sagen: "Ich muss mir die Wiederholungen genauer ansehen, um genau zu wissen, was passiert ist. Entscheidend ist, dass zwei Autos zusammenstoßen, was wir natürlich nie wollen." Fest steht nur, dass McLaren die Angelegenheit in den nächsten Tagen noch einmal diskutieren will.

4. Über welche Probleme beklagte sich Max Verstappen?

Immer wieder funkte Max Verstappen während des Singapur GP über Probleme, vor allem in den Bremszonen. Bei ihm waren es aber nicht die Bremsen selbst, es waren einmal mehr Schaltvorgänge, die den Red Bull RB21 aus der Balance brachten. Das Runterschalten hat einen Einfluss auf die Motorbremse, wodurch die Hinterachse leicht instabil werden kann. Dazu gesellten sich generelle Balance-Probleme.

Sein größtes Problem aber war, dass er auf den Soft-Reifen ins Rennen gegangen war. Darauf wollte er gleich am Start an Russell vorbeigehen. Ein ordentlicher Start von der schmutzigen Seite reichte aber beim kurzen Sprint zu Kurve 1 nicht. Von da an war der Weltmeister stets im Hintertreffen. Die Medium-Pneus der Konkurrenz waren deutlich besser als seine Softs, die außerdem einen früheren Boxenstopp erforderten. Dadurch war er im zweiten Stint durch ältere Reifen auch stets im Nachteil.

5. Was war bei Yuki Tsunoda los?

Während Max Verstappen mit seinen 'Problemchen' auf Rang zwei ins Ziel kam, ging Yuki Tsunoda nach einem seiner Meinung nach guten Rennen wieder einmal leer aus. Mit seiner Pace war der Japaner sogar überaus zufrieden. Sein Problem war die Startrunde: Von Platz 13 ging es auf 16 zurück, eine Runde später verlor er sogar noch eine Position. Einen wirklichen Grund dafür gab es nicht, der Start selbst war sogar gut. Aber Tsunoda fuhr anschließend zu ängstlich und verlor Position um Position. Sogar Teamchef Laurent Mekies war erstaunt: "Die erste Runde war sicherlich schockierend."

6. Was ging bei Lewis Hamilton kaputt?

Ferrari hatte eigentlich das ganze Rennen in Singapur schon massive Probleme mit den Bremstemperaturen bei beiden Autos. Laut Charles Leclerc ging es schon in Runde 8 los. "Wir mussten das ganze Rennen 'lift and coast' betreiben", gesteht Teamchef Fred Vasseur später. Leclerc fuhr mit nur einem Stopp und Reifenmanagement ein gemächliches Rennen - Lewis Hamilton hingegen wurde in Runde 46 zum zweiten Stopp geholt und versuchte dann mit Soft-Reifen und deutlich höherer Schlagzahl noch nach Kimi Antonellis fünften Platz zu greifen.

Bei dieser erhöhten Belastung spielten die Bremsen dann nicht mehr mit. In der viertletzten Runde detonierte Hamiltons linke Vorderbremse vor der letzten Schikane: "Ich sah, dass die Bremsen heiß wurden, aber nicht, dass ich am Limit bin. Vor Kurve [16] flogen dann die Funken und das Pedal wurde lang." Hamilton schleppte den havarierten Ferrari ins Ziel, doch das sollte weitere böse Folgen haben.

7. Wofür wurde Hamilton nach dem Alonso-Ausraster bestraft?

"Ich kann es verdammt noch mal nicht glauben!", explodierte schließlich Fernando Alonso, der Hamilton auf den letzten Runden beinahe abfing. Eine die ganze Auslaufrunde dauernde Funk-Tirade von Alonso hatte einen einfachen Grund: Hamilton war mit den kaputten Bremsen reihenweise in Schikanen geradeaus gefahren.

"Ich hatte durch das Verlassen der Strecke keinen Vorteil und wusste außerdem auch nicht, ob jemand hinter mir reinbremst, also fuhr ich so auch aus dem Weg", verteidigte sich Hamilton. Nur sind die F1-Regeln hier sehr deutlich: Dreimal Track Limits ohne Not zu übertreten ist eine Verwarnungsflagge. Das vierte Mal ist eine Fünf-Sekunden-Strafe. Für die Stewards ist ein Bremsdefekt keine Ausrede, einfach der Reihe nach Kurven auszulassen. Durch die fünf Strafsekunden fiel Hamilton hinter Alonso zurück.

8. Was war Alonsos Problem mit Isack Hadjar?

Hamilton war bei weitem nicht der Einzige, der in Singapur Alonsos Zorn auf sich zog. "Pokal für den Held des Rennens!", funkte Alonso sarkastisch, nachdem er sich in den Runden 36 und 37 über mehrere Kurven hinweg hart mit Isack Hadjar gebalgt hatte. Alonsos Zorn wurde vor allem davon angestachelt, dass Hadjar deutlich langsamer war - weil er ein Power-Unit-Problem hatte: "Er war so langsam! Bei manchen Fights musst du wissen, ob es Sinn macht."

Eine halbe Sekunde habe das Problem gekostet, beziffern die Racing Bulls nach dem Rennen. "Ich habe ihn nicht von der Strecke geschoben", wehrt sich Hadjar gegen Alonsos Jammern. "Wenn ihm das nicht gefallen hat, ist er mürrisch." Letztendlich konnte er das Auto auch mit harter Defensive mit den Problemen nicht in den Punkten halten. In Runde 59 ging Carlos Sainz vorbei auf Platz 10.

Piastri vs. Norris eskaliert! Alonso tobt, Hamilton bestraft! (18:22 Min.)

9. Wie kam Carlos Sainz in die Punkte?

Von Startplatz 18 gelang Carlos Sainz die Sensation: Nach der Disqualifikation am Vortag schaffte er es noch auf Rang 10 in die Punkte. Der Williams war das ganze Wochenende über schnell, aber in Singapur ohne Safety Car von 18 auf 10? Entscheidend war sein langer Stint auf Medium. "Wir haben den Medium wie einen Hard aussehen lassen", scherzte er. 50 der 62 Runden fuhr er damit.

Für den Schlusssprint gab es frische Softs."Ich habe darauf zwei bis drei Sekunden gefunden", so Sainz. Durch das große Reifen-Offset konnte er sogar auf der Strecke überholen. In Runde 52 musste Gabriel Bortoleto dran glauben, eine Runde später Franco Colapinto. In Runde 57 holte sich Sainz Yuki Tsunoda, und schließlich dann Isack Hadjar.

10. Warum startete nur ein Williams aus der Box?

Das Qualifying hatte für Williams ein böses Nachspiel: Beide Autos fielen bei der technischen Untersuchung durch, weil die Öffnung bei aktiviertem DRS zu groß war. Das Reglement behandelt eine Disqualifikation aber nicht wie einen Parc-ferme-Bruch. Weil Williams am Auto von Carlos Sainz zwischen Qualifying und Rennen nichts veränderte, durfte er vom letzten Platz starten.

Bei Alex Albon entschied man sich hingegen, Änderungen an der Radaufhängung vorzunehmen. Deshalb musste der Thailänder aus der Box hinterherfahren. Weil die Ausgangslage ohnehin aussichtslos schien, wollte Williams mit dem Setup experimentieren. "Das war ein interessanter Test für die Zukunft, aber er hat nicht funktioniert", lautete das Fazit von Albon.

11. Wieso wurde Nico Hülkenberg Letzter?

Nico Hülkenberg starte beim Singapur GP von Platz elf. Nach der Startrunde fand er sich auf ebenjener Position wieder. Weil Isack Hadjar, der zu diesem Zeitpunkt noch auf Rang neun lag, später technische Probleme bekam, hätte Hülkenberg eigentlich einen Punkt holen können. "Wir müssen uns die Strategie ansehen", meinte er, nachdem er auf Platz 20 ins Ziel gefahren war.

Sauber verschlief den Boxenstopp bei ihm, wodurch zahlreiche Piloten mit einem Undercut vorbeikamen. Zwischenzeitlich fand sich Hülkenberg nur auf Platz 18 wieder. Große Aufholjagden wie jene von Sainz sind in Singapur die Ausnahme, dazu fehlte Sauber auch die Pace. Dann wurde es für Hülkenberg noch ungemütlich: Erst gab es eine kleine Berührung mit Franco Colapinto, später drehte sich der Deutsche, weil er vom frühen Bremsmanöver des Alpine-Piloten überrascht wurde. Hülkenberg musste nach seinem Dreher noch einmal an die Box und wurde in der letzten Runde auch noch von Pierre Gasly überholt.