Weitestgehend ignoriert von der internationalen Bildregie kam es in den letzten drei Runden der Formel 1 in Singapur zu hochdramatischen Szenen zwischen Lewis Hamilton und Fernando Alonso. Die hatten am Ende des Rennens einen völligen Ausraster von Alonso am Funk zur Folge - und fünf Sekunden Strafe für Hamilton, die Alonso spät aber doch noch den siebten Platz schenkten.

Hamilton hatte spät im Rennen einen zweiten Boxenstopp für Soft-Reifen eingelegt und damit versucht, noch den Mercedes von Kimi Antonelli von Platz fünf zu verdrängen. Doch in Runde 59 brannte seine linke Vorderbremse hin zur letzten Schikane sprichwörtlich durch: "Ich sah, dass sie sich aufheizten, aber es hieß nicht, dass sie am Maximum seien."

"Dann kamen die Funken, das Pedal wurde lang, und ich war nur dankbar, dass ich die Kurve bekam", beschreibt es Hamilton. Damit wandelte sich seine Aufgabe: 50 Sekunden Vorsprung auf Fernando Alonso so einteilen, dass er sich auch mit nur mehr minimaler Bremswirkung noch Platz sieben retten konnte. "Fernando hinter mir zu halten war richtig, richtig schwer."

Alonso kam in Riesenschritten näher. Hamiltons vorletzte Runde war gerade einmal eine 2:08,668, aber er gab nicht auf. Inklusive eines viermaligen Abkürzens der Schikane, wenn auch nicht auf der letzten Runde. Nach einer Warnung aus der Box bemühte er sich, zumindest auf den letzten Metern noch auf der Strecke zu bleiben.

Wegen Hamilton-Aktion: Fernando Alonso kocht im Cockpit über

Vier Zehntel Vorsprung rettete Hamilton ins Ziel. Daraufhin kochte Alonso am Funk über: "Was zur Hölle, Mann? Ich kann es nicht glauben. Ich kann es verdammt noch mal nicht glauben!" Eine Aussage, die er nicht weniger als vier Mal noch wiederholte, dann nachschob: "Ist es sicher, ohne Bremsen zu fahren?"

"Das sollte ein verdammter siebter Platz sein, so kannst du nicht fahren!", wütete Alonso auf der Auslaufrunde weiter. "Als ob er allein auf der Strecke ist. Gestern ignoriert er die rote Flagge, heute das, fährt allein." Erst am Samstag war Hamilton des Missachtens einer roten Flagge freigesprochen worden, obwohl er in der Boxeneinfahrt entgegen den Regelvorgaben das Tempo nach einem Abbruch leicht angezogen hatte.

Nicht nur daran erinnerte sich Alonso, auch an diverse andere Zwischenfälle der jüngeren Vergangenheit, die ihn selbst betrafen. Natürlich mit der üblichen Alonso-Polemik: "Du kannst für mich nicht fahren, wenn das Auto nicht sicher ist. Manchmal versuchen sie mich zu disqualifizieren, weil ich keinen Spiegel habe, und jetzt hat einer keine Bremsen, und alles ist in Ordnung!" 2022 wurde einst beim USA-GP um einen kaputten Rückspiegel von Alonso gestritten, inklusive Protest und einer Strafe, die nur wegen eines Formfehlers rückwirkend für ungültig erklärt wurde.

Strafe für Hamilton: Kein Erbarmen für Singapur-Bremsdefekt

"Nur weil man keine Bremsen hat, kann man auch nicht die Strecke abkürzen, wir müssen die Strecke mit oder ohne Bremsen fahren", hatte Alonso sich in den Interviews nach dem Rennen zumindest wieder beruhigt. Wohl auch, weil er da schon wusste, dass Hamilton zeitgleich von den Stewards vorgeladen worden war.

Die Stewards dachten ähnlich wie Alonso. Ein Bremsdefekt ist keine Rechtfertigung, um die Strecke wiederholt zu verlassen. Infolgedessen kassierte Hamilton die Standard-Strafe für vier Track-Limits-Verstöße, nämlich fünf Sekunden. Das beförderte ihn hinter Alonso auf den achten Rang zurück. Dabei blieb es. Weitere Untersuchungen gegen Hamilton in Bezug auf das Fahren in unsicherem Zustand gab es keine.

Alonso wird es reichen - Hauptsache, er hat seinen siebten Platz. Einen hart erkämpften, nachdem Aston Martin bei seinem einzigen Boxenstopp schon früh im Rennen geschlampt hatte. Danach war Alonso ("Wenn du jede Runde jetzt mit mir sprichst, stecke ich den Funk ab!") am Funk bereits auf 180. Mit dieser Wut im Bauch pflügte er durch das Feld, mit mehreren Überholmanövern, um sich am Schluss überhaupt erst in Position zu bringen, von Hamiltons Misere zu profitieren.