Carlos Sainz war während und nach dem Formel-1-Rennen in Zandvoort auf 180. Der Spanier war zunächst in einen Unfall mit Liam Lawson involviert gewesen, was ihn ohnehin schon aus dem Rennen um die Punkte warf, doch dann kassierte er auch noch eine Strafe dafür. Diese konnte er nicht nachvollziehen und er kann es immer noch nicht. Wie auch Williams - die nun gegen die Strafe vorgehen.
Ein 15-minütiges Gespräch mit den Stewards nach dem Niederlande-GP hatte Sainz' Meinung nicht geändert. Ganz im Gegenteil: Er ist überzeugt davon, dass dieser Dialog erst recht seine Unschuld verdeutlichte. Vor dem Formel-1-Rennen in Monza berichtete der Williams-Pilot in der offiziellen Pressekonferenz von seinem Treffen: "Sobald sie die Beweise zusammengetragen hatten, und sich die Stellen angesehen hatten, die sie sich ansehen mussten, um die richtige Entscheidung zu treffen, da war für mich ziemlich klar - und ich denke, das haben sie selbst kapiert -, dass die Entscheidung nicht die beste war."
Williams bestätigt in Monza: Strafe wird angefochten
Am Donnerstagnachmittag bestätigt Williams daraufhin in einer Stellungnahme: "Wir haben bei der FIA ein 'Right of Review' bezüglich der Strafe für Carlos in Zandvoort eingereicht." Unter diesem Recht auf Neubeurteilung eines Falles versteht man ein im internationalen Sportkodex verankertes Regelwerkzeug, mit dem sich Entscheidungen auch außerhalb der für einen Protest vorgesehenen zeitlichen und regulatorischen Grenzen anfechten lassen.
Für ein Recht auf Neubeurteilung bleiben einem Team 96 Stunden Zeit nach dem Ende eines Rennwochenendes, das mit der offiziellen Bekanntgabe des finalen Rennergebnisses vorbei ist. Um einen Fall so neu aufzurollen müssen jedoch hohe Hürden überwunden werden. Denn laut Paragraph 14.1.1 des FIA-Kodex muss ein "signifikantes und relevantes neues Element", vorgebracht werden, das zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung noch nicht vorlag. Da könnte der Knackpunkt liegen, denn die Onboard-Aufnahmen der involvierten Fahrer lagen bereits vor, sind also nicht neu. Es ist also schwierig abzuschätzen, welches Element Williams aufführen könnte.
Solche 'Right of Reviews' sind an und für sich für alle Entscheidungen gedacht, bei denen eben später neue Beweise auftauchen. Sie sind aber vor allem das einzige Mittel, um gegen Strafen für Unfälle - die eigentlich während des Rennens als Tatsachen-Entscheidungen getroffen werden - vorzugehen. Ihre Erfolgsquote bei dieser Verwendung ist in der Vergangenheit schlecht. Zu den berühmtesten (gescheiterten) Versuchen zählen Ferraris Bemühungen um Sebastian Vettels verlorenen Kanada-Sieg 2019 oder Red Bulls Wunsch nach einer härteren Strafe für Lewis Hamilton nach Silverstone 2021.
Williams geht es wohl um zwei Dinge. Zum einen will man Sainz' zwei Strafpunkte loswerden. Zum anderen will man Klarheit, wie denn die berüchtigten "Driving Standards Guidelines" ausgelegt werden. Denn an den Hintergründen der Strafe äußert Sainz am Donnerstag in Monza erneut ausführlich seine Zweifel.
Carlos Sainz: "Man sieht klar, dass ich keine Strafe bekommen hätte sollen"
Für Sainz steht nach wie vor fest, dass zehn Sekunden Zeitstrafe plus zwei Strafpunkte nicht gerechtfertigt waren. Er hatte außen in Turn 1 versucht Liam Lawson zu überholen. Der Racing-Bull-Pilot ließ ihm aber außen die Tür nicht offen. Bewusst, wie dieser später erklären sollte. Denn die angesprochenen Racing-Richtlinien sind so geschrieben, dass jener Fahrer, der am Scheitelpunkt innen ist, ein Vorrecht auf die Kurve hat. Dem außen fahrenden Piloten steht nur Platz zu, falls er sich mindestens auf Höhe der Vorderachse befindet.

"Wenn die Richtlinien sagen, dass ich jemandem keinen Platz geben muss, wieso würde ich ihnen diesen Platz geben und sie überholen lassen? Das macht keinen Sinn", verteidigte sich Lawson in Monza. Sainz konterte: "Wenn man die Regel so anwendet, wie sie im Regelbuch steht, dann könnte man möglicherweise verstehen, wieso man mir eine Strafe geben will. Aber in dem Moment, in dem man die Onboard-Aufnahmen analysiert und ins Details geht, dann kann man klar sehen, dass ich nie eine Strafe hätte bekommen sollen."
Sainz zeigt Verständnis für F1-Stewards: Strafe aber trotzdem nicht akzeptabel
"Es war eine schlechte Einschätzung, aber so etwas kann passieren, solange man die Kapazität hat, es erneut aufzurollen. Und falls ein Missverständnis vorlag, oder ein Mangel an Beweisen oder ein Mangel an Analysen, dann sollte noch immer Zeit sein, es neu zu analysieren und den Fall neu zu öffnen und zu ändern", appellierte Sainz an die Stewards.
Der Ärger von Sainz auf die Formel-1-Rennkommissare hat sich in den letzten Tagen aber etwas gelegt. Stattdessen zeigte er Verständnis für die Stewards: "Ich glaube sie hatten einen sehr schwierigen Sontag, wenn man es sich so ansieht. Sie hatten einen sehr arbeitsreichen Nachmittag, weil im Rennen so viel passiert ist." Dies sei aber keine Entschuldigung dafür, dass man - seiner Ansicht nach - die Entscheidung überhastet gefällt habe: "Ich glaube trotzdem, dass die Strafe nicht akzeptabel war", stellte er erneut klar.
Sein Teamkollege Alex Albon pflichtet ihm bei. Der Thailänder, der im Rennen direkt hinter Lawson und Sainz lag, und damit einen perfekten Blick auf das Geschehen hatte, ist auch noch in Monza überzeugt: "Das sah für mich bestenfalls nach einem Rennunfall aus. Wenn überhaupt, dann hätte es eine Strafe für Liam geben müssen." Als Teamkamerad von Sainz ist er natürlich nicht ganz unvoreingenommen.
Braucht die Formel 1 einheitliche Stewards?
Sainz, der nebenbei bemerkt auch Vorsitzender der F1-Fahrergewerkschaft GPDA ist, erneuerte angesichts dieser strittigen Situation den Ruf nach einheitlichen professionellen Stewards. Ein Vorschlag, der in den letzten Jahren schon vielfach von zahlreichen verschiedenen Fahrern aufgekommen ist. Im Moment ist der Rennkommissar-Posten ein Ehrenamt der FIA, bei dem sich verschiedene Personen im Laufe einer Saison abwechseln.
"Ich denke, wir sollten in der Formel 1 fixe Stewards haben. Das Reglement ist ohnehin ausreichend komplex und es wäre sehr hilfreich, wenn wir immer dieselben Leute hätten, die Urteile fällen und diese anwenden. Denn dann weiß man mehr oder weniger, womit man es zu tun hat", argumentiert der vierfache Grand-Prix-Sieger, der aber betonte, dass dies nur seine private Meinung ist und nicht als Stellungnahme der GPDA zu verstehen sei.



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