Damit ist die Posse um Sebastian Vettel und seine Strafe beim Kanada GP 2019 nun offiziell beendet: Zwei Wochen nach dem Rennen kamen die Stewards beim Frankreich GP erneut zusammen und mussten über Ferraris Antrag entscheiden, die Szene noch einmal neu zu beurteilen.
Ferraris Sportdirektor Laurent Mekies konnte die vier Stewards um ihren Vorsitzenden Gerd Ennser nicht davon überzeugen, dass es 'neue und relevante Beweise' gab, die Vettel entlasten. Ein solcher neuer Beweis wäre nötig gewesen, um den Fall noch einmal zu öffnen.
Mekies versprach kurz vor der Anhörung um 14:15 Uhr Ortszeit bei der FIA Pressekonferenz, 'überwältigende neue Beweise' zu haben, die zeigen würden, dass Vettel keinen Regelbruch beging.
Neue Beweise: So verteidigte Ferrari Vettel
Allerdings waren die angeblich neuen Beweise eher mau. Ferrari legte gleich eine ganze Liste vor, denn ein einziger zugelassener Beweis hätte eine erneute Prüfung hervorrufen können. Deshalb schoss Ferrari in der Hoffnung, irgendetwas zu treffen, mit der Schrotflinte.
Die folgenden Punkte legte Ferrari vor:
- (i) Analyse von Vettels Telemetriedaten
- (ii) Videoanalyse verschiedener Kameraperspektiven (Vorderansicht, Draufsicht, Onboardkameras von Vettel und Hamilton), die nach dem Rennen angefertigt wurde
- (iii) Videoanalyse von Karun Chandhok, die er nach dem Rennen für Sky Sports machte
- (iv) Video von Vettels Gesichtskamera (Kamera, die auf Vettel zeigt), die von der Formel 1 nach dem Rennen freigegeben wurde
- (v) Videos und Fotos nach dem Rennen
- (vi) Analyse der GPS Rennlinien von Hamilton und Vettel in der relevanten Runde und in den Runden zuvor
- (vii) Zeugenaussage von Vettel
Die Elemente (i), (ii), (v), (vi) und (vii) ließen die Stewards nicht zu, weil sie bereits vor dem Ende der Veranstaltung vorlagen und somit nicht als neu erachtet werden. Chandhoks Analyse wurde zwar als neu, nicht aber als 'signifikant' und 'relevant' erachtet, weil es sich um eine persönliche Meinung eines Dritten handelt.
Bei Vettels Gesichtskamera ist die Sache etwas komplexer. Die Aufnahmen lagen erst später vor. Trotzdem sehen die Stewards keine Relevanz darin, weil der Inhalt des neuen Videos bereits auf anderem, bereits vorhandenem Videomaterial verfügbar war.
Die Verhandlung wurde nicht von den Stewards des Frankreich GP geführt, sondern von jenem Panel, das auch in Montreal im Einsatz war. Gerd Ennser, Fahrersteward Emanuele Pirro und Mathieu Remmerie reisten kurzfristig nach Le Castellet, Mike Kaerne wurde per Video aus Kanada zugeschalten.
Ferrari-Antrag chancenlos: Tatsachenentscheidung in der Formel 1
Bei der Anhörung ging es in erster Linie nicht um die Beweise an sich, sondern hauptsächlich darum, ob sie schon vor dem offiziellen Rennergebnis zur Verfügung standen. Das Regelwerk ist hier absichtlich so restriktiv, damit nicht jede diskussionswürdige Entscheidung angefochten wird - schließlich gilt in der Formel 1, ähnlich wie beim Fußball, die Tatsachenentscheidung.
Das 'Recht auf Revision' räumt das Regelwerk eigentlich für extreme Fälle ein, bei denen eine Sache aufgrund eines neuen Beweises in völlig neuem Licht erscheint. Da es in Ferraris und Vettels Fall aber um Nuancen ging, war die erneute Überprüfung schon im Vorhinein zum Scheitern verurteilt. Für derlei Fälle räumt das Reglement das Recht eigentlich nicht ein.
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