George Russell sorgte beim letzten Rennen der Formel 1 in Zandvoort mit einem seltsamen Meinungsumschwung für eine Überraschung. Nachdem er erst lautstark eine Strafe für ein rabiates Überholmanöver von Charles Leclerc gefordert hatte, das dann aber in der folgenden Anhörung zurückzog, erklärt er nun die Gründe dafür.
Ursprünglich hatte Russell Leclercs Überholen außen in der Schikane von Zandvoort mit Schadensfolge als glasklares Überholen abseits der Strecke gesehen. In der Stewards-Anhörung fügte er sich dann aber zuerst einmal der Ansicht der Schiedsrichter, wonach keine der Kameraeinstellungen tatsächlich auch zeigte, ob Leclerc an irgendeinem Punkt mit allen Reifen abseits der Strecke gewesen war.
"Ich war recht zuversichtlich, dass er draußen war, aber an dem Punkt gab es keinen klaren Beweis", räumt Russell ein. Infolgedessen gab er sich kulant. Leclerc war schließlich aufgrund einer völlig anderen Kollision später im Rennen ausgeschieden. Eine Strafe wäre automatisch in eine Grid-Strafe für das nächste Rennen in Monza umgewandelt worden.
Nüchtern und mit etwas Abstand betrachtet musste Russell dann auch eingestehen: "Persönlich fand ich es ein tolles Manöver in Sachen Spektakel. Wenn du neutral bist, dann war es toll." Nachdem Russell im folgenden Chaos wieder auf den vierten Platz aufrückte, setzte er den Haken drunter: "Ich wollte das nicht weiterverfolgen, nachdem er keine Punkte holte." Obwohl Fotos, die wenige Stunden nach dem Rennen erstmals öffentlich wurden, die Angelegenheit rückwirkend wieder über den Haufen warfen.
Neue Beweise? Russell: Irgendwann brauchen wir Entscheidungen
Auf diesen Fotos war zu sehen, wie Leclerc mit allen vier Reifen abseits der Strecke war. So eindeutig, wie es Russell vermutet hatte. "Oft ist es der Fall, dass Beweise später rauskommen", stellt er fest. Statt Wut zeigt er dennoch Verständnis. "Man könnte denken, dass mit der ganzen Technologie es einfacher würde, aber so klar ist es für die Stewards nicht. Du hast so viele Zwischenfälle, und du stehst unter Druck, für das Wohl des Rennens Entscheidungen schnell zu treffen."

"Du kannst im Fußball eine 50-50-Situation auch eine Stunde lang analysieren und zum perfekten Ergebnis kommen, aber so läuft das im Sport nicht, und das müssen wir denke ich manchmal akzeptieren", meint Realist Russell. "Dass es manchmal falsche Ausgänge gibt. Wir wollen das abmildern, aber du wirst nie alles absolut perfekt hinbekommen, und es scheint wohl immer so, dass es nachher einen neuen Winkel gibt, der etwas Neues zeigt."
"Du brauchst schnell Antworten, nicht nur für die Fahrer, auch für die Fans", erinnert sich Russell etwa an Kanada. Dort hatte Red Bull versucht ihn via Protest um einen Sieg zu bringen. Die Anhörung fand spätabends statt, danach musste Russell direkt aus dem Stewards-Büro zum Flughafen: "Ich war schon in New York und wusste nicht, ob ich den Sieg behalte."
Mehr Straf-Spielraum für mehr Action? Das geht Russell dann zu weit
Da Russell das Manöver sowieso für eigentlich unterhaltsam befunden hatte, hat er mit dieser ultimativen "Fehlentscheidung" kein Problem. Unter den Formel-1-Fahrern war das Manöver Zandvoort ist eine so überholfeindliche Strecke, dass es mutige Aktionen wie die von Leclerc braucht, um überhaupt Action zu erzeugen. "Anders geht es in Zandvoort nicht, eine Strafe dafür hätte ich gehasst", meint etwa Nico Hülkenberg.
Ein paar Fahrer wären dafür, je nach Umstand da also auch etwas mehr Spielraum zu akzeptieren. Russell wird es da aber etwas zu bunt: "Wo ist die Grenze? Er war einen halben Meter draußen. Soll man das akzeptieren, weil es spektakulär war? Oder einen Meter, oder 75 Zentimeter? Ich weiß, es ist schwierig, aber an einem Punkt muss es einen harten Schnitt geben. Damit klar ist, er war bei dem Manöver draußen."
"Hätte ich gewusst, dass das möglich ist, wäre ich selbst raus, um ihn noch weiter rauszudrängen, weil das mein Recht war", findet Russell. Sein Fazit zu Zandvoort also: Das Manöver war cool, und weil die den Stewards zur Verfügung stehenden Beweise unklar waren, ist ein Freispruch dann nur fair. Hätte es aber eine bessere Einstellung von Leclerc abseits der Strecke gegeben, dann wäre die Strafe gerechtfertigt. Egal, wie cool ein Manöver sein mag.



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