Da kann Teamchef Toto Wolff sich nur an den Kopf fassen. Zum zweiten Mal am Formel-1-Wochenende in Belgien bleibt Kimi Antonelli im ersten Qualifying-Segment hängen. Nachdem er den Sprint von ganz hinten startete und nur auf P17 beendete, reichte es im Grand-Prix-Qualifying lediglich für Platz 18. Das Rennen wird er aus der Boxengasse starten, da das Team Anpassungen an seinem W16 vornehmen wird.
George Russell hatte einen besseren Samstag als Freitag, als überragend kann die Leistung des Mercedes-Piloten aber auch nicht bezeichnet werden. Im Sprint kann er sich nur durch den Ausfall von Pierre Gasly um einen Platz auf P12 verbessern. Mit sieben Zehntelsekunden Rückstand auf Pole-Setter Lando Norris reiht sich Russell für den Großen Preis von Belgien auf dem sechsten Platz ein, hinter dem Williams von Alex Albon.
Kein Selbstvertrauen: Antonelli sucht das Licht am Ende des Tunnels
Für Kimi Antonelli ist es das schlechteste Qualifying-Ergebnis seiner noch jungen Karriere. Nach einem guten Start in sein Rookie-Jahr muss er seit dem Beginn der Europa-Saison immer wieder Rückschläge einstecken. Von den letzten sechs Rennen beendete er nur zwei, sein Podium in Kanada ist ein Ausreißer in einer sonst deprimierenden Statistik. Zum Vergleich: In den ersten sechs Rennen fuhr er insgesamt 48 WM-Punkte ein.
Die Schuld für den Performance-Abfall sieht Antonelli bei sich selbst: "Seit den Europa-Rennen habe ich gar kein Selbstvertrauen im Auto. Ich habe das Gefühl, dass ich mich rückwärts bewege und es ist für mich zurzeit schwer, das Auto richtig zu pushen." Sein Dreher im Sprint-Qualifying trug auch nichts zu einer Vertrauensverbesserung bei.
Das größte Problem sieht der 18-Jährige in seiner Fahrweise. "Wir kennen die Grenzen des Autos, aber die Art, wie ich fahre, macht das Problem nur schlimmer. Das gibt mir noch weniger Selbstvertrauen im Auto", beschrieb der Mercedes-Junior. Er selbst beschreibt seinen Stil als aggressiv, vor allem im Vergleich zu seinem Teamkollegen George Russell. Antonelli nimmt mehr Geschwindigkeit mit in die Kurven und braucht daher mehr Stabilität.
Etwas, das der W16 ihm nicht bietet. Er muss seine Fahrweise dem Mercedes-Boliden angleichen, was wiederrum zu weiteren Problemen führt: "Ich versuche zu sehr, mich anzupassen. Es ist oft gezwungen, ich fahre nicht natürlich. Das macht es sehr schwer."
Teamchef Toto Wolff weiß um das mangelnde Selbstvertrauen seines Schützlings. "Ich habe Kimi gesagt, was ich von ihm erwarte im Qualifying", verriet der Österreicher nach dem Sprintrennen gegenüber Sky. Die Vorgabe lautete ganz einfach: Schnell fahren.
"Wenn er sich in die Mauer legt mit dem Auto, dann gebe ich ihm 500 Euro bar, denn ich möchte auf jeden Fall, dass es kein Trauma zurücklässt. Er muss weiter Gas geben, er muss weiter alles auf die Strecke bringen, denn er ist zwei, drei Zehntel hinter George - das darf ihm im Kopf nicht hängen bleiben. So wie Monza letztes Jahr, auch gestern der Ausritt, das muss weg sein." Im GP-Qualifying wenige Stunden nach diesen Worten hatte Wolffs Anreiz noch keine positive Wirkung auf den jungen Italiener.

Mercedes spielt Abtrieb-Poker: Kommt George Russell nach vorne?
Im Qualifying-Vergleich sind es die langsamen Kurven, in denen Antonelli nicht mit seinem Teamkollegen mithalten kann. Vor allem die Kurvenkombination Les Combes und die harte Bergab-Rechtskurve Bruxelles machen den Unterschied zu Russell. Im internen Duell verliert Antonelli hier mehrere Zehntelsekunden.
Im Vergleich mit dem McLaren und dem Red Bull sieht der W16 nicht allzu konkurrenzfähig aus. Der Mercedes hat einen komplett anderen Kurvenausgang wie die Top-Boliden, wie in der untenstehenden Grafik am Beispiel von Les Combes dargestellt. Zwischen dem Sprint und dem Qualifying hat das Team aus Brackley einige Veränderungen am Auto vorgenommen.
Mercedes hat sich ein Beispiel an Red Bull und Haas genommen und Abtrieb für Topspeed eingetauscht. Das zeigte sich auch an den Qualifying-Zeiten von George Russell. Er stellte in Q3 die Bestzeit in den Vollgassektoren eins und drei auf, verlor im langsameren Mittelsektor aber fast eine Sekunde auf Lando Norris. Abgesehen von Monaco, wo Russell einen technischen Defekt hatte, ist es auch für ihn das schlechteste Grand-Prix-Qualifying des Jahres.
Dabei ist der sechste Platz kein schlechter für Russell. Letztes Jahr gewann er auf dem Circuit de Spa-Francorchamps von genau der gleichen Position aus. Gibt ihm das etwas Hoffnung? "Ja, ein bisschen", lachte der Brite und fügte hinzu: "Alles kann passieren. Aber ich glaube nicht, dass es morgen so ablaufen wird, wie letztes Jahr."
Vor allem, weil das Belgien-Rennen 2024 trocken war. Für morgen ist eine hohe Regenwahrscheinlichkeit vorhergesagt. Ein nasses Rennen wäre das Worst-Case-Szenario für den abtriebslosen Mercedes, im Regen ist Downforce nämlich das A und O. Doch das entstehende Schlechtwetter-Chaos könnte auch eine Chance für Mercedes sein, mit unterlegener Performance trotzdem nach vorne zu kommen. Es bleibt also abzuwarten.
Das Wetter ist aber nicht Russells größte Sorge. Er wundert sich eher über die fehlende Performance des W16. "Wir müssen verstehen, warum wir in den ersten sechs Rennen der Saison viermal auf dem Podium standen und in den letzten sechs Rennen nur einmal. Wir haben offensichtlich einen großen Schritt zurück in Richtung Mittelfeld gemacht", zeigte sich Russell besorgt.
Max Verstappen gewann den Belgien-Sprint vor den schnelleren McLaren. Wie ihm das gelang, könnt ihr hier lesen!



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