Heute sind es noch genau sieben Tage, bis die Formel 1 in Zandvoort in den ersten Grand Prix nach der Sommerpause startet. Motorsport-Magazin.com beendet also die Serie der Sommer-Fazits aller Teams. Natürlich mit Max Verstappen, Sergio Perez, mit Red Bull. Mit den WM-Führenden. Noch. Für den Herbst müssen sie sich warm anziehen.
Ziel vs. Realität:
Für Realisten wie Verstappen oder Teamchef Christian Horner war immer klar, dass 2023 mit den 21 von 22 möglichen Siegen, mit beiden Titeln und mit einer Doppelspitze in der Fahrer-WM, und natürlich mit zahlreichen Rekorden, nicht zu wiederholen sein würde. "Einhorn-Saison", nannte sie Horner nicht ohne Grund wiederholt. Trotzdem stand das Ziel außer Frage: Beide WM-Titel müssen zum dritten Mal in Serie nach Milton Keynes.
Trotz mahnender Worte wird der Weg steiniger als gedacht. Inzwischen ist der Vorsprung von Verstappen auf 78 Punkte, der in der Konstrukteurswertung auf gar 42 geschmolzen. Realistisch gesehen sollte er noch kleiner sein. McLaren ließ zu viel liegen. Auch mit dem RB20 klappt es nicht. Man wollte explizit das Fahrverhalten in langsamen Kurven und auf langsamen Strecken wie Stadtkursen verbessern. Ein Problem, welches das Konzept seit zwei Jahren plagt. Obwohl der RB20 beim Launch als aggressive Evolution tituliert worden war, hat das nicht funktioniert.
Entwicklung 2024:
Seit inzwischen über zwei Jahren muss Red Bull regelbedingt mit den kleinsten Aero-Entwicklungskapazitäten auskommen. Das macht die Lage immer komplizierter. Der Basis-RB20 war stark. Doch hier gilt es schon eine Mahnung einzubringen: Brutaler Hinterreifen-Verschleiß in Bahrain, schnelle Kurven in Saudi-Arabien und Japan - das liegt dem Konzept, und ließ es noch besser aussehen. Als das Update-Rennen begann und andere Streckentypen aufkamen, summierten sich die Probleme. Klar bestes Auto war der RB20 seit Miami nicht mehr. Seit Barcelona ist Verstappen sieglos. Erstmals seit 2020 verlor er vier Rennen am Stück.
Fünf Unterboden-Revisionen, zwei Frontflügel, zwei Seitenkästen brachten nur kleine Schritte. Die der Konkurrenz waren größer. "Nichts in unseren Werkzeugen sagt uns, dass wir es schlechter gemacht oder Ziele verpasst hätten", verneint Chefingenieur Paul Monaghan. "Heißt nicht, dass wir nicht noch einmal schauen können und gründlich nachdenken: Ist das Auto besser, oder haben wir es nur neu arrangiert, die gleiche Zeit bekommen und es etwas schwieriger gemacht?"
Mangels Puffer kann man die Probleme in langsamen Kurven und auf Kerbs und Bodenwellen nicht mehr kaschieren. Bei Verstappen staut sich darüber Frust an. Seit Monaco fordert er Fortschritte, die einfach nicht kommen wollen. Bei aktuellem Stand kann er die Fahrer-WM über die Linie retten. Der Vorsprung in der Konstrukteurs-WM reicht bei den aktuellen Leistungen jedoch nicht bis zum Schluss. Was allerdings auch am zweiten Fahrer liegt.
Red Bulls Höhenflug zu Saisonstart ein Trugschluss
Höhepunkt 2024: Perfektion in Bahrain
Wie bereits angerissen kamen die ersten Rennen dem RB20 entgegen. Wohl keines so sehr wie der Auftakt in Bahrain. Verstappen stellte das Auto auf Pole und gewann mit einem Boxenstopp Vorsprung. Sergio Perez machte es 22,457 Sekunden hinter ihm zum Doppelsieg. Hier hatte alles perfekt ineinandergegriffen. Auch die Setup-Findung von Freitag bis Sonntag lief herausragend. So groß war die Lücke danach nie wieder.
Tiefpunkt 2024: Schadensfall in Monaco
2023 stand an dieser Stelle in der Sommerpause gar nichts. 2024 gibt es sogar eine Auswahl. Monaco wird es werden. Keine andere Strecke exponierte die Schwächen des RB20 so deutlich. Verstappen, im Bestreben, das mit außerirdischen Fahrkünsten zu übertünchen, setzte mit einem seltenen Fehler seinen Q3-Versuch in die Wand. Da man in Monaco nicht überholen kann, hatte er die Chance auf mehr als P6 bei normalem Rennverlauf hier bereits beerdigt. Sergio Perez verzweifelte am schwer fahrbaren Auto komplett, blieb in Q1 hängen, und wurde am Start in die Leitplanke gedrängelt.
Max Verstappen und Sergio Perez: Differenz völlig ohne Verhältnis
Max Verstappen
WM: 1. Platz (277 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 1,84 (1. Platz)
Die Formel 1 wird 2024 wieder daran erinnert, wie Max Verstappen mit Wut im Bauch fährt. Schonungslose Manöver resultierten in Österreich (mit Lando Norris) und Ungarn (mit Lewis Hamilton) in Unfällen. Aber das war schon immer Teil des Verstappen-Pakets. Dass er weiterhin der beste Fahrer im Feld ist, scheint momentan nicht anzweifelbar. Selbst wenn er die letzten vier Rennen nicht gewonnen hat. Immerhin war die Pole in Spa versöhnlich, mit sechs Zehnteln Vorsprung. Ohne Motorstrafe wäre er wohl dem Feld um die Ohren gefahren.
Sergio Perez
WM: 7. Platz (131 Punkte)
Note im MSM-Ranking: 3,76 (18. Platz)
Wie im Vorjahr stürzte Sergio Perez im späten Frühjahr in eine nicht enden wollende Krise. Keinen einzigen Stich hat er gegen Verstappen bislang im Qualifying gemacht. So schlimm war es, dass das Team vor der Sommerpause seine Absetzung diskutierte, ihm dann aber doch eine Herbst-Chance gab. Grund dafür: Perez eröffnete das Jahr eigentlich den Erwartungen gemäß. Drei Zehntel hinter Verstappen. Podien. Das wird erwartet. Aktuell sind es aber fünf Zehntel, und kein Podium, seit Red Bulls Rückfall in Miami begann. Von wiederholten Abflügen im Qualifying gar nicht zu sprechen. Bei vier Top-Teams rächt sich das bis zu dem Punkt, wo er, der permanent am Ende einer acht Fahrer großen Spitzengruppe agiert, explizit als Grund hervorgehoben werden kann, wenn der Konstrukteurs-Titel verlorengeht. Als einziger der acht Top-Piloten ist er noch ohne Sieg.
Fazit und Ausblick:
Red Bulls Glück ist, dass sich kein glasklarer Herausforderer herausbilden mag. Wenn sich Perez im Herbst (auf ihm entgegenkommenden Kursen) erholt, kann man die Kontrolle wieder erlangen. Doch die Spirale dreht sich immer schneller. Der Spielraum ist weg, und damit kann die Lage genauso gut komplett kippen. Gute Argumente dagegen gibt es nicht mehr. Nicht nur Perez ist eine Gefahr. Auch die Update-Stagnation ist kein gutes Signal. So hat Verstappen mit dem Verbreiten der Alarmstimmung schon recht. So wird man nicht Weltmeister. Und wenn alle drei Konkurrenz-Teams zeitnah einen weiteren Schritt machen sollten, und Red Bull wieder nicht, dann muss so nicht einmal ein Max Verstappen Weltmeister werden.
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