Mit der Pole hatte Max Verstappen schon lange vor dem Qualifying in Monaco eigentlich abgeschlossen. Doch das Endergebnis ist deutlich schlimmer als das, was sich Red Bull erhofft hatte. Nicht nur, dass Verstappen zum ersten Mal in der aktuellen Saison der Formel 1 nicht auf einer GP-Pole steht - es wurde nur Startplatz sechs. Ausgerechnet in Monaco, ein mittleres Desaster. Unter dem Druck eines Hundertstel-Krimis baute ausgerechnet der sonst so Perfekte auf dem letzten Schuss einen Fehler.

Das ganze Qualifying über war schon abzusehen, dass das erklärte Ziel von Red Bull - Startplatz zwei neben dem haushohen Favoriten (und letztendlichen Polesetter) Charles Leclerc - eine haarige Angelegenheit werden würde. Zwar war der RB20 im ersten Sektor stark, doch ab Mirabeau, und besonders über die Kerbs der Hafenschikane, des Schwimmbads und schließlich durch Rascasse und raus auf die Zielgeraden bockte das Auto. Das zeigt auch der Vergleich mit Leclercs Pole-Runde.

"Man sieht es in Sektor zwei. Wir sind so schlecht, und du kannst keine Kerbs berühren, weil es das Auto zu sehr stört", ärgert sich ein sehr gesprächiger, und sehr frustrierter, Verstappen nach dem Qualifying. Er räumt ein, dass es sich hier nicht um etwas handelt, von dem das Team überrascht wurde. Erinnerungen an Singapur 2023 werden wach. Dadurch, dass die Konkurrenz heute näher dran ist, wurde nun eine fundamentale Schwäche des Red-Bull-Konzepts entblößt.

Verstappen zeigt auf Monaco-Pleite: Von Ferrari & McLaren bloßgestellt

Keine Aufhängungs-Abstimmung der Welt kann nämlich diese Probleme lösen. "Wir sind weicher, härter, alles gefahren, aber das Auto ist wie ein Gokart, wie Fahren ohne Aufhängung", erklärt Verstappen gegenüber Motorsport-Magazin.com. "Es hüpft, es absorbiert keine Kerbs, keine Bodenwellen, keine Unebenheiten. Es ist fast unglaublich, wie oft ich in der letzten Kurve fast in die Wand gehüpft bin."

Über seinen im TV übertragenen Funkspruch, dass Mirabeau und die Einfahrt in die Hafenschikane ein Problem sein, muss Verstappen schon fast lachen: "Die Kurven, in denen wir richtig beschissen sind, erwähnen wir nicht einmal mehr! Die kennen wir einfach, da fahren wir um die Probleme herum." Sergio Perez flog schon in Q1 raus, mehr dazu hier:

"Und das ist nichts Neues, das haben wir seit 2022", bestätigt Verstappen. "In den letzten paar Jahren hatten wir einen so großen Vorteil, der hat das maskiert, weil wir in den Kurven gewonnen haben, wo Kerbs und Bodenwellen keine so große Einschränkung darstellen. Aber jetzt, wo jeder aufholt, wenn du da deinen schwächsten Punkt nicht verbesserst, dann stellen sie dich bloß. Das ist uns dieses Wochenende passiert."

Verstappen landet in der Wand statt in der ersten Startreihe

So schließt sich der Kreis zu 2024. Der Red Bull war nur den Berg hoch bis zum Casino stark. Das ganze Qualifying lang war Verstappen in diesem Sektor der schnellste. Auch, weil er in der ersten Kurve Ste. Devote volles Risiko ging. "Das kann in Monte Carlo auch mal schiefgehen", akzeptiert Red Bulls Motorsport-Berater Dr. Helmut Marko nach dem Qualifying im ORF. Denn dort ist eine Bodenwelle, auf der bockte das Auto. Doch ein guter Ausgang aus Ste. Devote war essenziell, um den Vorteil rauf durch Massenet bis zum Casino auch wirklich nutzen zu können.

Red Bull-Fahrer Max Verstappen
Verstappen in Monaco am Limit, Foto: LAT Images

Auf dem ersten Q3-Versuch war Verstappen mit 18,255 Sekunden die schnellste Zeit im ersten Sektor gefahren, zwei Zehntel schneller als Leclerc und Oscar Piastri. Doch diese beiden nahmen ihm in den Sektoren zwei und drei gleich drei Zehntel wieder ab und verbannten ihn auf den dritten Platz. Mit über einer Zehntel Rückstand wusste Verstappen, dass er im letzten Versuch wirklich alles aus dem RB20 kitzeln musste, um die anvisierte erste Reihe zu schaffen.

Und diesmal schmierte ihm das Auto auf der Welle in Ste. Devote ab. Das Heck brach aus, am Ausgang touchierte er die Leitplanke. "Gottseidank nicht stark, das Auto wurde wohl nicht beschädigt", meint Marko. Aber stark genug, dass die Runde vorbei war, Verstappen abbrechen musste. Er selbst zuckt nur mit den Schultern, sieht alle Runden davor als gut an, bis auf die letzte: "Das Auto ist auf Messers Schneide. Ist halt so."

Verstappen warnt Red Bull: Müssen das Auto verstehen

"Startplatz sechs ist eine kräftige Ernüchterung", fasst Marko schließlich zusammen. Mit Platz zwei hätte man sich wenigstens hier im überholfeindlichen Fürstentum noch strategisch Hoffnungen auf den Sieg mit der zumindest passablen Rennpace machen können. Lädt der Red Bull Benzingewicht zu, beruhigt das die Balance. Jetzt ist das irrelevant, räumt Marko ein: "Da müssten schon außergewöhnliche Umstände eintreten. Wenn wir in die Nähe vom Podium kommen, wäre das schon sehr, sehr gut."

Wirklich ernüchternd ist außerdem die Tatsache, dass sich seit 2022 nichts bei Red Bull getan hat, um die Probleme mit Unebenheiten in den Griff zu bekommen. Man merkt Verstappen den Frust darüber nach dem Qualifying an. Eine schnelle Lösung des Problems mit Updates sieht er nicht: "Zuerst müssen wir es verstehen. Was wir ganz klar nicht tun."

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Mit den nach den letzten Updates erstarkten Konkurrenten von Ferrari und McLaren wird jetzt aber offensichtlich, dass man dieses Problem wohl etwas zu lange auf die lange Bank geschoben hat. "Wir werden hart arbeiten, um das Problem zu lokalisieren, und versuchen es loszuwerden", kündigt Verstappen trotzdem an. "Ich weiß nicht ob dieses Jahr, dann vielleicht nächstes Jahr."

Von einer Gefahr im Titelrennen will Verstappen noch nicht sprechen. Nicht überall sind Bodenwellen schließlich so kritisch: "Die Gesamtperformance ist immer noch okay. Wir wussten, das würde eines unserer schwierigsten Wochenenden werden. Zeigt auch, dass alle anderen aufholen. Mir ist nur bewusst, dass wir nicht perfekt sind."