S wie Startaufstellung
McLaren schaffte das erste Mal seit dem Saisonfinale 2012 das Kunststück und stellte in der Qualifikation zum Großen Preis von Ungarn beide Boliden in die erste Startreihe. Für Lando Norris ist es die dritte Pole Position seiner Formel-1-Karriere (nach Russland 2021 und Spanien 2024), die er in seinen nächsten Sieg verwandeln will. Dahingegen startet Max Verstappen zum zweiten Mal in Folge aus der zweiten Reihe ins Rennen. Neben ihm steht Carlos Sainz auf P4 als bestplatzierter Ferrari-Pilot.
Wenn man den Statistiken Glauben schenken mag, haben die Fahrer, die nicht aus den ersten beiden Startreihen starten, kaum eine Chance auf den Sieg. Denn nur vier Mal konnte das Rennen auf dem Hungaroring, auf dem die Formel 1 seit 1986 fährt, von einem weiter hinten startenden Fahrer gewonnen werden. Trotzdem lechzt auch Lewis Hamilton von P5 aus nach dem Sieg. Er ist mit acht Siegen der erfolgreichste Fahrer auf dieser Strecke und könnte mit einem neunten Triumph seinen eigenen Rekord der meisten Siege auf einer Strecke, den er erst am vergangenen Rennwochenende in Silverstone aufstellte, einstellen.
Direkt neben Hamilton startet sein zukünftiger Ferrari-Kollege Charles Leclerc. Startreihe vier besetzen die beiden Aston Martins, Startreihe fünf die beiden Racing Bulls. Weil Sergio Perez (P16) und George Russell (P17) im Qualifying schon frühzeitig rausflogen und out of position starten, gab es in Q3 mehr freie Plätze für die Mittelfeld-Teams. Die Konstrukteurs-Fünften und Konstrukteurs-Sechsten werden sich also heute in Budapest um den Titel 'Best of the Rest' und die wertvollen WM-Pünktchen in den hinteren Top-10 duellieren.
Nicht in diesem Kampf dabei sind die Alpine-Piloten Esteban Ocon und Pierre Gasly. Nachdem die Performance des französischen Rennstalls zuletzt ein klein wenig besser aussah, scheinen sie in Ungarn bei der Wettbewerbsfähigkeit ihres Boliden einen Rückfall verzeichnen zu müssen. Zusätzlich traf Alpine im Qualifying eine kolossale Fehlentscheidung, was ihnen die rote Laterne im Grid bescherte.
S wie Start
Der Hungaroring wird oftmals als zweites Monaco bezeichnet. Nicht nur, weil die Durchschnittsgeschwindigkeit ähnlich gering ist, sondern auch weil Überholmöglichkeiten rar sind. Die beste Möglichkeit für Perez und Russell, sich im Feld schnell nach vorne zu arbeiten, bietet deshalb ein guter Start. 427 Meter lang ist der Weg von der ersten Startbox bis zur ersten Bremszone. Hier ist entschlossene Attacke gefragt. Weiter kann in der zweiten Kurve sowohl innen als auch außen attackiert werden, da es mehrere mögliche Fahrlinien gibt.
Für die Frontstarter Norris und Piastri wird es essenziell sein, mit dem gewonnenen Selbstvertrauensschub die erste Runde auf den Positionen 1 und 2 zu überstehen und die Bedrohungen von hinten abzuwehren.
S wie Sommerhitze
Der Ungarn GP ist ein echter Sommerklassiker und bekannt für die heißen Temperaturen. Diese brachten die Königsklasse am Trainingsfreitag bereits ins Schwitzen. Über 30°C Lufttemperatur, die Asphalttemperatur kletterte zwischendurch auf bis zu 60°C. Nur zwei Mal wurde in den letzten 13 Jahren eine höhere Streckentemperatur gemessen.
Dahingegen servierte das Wetter am Qualifying-Tag den Formel-1-Teams ganz andere Bedingungen. Im 3. Freien Training waren die Temperaturen schon um einiges niedriger als am Vortag. Die Strecke hatte sich um etwa 20°C abgekühlt. Kurz vor dem Beginn des Qualifyings setzte dann sogar Regen ein. Heute kehrt die Hitze allerdings auf den Hungaroring zurück. Es soll trocken bleiben und es sind wieder Temperaturen von bis zu 30°C gemeldet. Laut der Pirelli-Prognosen könnte die Streckentemperatur die 50°C-Marke durchaus wieder überschreiten.
Die Teams sind also eher mit Bedingungen, die vergleichbar zum Freitag sind, konfrontiert, was einigen zu schaffen machen wird. Wenngleich die Trainings von den meisten ausgiebig dafür genutzt wurden, das Verhalten der verschiedenen Reifenmischungen in der extremen Hitze zu beobachten, könnte die Thematik der Reifenüberhitzung zum zentralen Faktor werden, den alle im Blick behalten müssen. Denn auf dem flirrend-heißen Asphalt bauen die Reifen schneller ab und ausgeklügelte Strategien könnten möglicherweise nicht aufgehen.
S wie Strategie
Apropos Strategie - die ist auf dem Hungaroring von entscheidender Bedeutung. Wenn schon Überholen nahezu unmöglich ist, dann müssen die Rennen an der Boxenmauer entschieden werden. Somit ist das Ungarn-Rennen seit jeher ein Strategisches. Pirelli-Motorsportchef Mario Isola gibt für heute eine Zwei-Stopp-Rennstrategie als klaren Favorit aus: "Auf dem Papier ist es die schnellste Option, mit der Medium-Mischung zu starten und dann die harte Mischung zu verwenden."
Der Formel-1-Kurs in Budapest beansprucht die Reifen nicht zu sehr, weshalb der Reifenhersteller wie schon im letzten Jahr die drei weichsten Mischungen gewählt hat: C3 als Hard, C4 als Medium und C5 als Soft. Der Einsatz der weichen C5-Reifenmischung ist bei der erwarteten Hitzeschlacht in den regulären Rennstrategien aber nahezu ausgeschlossen.
Eine Schlüsselrolle bei den taktischen Entscheidungen der Teams könnte aber die Anzahl der noch verfügbaren Medium- und Hard-Sätze spielen. McLaren, Red Bull und Ferrari haben nur einmal die harte und zweimal die mittlere Reifenmischung zur Verfügung. Aston Martin hat sogar von beiden nur noch einen Satz. Alle anderen Teams haben mindestens zwei Sätze Hard und einen Satz Medium.
Nachdem sich Red Bull am Freitag noch zwei Sätze harte Reifen aufsparte, während McLaren alle harten Reifensätze bis auf einen verbrauchte, glaubten viele, das Weltmeister-Team wolle sich abweichende Strategie-Optionen offenhalten. Den Satz, den sie sich am Freitag aufsparten, benutzte Verstappen allerdings in FP3. Somit hat er strategisch dieselben Voraussetzungen wie die beiden McLaren-Fahrer. Dennoch sieht sich Red Bull aufgrund ihrer vielversprechenden Long-Runs mit minimalem Reifenverschleiß im Renntrimm im Vorteil.
S wie Stabilität
Die Streckencharakteristik des Hungarorings lässt sich am besten als kurvenreich und technisch anspruchsvoll beschreiben. Es gibt insgesamt 14 Kurven, davon 6 Links- und 8 Rechtskurven. Der Mix aus schnelleren und langsameren Kurven sowie mehreren 180°-Kurven erfordert ein stabiles Fahrzeug, das an den Kurveneingängen und Kurvenausgängen ausbalanciert ist.
In puncto Balance besteht vor allem für Hamilton die Krux: "Ich habe dieses Wochenende mit dem Auto gekämpft. Es war sehr, sehr schwierig, eine Balance zu finden. Ich glaube, es liegt an der Art des Autos, das sich mehr denn je auf Messers Schneide befindet." Die fehlende Balance im Auto bereitet dem Mercedes-Pilot in dieser Saison regelmäßig Schwierigkeiten auf einer schnellen Runde im Qualifying. Verstappen beschwerte sich gleichfalls über die Instabilität und Unberechenbarkeit seines Rennwagens. Anders scheint es bei McLaren auszusehen. Liegt darin der Schlüssel zum Sieg für die Truppe aus Woking?
S wie Schande wiedergutmachen
Für ein paar Piloten lief die Qualifikation ganz und gar nicht nach ihrem Geschmack. Gleich zwei Top-Team-Fahrer gehen von weit hinten ins Rennen. Perez startet nach seinem Crash in Q1 von Platz 16. Mit Russell machte Mercedes im Q1 gleich zwei Fehleinschätzungen, die ihm am Ende Startplatz 17 einbrachten. Yuki Tsunoda flog schließlich in Q3 ab und verursachte seinem Team jede Menge Arbeit damit, die Fahrzeugschäden bis zum Rennen zu reparieren.
Wie sie es wiedergutmachen können? Mit einem sauberen Rennen, in dem sie möglichst viele Punkte für ihre Teams eintüten. Besonders brisant wird es für Perez, dessen Zukunft aufgrund seines nun schon länger andauernden Formtiefs zunehmend lauter infrage gestellt wird. Von Perez, Russell und Tsunoda ist also ein kämpferisches Rennen zu erwarten, mit dem sie ihre Fehltritte von gestern ausbügeln können.
S wie Sieger
Aber wer ist nun der Favorit auf den Sieg? Oder anders gefragt: Wer ist schneller? McLaren oder Red Bull? Verstappen will keine falschen Hoffnungen machen und sieht sich nicht als Favorit auf den Sieg. Anders seine Chefs Christian Horner und Dr. Helmut Marko, die aufgrund der Long-Run-Daten aus den Trainings optimistisch sind.
Ein entscheidender Pluspunkt auf der Seite der Papayafarbenen im strategischen Ungarn-Rennen: Sie haben zwei Eisen im Feuer, wogegen Verstappen alleine ankämpfen muss. Für McLaren - den Spitzenreiter unter den Konstrukteuren, was die meisten Siege auf dem Hungaroring angeht - scheint der zwölfte Ungarn-Triumph also in greifbarer Nähe zu sein. Doch der Weg dahin ist lang: Ein schneller Start, gutes Reifenmanagement in der ungarischen Hitze, richtige strategische Entscheidungen, ein passendes Setup für ein ausbalanciertes Auto - alle Faktoren müssen stimmen, um beim Großen Preis von Ungarn dem Sieg entgegenzufahren.
McLaren-Doppelpole und zwei rote Flaggen - die Brennpunkte des Qualifying-Tages fasst Christian im Video zusammen:
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