Jeder Formel-1-Fan muss heute in Barcelona realistisch sein, und eingestehen: Max Verstappen geht als haushoher Favorit in dieses Rennen. Er steht ganz vorne in der Startaufstellung, hat mehrere Zehntel an Pace-Vorteil in der Hand, eigentlich kann nichts schiefgehen. Aber wir wissen alle - so glatt muss das in der Formel 1 nie laufen. Und so oder so geht es hinter Verstappen heute im Spanien-GP 2023 rund. Die Schlüsselfaktoren zählen auf.

1. - S wie Startaufstellung

Verstappen. Pole. Abgehakt. Aber was war im Qualifying eigentlich überhaupt los? Sieben Teams auf den ersten sieben Plätzen, das sagt schon viel über die Leistungsdichte aus, die die Formel 1 heute in Barcelona erwartet. Carlos Sainz setzte sich in einem Hundertstelkrimi knapp gegen einen überraschend starken McLaren von Lando Norris durch.

Lewis Hamilton komplettiert die zweite Startreihe, dahinter stehen Lance Stroll und Esteban Ocon. Nico Hülkenberg macht das Gemisch auf dem siebten Platz perfekt. Tatsächlich ist Fernando Alonso im Aston Martin der erste zweite Fahrer eines Teams, nachdem er sich bei einem Ausritt in Q1 den Unterboden kaputt fuhr und dann seine letzte Chance auf die erste Startreihe mit einem Fehler in Q3 verspielte.

Mit Oscar Piastri startet auch der zweite McLaren aus den Top-10. Dann folgen Problemkinder: Pierre Gasly hielt gleich zwei Fahrer im Qualifying auf und kassierte sechs Strafplätze. Sergio Perez fand sich im Regen nicht zurecht und landete nach einem üblen Fehler nur auf Platz elf. George Russell kämpfte gegen sein Setup und gegen massives Bouncing. Ob das im Rennen besser wird, bleibt abzuwarten.

Dann muss man weiterscrollen, um noch einen Ferrari zu finden. Vorbei an Guanyu Zhou, Nyck de Vries, Yuki Tsunoda, Valtteri Bottas, Kevin Magnussen und Alex Albon. Dann Charles Leclerc auf enttäuschendem P19. Ein Ergebnis, dass sich der Ferrari-Pilot selbst nicht erklären konnte. Auch die Ingenieure wissen es nicht, erst am Sonntagmorgen dürfen sie unter Parc fermé untersuchen. Nur Logan Sargeant steht weiter hinten.

2. - S wie Start

Bei so einem Gemisch wird der Start heute in Barcelona ein Handgemenge. 613 Meter sind es bis zur ersten Kurve, und die ist eine Links-Rechts-Kombination, gefolgt von einer langen Rechtskurve. Damit gehört der Circuit de Barcelona-Catalunya zu einer der Strecken, die meistens einen besonders turbulenten Start nach sich ziehen.

Zuerst einmal ist der Weg so lang, dass ein guter Start und Windschatten einen signifikanten Unterschied machen können. Daher rechnet Pirelli auch damit, dass viele Teams das Rennen trotz hohem Reifenverschleiß auf dem Soft-Reifen beginnen werden, um möglichst gute Performance von der Linie weg zu haben.

Die erste Kurve in Barcelona kann rennentscheidend sein, Foto: LAT Images
Die erste Kurve in Barcelona kann rennentscheidend sein, Foto: LAT Images

Der Soft macht es außerdem leichter, in den Kurven danach dagegenzuhalten. Wer sein Auto gut platziert, kann auch mit Schwung außen in Kurve drei Plätze gewinnen. Andererseits lädt das Layout dazu ein, den Konkurrenten schon in der ersten Kurve rauszudrücken. Und schließlich verleitet Barcelona zur Aggression, denn die Strecke ist als überholfeindlich verschrien, und vorne sind Fahrer wie Norris und Hülkenberg, deren Rennpace anzuzweifeln ist. Niemand will in einem DRS-Zug steckenbleiben.

3. - S wie Schikane endlich weg

2023 hat Barcelona die unliebsame Schikane am Ende der Runde wieder entfernt. Zum ersten Mal seit 2006 wird der letzte Sektor damit zu einem Highspeed-Sektor. Die letzte Kurve ist so eine Herausforderung. Nicht einmal im Qualifying war sie mit Vollgas zu durchfahren. Eine Bodenwelle provoziert dort außerdem Bouncing des Autos.

Spaß macht den Fahrern die Passage. Ob sie dem Überholen zuträglich sein wird, daran scheiden sich die Geister. In der Vergangenheit war bot Kurve eins noch die beste Überholgelegenheit. Die einen meinen, es würde dem Racing helfen, weil die Stop-und-Go-Natur der Schikane jetzt verschwunden ist.

Die anderen mahnen vor der verwirbelten Luft, die das Hinterherfahren schwieriger machen könnte. Jedenfalls könnte die Passage jetzt mehr Fehler provozieren. Bei starkem Reifenverschleiß könnte das einem Hintermann mit besserem Grip entgegenkommen.

4. - S wie Strategie

Reifenverschleiß wird in Barcelona heute eine besondere Schlüsselrolle einnehmen. Die Strecke war schon immer anspruchsvoll, Pirelli hat auch mit C1, C2 und C3 eine sehr harte Palette hierhergebracht. Die Highspeed-Kurven nehmen bei dem neuen letzten Sektor nun besonders die linken Reifen hart ran. Von Freitag auf Samstag erhöhte Pirelli auch die Mindest-Reifendrücke vorne von 23 auf 24 psi.

Besonders der linke Vorderreifen muss einstecken. Im Vorjahr verwandelte sich das Rennen sogar zu einer Dreistopp. Mit dem 2023 neuen C1-Reifen ist Pirelli zuversichtlich, dass es ein Zweistopp-Rennen wird. Der Reifen bewährte sich in Bahrain bereits. Die meisten Teams haben am Freitag zwei Sätze des hier als Hard deklarierten C1-Reifen gespart. Pirellis Empfehlung: Start auf Soft, dann zwei Stints auf Hard.

5. - S wie Spanische Helden

Die Stimmung ist in Barcelona 2023 bislang spektakulär. Mit Fernando Alonso und Carlos Sainz sind schließlich zwei Spanier vorne dabei. Sainz startet sogar aus der ersten Reihe. Nachdem er sich im Vorjahr früh im Rennen einen Fehler leistete, hat er etwas gutzumachen. Mit Norris hinter ihm hat er auch einen potenziellen Puffer, um sich früh im Rennen am zweiten Platz zu etablieren.

Fernando Alonso hätte diesen Platz gerne, und der Aston Martin AMR23 hat hier wie immer gute Rennpace, doch nach dem Unterbodenschaden vom Qualifying steht er wohl zu weit hinten. An einem Podium hat er Zweifel. Außerdem fürchten Alonso und Sainz den dritten spanischsprechenden Piloten im Feld, den Mexikaner Sergio Perez. Der sollte dank des überlegenen Red Bull nach vorne kommen können und ist ein Podiumskandidat.

6. - S wie Sommergewitter

Der Sommer hat in Spanien begonnen. Die Wetterlage bleibt in Barcelona unsicher. Am Samstag zog ein Gewittersturm knapp an der Strecke vorbei, am Sonntag orten die Wetterdienste teils in den Stunden vor dem Start bis zu 60 Prozent Regenwahrscheinlichkeit, die erst nach 15:00 Uhr abfällt.

Auf Regen verlassen sollte man sich nicht. Und auch nicht darauf, dass Wetter den Kampf um den Sieg durcheinanderbringt. Red Bull ist mehr als zuversichtlich, dass Verstappen nicht nur im Trockenen, sondern auch im Nassen den 19 anderen überlegen sein würde.

7. - S wie Sieger

Und damit lässt sich letztendlich die Frage nach dem Sieger recht einfach beantworten. Wenn Verstappen ohne gravierende Probleme durch das Rennen kommt, ist er heute der einzige echte Anwärter auf den Sieg. Jeder Fahrer und jeder Teamchef klang am Samstagabend bereits so, als ob er bereit wäre, Verstappen zum Sieg zu gratulieren.

Im Kampf um den zweiten "Sieg" - sprich zweiten Platz - könnte es eng werden. Mercedes und Aston Martin fühlen sich stark, aber der stärkere Aston Martin - Alonso - steht unangenehm weit hinten. Ferrari sah am Freitag besser aus als sonst, aber das neue Update-Paket am SF-23 hat noch kein einziges Rennen hinter sich. Bei Alpine steht ein kleines Fragezeichen, bei McLaren und Haas sind es schon große. Lando Norris glaubt nicht, dass er die Rennpace hat, um vorne mitzuhalten. Das ganze Rennen der Formel 1 heute in Barcelona gibt es hier im Liveticker.

Formel 1 Barcelona 2023: Der Zeitplan

15:00 Uhr: Rennen (LIVE: Sky, Sky.de, Sky Youtube-Kanal, F1 TV Pro, ORF 1, SRF2)
19:00 Uhr - 20:00 Uhr: Highlights (Sport1)

Alle Infos zu den TV-Übertragungen zur Formel 1 von Sky, ORF und Co. gibt es hier im kompletten TV-Zeitplan