Zum ersten Mal seit 2016 sucht die Formel 1 wieder neue Teams. Zwei Startplätze für Neueinsteiger ab 2025 wurden vom internationalen Automobil-Verband FIA ausgeschrieben. Der 30. April ist die erste kritische Deadline. Bis dorthin muss jeder Interessent eine komplette Einreichung bei der FIA deponiert haben.

Klarheit gibt es aktuell jedoch sehr wenig. Zahlreiche Gerüchte schwirren umher. Sowohl was die Bewerber, als auch was F1-Management und Teams betrifft. Motorsport-Magazin.com fasst den letzten Stand zusammen: Interessenten, aber auch Hürden, die nach wie vor nicht ausgeräumt sind. Werden den Neulingen gar weitere Millionen abverlangt?

Andretti, Hitech & Co.: Wer sind die Interessenten?

Öffentlich halten sich viele trotz nahender Deadline bedeckt. "Es gibt so viele Teams, die kommen wollen, manche sind lauter, andere viel leiser", ließ F1-CEO Stefano Domenicali vor ein paar Tagen durchblicken. Drei bis vier Bewerber sollen es am Ende wohl sein, vermutete McLaren-Teamchef Zak Brown am letzten Wochenende gegenüber 'AP'. Besonders laut war bislang nur einer: Michael Andretti.

Der Amerikaner mit erfolgreichen Teams in zahlreichen anderen Rennserien verkündete zu Jahresbeginn schon bei einer Pressekonferenz lautstark die Unterstützung von GM-Tochter Cadillac. Eine Fabrik für 200 Millionen US-Dollar baut er, weitere finanzielle Unterstützer will er haben. Er führt auch sonst seriöse Rennteams.

Ein in Großbritannien gestartetes Projekt rund um Ex-Renault-Cheftechniker Nick Chester wird mit Andretti in Verbindung gebracht. Schon lange halten sich Gerüchte, wonach Renault als Motorenpartner bereitsteht und das Test-Team dort den Windkanal nutzen wird.

Andrettis Mitbewerber sind weniger laut. F1-Veteran Craig Pollock, einst Teamchef des BAR-Projektes aus den 2000ern, ließ bei seinem Projekt "Formula Equal" durchblicken, dass er zumindest eine Absichtserklärung eingereicht hatte. Sein finanzieller Background soll aus den Golfstaaten kommen. Sein Druckpunkt ist das Versprechen, das Team mit einer 50-50-Aufteilung aus Frauen und Männern zu führen.

Konzept-Material von Formula Equal, Foto: Formula Equal
Konzept-Material von Formula Equal, Foto: Formula Equal

Immer wieder fällt weiters der Name Hitech aus den Nachwuchs-Klassen. Ein Projektteam, genannt "H26", unter der Führung des erfahrenen F1-Ingenieurs Dave Greenwood soll im Mercedes-Windkanal zugange sein.

Die Gruppe 'Panthera Team Asia' bekundet schließlich noch seit Jahren periodisch Interesse und versucht Mittel aufzutreiben. Vor kurzem kommentierte außerdem der Hongkonger Milliardär Calvin Lo, auch schon einmal Williams-Teilhaber, gegenüber 'Reuters' sein Interesse, sich irgendwo einzubringen: "Momentan gibt es ein paar Chancen. Wir führen relativ ernste Gespräche mit ein paar Teams."

Was braucht es für einen Formel-1-Einstieg?

Die Kandidaten stehen jetzt vor mehreren Hürden. Offiziell gibt es zuerst einen Vorgabenkatalog der FIA. Es gilt nachzuweisen, dass man finanzielle Mittel, Ressourcen, Personal und Erfahrung zur Verfügung hat. Nicht zuletzt deshalb kursieren wohl schon Gerüchte über angestellte Leute, Windkanal-Tests und Fabriken. Damit zeigen sie, dass sie fähig und bereit sind.

Selbst mit Budget-Grenze ist die Formel 1 aber kein billiges Unterfangen. Ein fünfjähriger Businessplan muss vorgelegt werden, um die Fähigkeiten zu untermauern. Das Startkapital mutet gigantisch an. Erfahrene Teamchefs wie Toto Wolff rechneten zuletzt vor, dass unter dem Strich wohl eine Milliarde nötig sein dürfte.

200 Millionen Dollar davon gehen für die sogenannte "Anti-Verwässerungs-Gebühr" drauf. Gerne vereinfacht als "Startgebühr" bezeichnet, muss diese an das F1-Management entrichtet werden. Über die folgenden zwei Jahre wird sie auf die zehn etablierten Teams aufgeteilt. 200 Millionen sind aber ein anhaltender Streitpunkt. Denn in den Augen der Teams ist das nicht viel Geld.

Warum gibt es noch immer Widerstand der Formel-1-Teams?

Bis auf Zak Brown - McLaren-Teamchef, Freund und Geschäftspartner von Michael Andretti - und Renault/Alpine äußerte sich kein etabliertes Team positiv über eine Erweiterung des Feldes. Die Etablierten sind die Treiber hinter der Idee, dass die 200-Millionen-Gebühr angehoben werden muss.

Zak Brown ist bezüglich neuer Teams einer der wenigen Aufgeschlossenen, Foto: LAT Images
Zak Brown ist bezüglich neuer Teams einer der wenigen Aufgeschlossenen, Foto: LAT Images

Das Problem ist eigentlich simpel. Die Gebühr soll die kurzfristigen Verluste (anders formuliert "Verwässerung des Preisgeldes") der Etablierten abfedern. Jedes Team erhält jährlich einen Anteil an den Gewinnen der Formel 1. Einfache Mathematik diktiert, dass zwei neue Teams folglich für mehr als 20 Prozent Gewinn-Zuwachs sorgen müssen. Sonst rentiert sich die Aktion nicht. Zur Überbrückung werden den Alten die 200 Millionen zugeschossen.

Die Teams kämpfen mit weiteren wirtschaftlichen Argumenten für eine signifikante Anhebung der Gebühr. Die 200 Millionen wurden 2020 festgelegt. "Zu dem Zeitpunkt konnte niemand erwarten, wie stark das Geschäft anziehen würde", räumt auch F1-CEO Stefano Domenicali das Problem ein. Damals wurde Williams um grob 170 Millionen Dollar verkauft. Im Jahr darauf bezogen sich Sauber-Verkaufsgerüchte schon auf 350 Millionen.

Und heute? Der F1-Boom scheint keine Grenzen zu kennen. "Wenn diese Lizenzen nicht heute schon Milliarden wert sind, dann werden sie es in nicht allzu ferner Zukunft sein", beziffert McLarens Sportchef Zak Brown den Wert einer Startlizenz. Die Teams glauben, es sei nur fair, daher die finanzielle Hürde anzuheben. Ein F1-Team zu gründen ist bei diesem Boom als Investment zu sehen.

Wo steht das Formel-1-Management selbst?

Das ganze wird einmal mehr, typisch Formel 1, zu einer politischen Debatte. Die Parteien haben unterschiedlichen Einfluss. Die Teams mögen zwar Druck ausüben, haben aber kein echtes Mitspracherecht, was Neueinsteiger angeht. Deren Prüfung liegt eigentlich bei den Regelhütern, also bei der FIA. Diese hat aber versprochen, den kommerziellen Rechteinhaber der Formel 1, also Liberty Media und das Team rund um Stefano Domenicali, eng mit einzubeziehen.

Stefano Domenicali will eine harte Prüfung der Neulinge, Foto: Formula 1 Las Vegas Grand Prix
Stefano Domenicali will eine harte Prüfung der Neulinge, Foto: Formula 1 Las Vegas Grand Prix

Nicht zuletzt, weil Liberty für alle kommerziellen Verträge zuständig ist. Auch hier droht man Geld zu verlieren, wenn die Neulinge den Gewinn nicht steigern. "Es ist unsere Pflicht sicherzustellen, dass wir unser Geschäft so gut wie möglich schützen und auf das große Ganze schauen", so Domenicali bei der Investoren-Konferenz von Liberty in der vorangegangenen Woche.

FIA und Formel 1 haben alle Kriterien auch deshalb bisher unter Vorbehalt definiert. "Die Evaluierung muss zusammen geschehen, und von der technischen Perspektive, der sportlichen und der finanziellen erfolgen", stellt Domenicali klar. Der Weg für die Neueinsteiger wird kein leichter.

Formel 1 WM-Stand 2023: Die Team-Tabelle

  • 1. Red Bull (123 Punkte)
  • 2. Aston Martin (65 Punkte)
  • 3. Mercedes (56 Punkte)
  • 4. Ferrari (26 Punkte)
  • 5. McLaren (12 Punkte)
  • 6. Alpine (8 Punkte)
  • 7. Haas (7 Punkt)
  • 8. Alfa Romeo (6 Punkte)
  • 9. AlphaTauri (1 Punkt)
  • 10. Williams (1 Punkt)