Die Diskussionen um neue Formel-1-Teams ziehen sich seit Monaten. Auch wenn die meisten Teambosse offiziell die Aufnahme neuer Mannschaften begrüßen, legten sie sich bisher gegenüber konkreten Einstiegskandidaten quer mit dem Argument, dass jeder Neueinsteiger einen Mehrwert für die gesamte Königsklasse bieten muss.

Neben Andretti erschienen in den letzten Wochen und Monaten noch weitere potenzielle Mannschaften auf dem Parkett, die in die Formel 1 einsteigen wollen. Teilweise begannen sie schon damit, Personal anzuwerben. Das gibt ihnen die Möglichkeit, langsam ein Team aufzubauen und schon erste technische Entwicklungsschritte in Richtung der Formel 1 zu unternehmen.

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Ein offiziell noch nicht benannten 'Top Tier Motorsport Team' in England, bei dem es sich unbestätigten Gerüchten zufolge um die Formel-1-Abteilung von Andretti handeln könnte, warb bereits mehrere namhafte Ingenieure an. Darunter mit Ex-Renault- und Ex-Mercedes-Mann Jon Tomlinson einen Chef-Aerodynamiker, der in dieser Funktion bereits aktiv nach Motorsport-Ingenieuren mit Aerodynamik-Fokus suchte.

In Zeiten der aerodynamischen Test-Beschränkungen (ATR) ein delikates Thema. Denn sowohl der Einsatz von Simulations-Tools als auch die Zeit im Windkanal ist in der Formel 1 stark reguliert. Diese Limitierungen gelten allerdings nur für bestehende Teams, sowie für Mannschaften, die gerade erst der Königsklasse beitraten.

Aerodynamik-Entwicklung: Keine Regeln für Formel-1-Bewerber?

Kandidaten, die sich um einen Einstieg in die Formel 1 bewerben oder die noch auf eine offizielle Zulassung für die Königsklasse warten, werden in den entsprechenden Regel-Passagen des sportlichen Reglements, in denen die ATRs behandelt werden, nicht erwähnt. Es wird nur festgelegt, dass 'neue Teams', also Mannschaften, die im Vorjahr noch nicht an den Start gingen und dementsprechend nicht in der Konstrukteurs-WM aufschienen, mit demselben Koeffizienten behandelt werden wie das zehntplatzierte Team der Meisterschaft.

Der früheste Zeitpunkt, an dem Neueinsteiger im ATR-Reglement erfasst werden, ist erst nach der offiziellen Zulassung als 'Competitor', also als neuer Rennstall. Dann müssen Teams nämlich innerhalb einer Woche die Nominierung durchführen, welchen Windkanal sie nutzen.

Einige Teams sollen aber jetzt schon im Windkanal zugange sein. Die Hitech-Truppe rund um Oliver Oakes, benutzt den ehemaligen Mercedes-Windkanal. Gleichzeitig gibt es Gerüchte, dass Andretti den Windkanal von Alpine verwendet. Die Renault-Marke ist eng mit Andretti-Cadillac vernetzt, falls das US-Team in die Formel 1 einsteigt, soll es mit Power Units aus Viry-Chatillon beliefert werden.

Regellücke? Formel-1-Teamchefs geben sich zurückhaltend

Vor einem Formel-1-Einstieg greifen noch keine Test-Beschränkungen und erst recht nicht zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem noch vollkommen unklar ist, ob es überhaupt Neuzugänge geben wird oder wer die neuen Teams sein könnten. Dadurch stehen den Einstiegsanwärtern sowohl Windkanäle als auch CFD-Tools unbegrenzt zur Verfügung.

Eine Regellücke, die ein neuer Rennstall mit genügend Vorlaufzeit ausnutzen kann? Im Rahmen des Australien-GPs wurden mehrere Teambosse zu diesem Thema befragt. Haas-Teamchef Günther Steiner hielt bei seiner Antwort zurück. "Ich habe keine Meinung dazu. Denn laut den Regeln ist es ihnen erlaubt, das zu tun", sagte er und betonte anschließend, dass es sich im Moment nur um Gerüchte handle.

Er sieht aber keinen Handlungsbedarf gegen die vermeintliche Regellücke. "Wie willst du jemanden, der nicht in der Formel 1 ist, davon abhalten etwas zu tun? Das liegt außerhalb des Bereiches von dem, was wir fordern können", ergänzte der Südtiroler. Alpine-Teamchef Otmar Szafnauer spielte den Ball an die FIA weiter: "Es ist für mich schwer das zu kommentieren, da ich nicht weiß, was für die potenziellen Neueinsteiger möglich ist. Aber ich vertraue der FIA, dass sie in diesem Prozess für Neueinsteiger die Regeln im Blick haben, was sie aerodynamisch tun dürfen und was nicht."

Formel 1: Wohin gehen die Informationen?

Ein zweiter Aspekt ist, dass die Neueinsteiger in Ermangelung eigener Aerodynamik-Testanlagen Windkanäle bestehender Teams nutzen. Indirekt könnten dadurch erlangte technische Informationen zu einem bestehenden Formel-1-Team gelangen, dem der Windkanal gehört. Steiner gab sich auch bei diesem Thema wenig besorgt: "Die FIA hat ein wachsames Auge darauf, deshalb mache ich mir da nicht zu viele Sorgen."

"Wir hören die Gerüchte und die FIA hört auch die Gerüchte und ich bin mir sicher, dass sie es jetzt erst recht überprüfen", sagte er weiter. Die direkte Weitergabe von Informationen aus dem Windtunnel von Drittparteien an Formel-1-Teams ist im betreffenden Anhang des Sportlichen Reglement geregelt und faktisch verboten.

Demnach unterliegen derartige Informationen denselben Beschränkungen, als ob die Tests vom Team selbst durchgeführt worden wären. In der Formel 1 ist es Gang und Gäbe, dass Windkanäle von mehreren Teams genutzt werden. Aston Martin benutzt beispielsweise bis zur Fertigstellung seines eigenen Windtunnels jenen von Mercedes.

Die FIA kann über Videoaufnahmen, welche Tests dokumentieren, überprüfen, ob die strengen Windkanal-Regularien und vor allem die vorgegebenen Abläufe vor Ort eingehalten werden. Außerdem kann es zu Stichprobenkontrollen kommen, bei denen die Einhaltung der CFD- und Windkanalbeschränkungen überprüft werden.