Durchbruch bei der dritten Team- und Auto-Präsentation für die Formel-1-Saison 2022: Unter dem Motto "We climb together" hat Aston Martin am Donnerstag als erster Rennstall seinen tatsächlichen Boliden für die neue Regel-Ära in der Königsklasse enthüllt. Per Livestream aus dem Hauptquartier des Sportwagenherstellers im britischen Gaydon präsentierte das Team den neuen AMR22 für Sebastian Vettel und Lance Stroll.

Zuvor hatte Haas am vergangenen Freitag zumindest die frühen Grundzüge seines neuen Autos VF-22 gezeigt, allerdings nur auf 3D-animierten Bildern. Red Bull hingegen begnügte sich am Abend vor dem Aston-Launch einzig und allein mit der neuen Lackierung für den RB18 auf einem Showcar, das weitgehend dem bereits 2021 vorgestellten Modell der Formel 1 entsprach. Der Launch diente in erster Linie der Vorstellung des neuen Titelsponsors Oracle.

Aston Martin AMR22: Shakedown in Silverstone schon morgen

Nun also Wiedergutmachung für die bereits geschundene Fan-Seele, ausgerechnet vom Team um Sebastian Vettel. Immerhin hatte es vor wenigen Wochen noch Gerüchte gegeben, Aston Martin sei in Verzug und könne den neuen Boliden womöglich nicht einmal rechtzeitig zu den ersten Testfahrten ab dem 23. Februar in Barcelona fertigstellen.

Nach dem damaligen Dementi eines Teamsprechers schafft Aston Martin nun final Tatsachen: Nicht nur, dass unter dem Union Jack tatsächlich das erste reale Auto hervorkam, noch dazu wird der AMR22 bereits am morgigen Freitag, den 11. Februar mit einem Shakedown vor den Toren der Team-Fabrik in Silverstone seine Jungfernfahrt für erste Systemchecks und Datensammlungen bestreiten.

Aston Martin: Neue Formel-1-Regeln als Standortbestimmung

Davon verspricht sich das Team offenbar schon erste Antworten. "Alle Teams und Fahrer haben neue Regeln vor sich, also wird die Lern- und Anpassungsfähigkeit entscheidend sein", sagt Performance-Direktor Tom McCullough. "Wir werden große Mengen kritischer Daten generieren, wenn wir zum ersten Mal mit den neuen Autos auf die Strecke gehen. Wie wir damit umgehen, wird ein Test dafür sein, wo wir als Organisation stehen."

Doch wie sieht sie nun aus, die abseits von AMR22 noch namenlose Nachfolgerin von Vettels Honey Ryder aus der Vorsaison? In Sachen Lackierung stechen schlagartig vor allem die Akzente ins Auge. Das im Vorjahr auf der Strecke recht unauffällige, aber traditionelle britische Racing-Grün dominiert erneut das Design, wurde jedoch verfeinert und leicht aufgehellt.

In der Frontansicht gut zu erkennen: Wie bei Haas erstreckt sich das untere Element des Frontflügels über die gesamte Breite, Foto: Aston Martin
In der Frontansicht gut zu erkennen: Wie bei Haas erstreckt sich das untere Element des Frontflügels über die gesamte Breite, Foto: Aston Martin

Neuer Aston Martin weiter grün, aber anders

Die Akzente setzen diesmal jedoch grün-gelbliche Töne statt der pinken Highlights aus dem Vorjahr, was an die Aston-Lackierungen aus dem GT-Sport erinnert. Das passt zudem nicht nur zu dem schon erwarteten Aus von Sponsor BWT, auch ein Zusammenhang mit dem neben Titelsponsor Cognizant neuen und strategischen Großpartner Aramco drängt sich auf. Ähnliche Farbtöne finden sich im Logo des saudischen Ölgiganten, dessen Schriftzug zudem prominent in die Lackierung integriert ist, vor allem an der Airbox. Cognizant macht sich vor allem auf Seitenkästen und Heckflügel breit.

Das alles soll das Auftreten des AMR22, neben seiner radikalen aerodynamischen Philosophie, so das Team, aggressiv anmuten lassen. Und genau diese Aggressivität ist dem Auto sofort anzusehen - vor allem durch riesige Kiemen, die sich auf den Seitenkästen zeigen. Auch die Seitenkästen generell wirken radikal. Die Einlässe sind winzig - und erklären somit wohl auch die Kiemen; Hier wird offenbar mehr Kühlung benötigt. Noch dazu sind die Seitenkästen stark unterschnitten.

Riesige Kiemen auf den Seitenkästen

Nach hinten verjüngt sich das Chassis extrem. Das erinnert zumindest im Ansatz an die Haas-Renderings, wenngleich sich das Bodywork beim US-Team sehr viel weiter vorne zusammenzieht. Auch vorne gibt es hier eine Parallele zu Haas. Das unterste Frontflügel-Element zieht sich über die gesamte Breite. Nur die drei Elemente darüber docken direkt an der Nase an. Farblich geht es hier hin und her. Die oberen beiden Flaps sind schwarz lackiert, der dritte grün, zur Nase hin schwarz, der unterste grün mit gelbgrünem Akzent ganz vorne.

Der Aston Martin AMR22 von der Seite: Die mönströsen Kiemen stechen ins Auge, Foto: Aston Martin
Der Aston Martin AMR22 von der Seite: Die mönströsen Kiemen stechen ins Auge, Foto: Aston Martin

Auch, wenn Aston Martin ein zumindest sehr komplett anmutendes Auto in die Produktionshalle in Gaydon stellte, wird sich der AMR22 zügig drastisch verändern. "Der AMR22, den wir hier sehen, ist unser erster Ansatz unter diesen neuen Regeln. Er wird sich über die kommenden Monaten dramatisch entwickeln, wenn wir die Autos wirklich fahren und die beteiligten Herausforderungen verstehen. Das wird dann die Richtung für 2023 und darüber hinaus bestimmen", sagt der technische Gesamtverantwortliche, Andrew Green. Ein ausführlicher Technik-Check folgt später auf Motorsport-Magazin.com.

Sebastian Vettel kann ersten Einsatz kaum erwarten

"Schau dir dieses Auto an! Wer würde sich nicht über die Aussicht freuen, damit Rennen zu fahren?", kommentiert ein begeisterter Sebastian Vettel seinen zweiten Aston-Martin-Boliden. Besondere Erwartungen gibt es angesichts der umfassenden Regeländerungen kaum. "Wenn es um Hoffnungen für die Saison geht, denke ich nicht, dass irgendjemand weiß, was zu erwarten ist", sagt Vettel. "Es gibt neue Regeln und natürlich hoffen alle Teams, dass sie es richtig hinbekommen haben. Alle wollen gewinnen, mich eingeschlossen, und keiner wäre in der Formel 1, wenn es nicht der Traum wäre, zu gewinnen. Da bin ich nicht anders."

Beim Launch in der Produktionshalle in Gaydon stand der echte AMR22 vor Zuschauern, kein Showcar, Foto: Aston Martin
Beim Launch in der Produktionshalle in Gaydon stand der echte AMR22 vor Zuschauern, kein Showcar, Foto: Aston Martin

Zumindest ein kleines Ziel haben sich Vettel und Aston Martin jedoch gesetzt: Gegenüber 2021 muss ein Fortschritt her. Im Vorjahr landete das Team immerhin nur auf dem siebten Platz der Konstrukteurswertung. Ein zweiter Platz im Chaosrennen von Baku blieb das einzige größere Saisonhighlight. Unter dem vorherigen Namen Racing Point und mit Sergio Perez hatte es 2020 noch zum vierten Gesamtrang gereicht.

Formel 1 2022: Vettels neuer Aston Martin endlich ein Sieger?: (18:14 Min.)

Aston Martin hält an Fünf-Jahres-Plan fest

"Wir haben einen Fünf-Jahres-Plan, weiter zu klettern und an die Spitze zu kommen", sagt Teambesitzer Lawrence Stroll. "Die Hauptsache ist, sich weiter nach vorne zu bewegen und nach vorne zu kommen. Es ist erst das zweite Jahr eines Fünf-Jahres-Plans, also sind wir noch immer recht nah am Anfang", ergänzt Vettel. "Aber dieses Team hat hohe Ambitionen und große Pläne und ich freue mich riesig, ein Teil davon zu sein."

Teamkollege Lance Stroll gibt sich mahnend-optimistisch. "Das ist nicht nur für Aston Martin eine große Gelegenheit, sondern für alle Teams", warnt der Kanadier. Dank seiner Truppe im Hintergrund gibt sich Stroll jedoch zuversichtlich. "Wir müssen einfach glauben, dass wir einen besseren Job gemacht haben und ich weiß, dass alle Beteiligten unglaublich hart arbeiten, um Seb und mir die beste Chance zu geben", sagt Stroll. Dennoch müsse Realismus herrschen. Stroll: "Unser Kernziel ist, der Spitze näher zu kommen als im vergangenen Jahr. Das wäre ein Fortschritt."

Sebastian Vettel und Lance Stroll beim Launch in Gaydon, Foto: Aston Martin
Sebastian Vettel und Lance Stroll beim Launch in Gaydon, Foto: Aston Martin

Vettel-Team wittert Chance dank Regeländerungen

Performance-Direktor McCullough, neben Vettel, Stroll senior und junior sowie dem übergeordneten Technikchef und Team-Urgestein Andrew Green beim Launch vor Ort, sieht im neuen Regelwerk zumindest eine Chance auch auf eine schon kurzfristige Überraschung: "Du musst erwarten, dass jene Teams, die zuletzt gewonnen haben, als Favoriten beginnen. Aber wenn irgendein Team vor den anderen etwas Elementares hinbekommt, könnte das den entscheidenden Unterschied machen. Ich hege keinen Zweifel, dass wir bei Aston Martin in einer Position sind, jede Gelegenheit, die sich uns bietet, zu unserem Vorteil zu nutzen."

Insgesamt denkt Aston Martin - und allen voran Big Boss Stroll - jedoch an den langfristiger Masterplan. Dafür drehte das Team in den vergangenen Monaten bereits an mehreren Schrauben. Längst ist der Spatenstich für eine brandneue Fabrik in Silverstone erfolgt. Anfang kommenden Jahres will das Team sein neues Zuhause beziehen.

Aston Martin klotzt: Neue Super-Fabrik & Top-Ingenieure

Darüber hinaus vermeldete Aston Martin unzählige, auch prominente Neuverpflichtungen im Kader der Ingenieure und setzte Mitte des Vorjahres auch eine neue Struktur der technischen Abteilung ein. So stieg Green vom Technischen Direktor zum Chief Technical Officer auf. An den erfahrenen Briten berichten nun die Leiter dreier Abteilungen: McCullough, zuvor Trackside Engineering und Performance, stieg zum Performance-Direktor auf, Luca Furbatto kam als Direktor für Engineering von Alfa Romeo, und nicht zuletzt ergänzt nach einem langen Gezerre um den Wechsel ab Anfang April Red Bulls bisheriger Aero-Chef Dan Fallows das Dreigestirn. Noch dazu verstärkt auch Mercedes' bisheriger Aero-Chef Eric Blandin das Team.

Hinzu kommen große Veränderungen an der Teamspitze. Nach zwölf Jahren bei Force India, Racing Point und Aston Martin hat Teamchef Otmar Szafnauer die Truppe mit Jahreswechsel verlassen. Nun übernimmt Mike Krack den Posten. Der Luxemburger war zuletzt als Leiter BMW M Motorsport tätig und kennt Sebastian Vettel noch aus dessen früher Formel-1-Zeit bei BMW-Sauber. Offiziell begonnen hat Krack bei Aston Martin allerdings noch nicht. Das erklärt sein Fehlen auf der großen Launch-Bühne. Bereits Ende vergangenen Jahres verpflichtete Aston Martin zudem Martin Whitmarsh als CEO der Gruppe.

Neuer Teamchef für Vettel! Wird Aston Martin jetzt besser?: (11:10 Min.)

"Um in der Formel 1 zu gewinnen, muss alles an der richtigen Stelle sein und jede Menge bewegliche Teile müssen zusammenfinden. Du brauchst die richtigen Leute in jedem Teil des Teams und du brauchst die richtigen Partner, die die helfen, das möglich zu machen", kommentiert Stroll senior den Großumbau.

Formel-1-Präsentationen 2022: Alle Termine

In der ersten halben Launch-Woche der Formel 1 geht es nach der heutigen Präsentation Aston Martins bereits am morgigen Freitag weiter: Am Abend enthüllt McLaren den MCL36 - oder zumindest das Design des neuen Boliden von Daniel Ricciardo und Lando Norris. Nach den Eindrücken der bisherigen Vorstellungen schrauben wir die Erwartungen, ein echtes Auto zu sehen, herunter.

Kommende eröffnen am Montag und Dienstag AlphaTauri und Williams, ehe Ferrari am Donnerstag und Mercedes am Freitag folgen. Am Montag darauf bildet Alpine den vorläufigen Abschluss. Bereits ab dem 23. Februar startet der Shakedown-Test in Barcelona. Erst danach wird Alfa Romeo seine finale Lackierung enthüllen. Nach einem regulären zweiten Test in Bahrain erfolgt an selber Stelle am 20. März der Start in die Formel-1-Saison 2022 mit dem GP von Bahrain.

Team Datum Ort/Form
Haas 4. FebruarOnline + Barcelona-Shakedown am 21.2.
Red Bull 9. Februar, 17:00 UhrMilton Keynes, Online
Aston Martin10. Februar, 15:00 Uhr Gaydon + Silverstone-Shakedown am 11.2.
McLaren 11. Februar, 20:00 UhrWoking, Livestream
AlphaTauri14. Februar, 12:00 UhrOnline?
Williams15. Februar, 14:00 UhrGrove, Online
Ferrari 17. Februar, 14:00 UhrMaranello, Online
Mercedes 18. FebruarSilverstone, Online + Shakedown
Alpine21. Februar Online?
Alfa Romeo 27. FebruarLackierung, Online