Wie teuer kommt Renault der Sensationstransfer der Formel-1-Sommerpause 2018 zu stehen? Für Daniel Ricciardos überraschenden Wechsel zur F1-Saison 2019 müssen die Franzosen zwar keine Ablösesumme an Red Bull überweisen, doch ganz sicher ein saftiges Multi-Millionen-Salär an den Spitzenfahrer aus Australien überweisen.

Das legen Aussagen der Red-Bull-Verantwortlichen nahe, wonach Geld nie eine Rolle für das Ricciardo-Aus in Milton Keynes gespielt habe. "Er war erstmals in seiner Formel-1-Karriere ohne Vertrag, hat keine Manager um sich herum, fällt seine ganz eigenen Entscheidungen und dahinter stehen seine eigenen Gründe. Er sagte, dass er eine Veränderung braucht. Was ich sagen kann, ist, dass es mit finanziellen Gründen oder anderen Vertragsmodalitäten nichts zu tun hatte", sagte zuletzt Teamchef Christian Horner im Rahmen des Belgien GP.

Renault gibt mehr Budget für Formel 1 frei

Heißt im Klartext: Das Angebot Red Bulls für den Honigdachs war gut. Und das heißt: Das Angebot Renaults kann auch nicht schlecht gewesen sein. Im Zweifel eher besser. Es sei denn es ging Ricciardo wirklich nur um eine Luftveränderung. Doch tatsächlich ließ sich Renault ganz offensichtlich nicht lumpen, drehte für Ricciardo den Geldhahn auf.

Alonso, Sainz & Co: Fahrerwechsel in der Formel 1 2019 (02:01 Min.)

Das könne man als Hersteller auch ohne Probleme, so der Teamchef. "Meiner Meinung nach kann sich Renault so ziemlich alles leisten. Renault ist der größte Automobilhersteller in der Formel 1. Punkt. Also können wir uns alles leisten solang es Sinn ergibt", sagte Cyril Abiteboul in Spa. "Dann ist es einfach eine Frage, wie man das Geld schätzt und ob es vor dem Hintergrund, wo wir in unserer Entwicklung als Team stehen, Sinn macht, dass auszugeben."

Mehr Geld - nicht nur wegen Daniel Ricciardo

Eine ganz einfache Kosten-Nutzen-Rechnung also. Der Technikchef des Werksteams verrät zudem: Nicht nur für Ricciardo machte Renault mehr Budget frei. "Und ja - wir können jetzt mehr Geld für Fahrer, aber auch für alles andere ausgeben. Wir glauben, dass wir aus technischer Sicht so in den nächsten Jahren als machen können, was wir machen wollen und müssen und gleichzeitig einen Topfahrer wie Daniel haben", so Bob Bell, ab 2019 jedoch selbst nur noch Berater.

Teamchef Abiteboul bestätigt noch konkreter: "Es würde ja keinen Sinn machen, einen Fahrer zu holen und dann Einbußen in unseren Kapazitäten hinnehmen zu müssen, was die Entwicklung von Chassis und Motor angeht. Deshalb bedeutet das natürlich schon kurzfristig eine Erhöhung unseres Budgets."

Daniel Ricciardos Strahlkraft soll Top-Ingenieure zu Renault locken

Renault legt also weiter nach, stockte seit der Rückkehr 2016 ohnehin schon Jahr für Jahr auf, immer mit dem Ziel, so schnell wie möglich wieder um den WM-Titel zu fahren. Der Trend zeigt nach oben, aber nicht wirklich rasant. Deshalb pusht Viry jetzt immer schneller und pumpt noch mehr Geld hinein. Jemand wie Daniel Ricciardo sei dabei ein Schlüssel, nicht nur wegen seiner Qualitäten auf der Strecke, so Bell.

"Wir sind sehr nah dran und nächstes sind wir mit einem weiteren Schritt nach vorne hoffentlich dabei. Daniel bringt sehr viel mit in dieses Team. Nicht nur seine natürlichen Skills als Fahrer, sondern auch Motivation für das ganze Team und seinen Teamkollegen. Nico ist schon sehr gespannt und freut sich richtig darauf, mit Ricciardo zu arbeiten", schildert der Technikchef.

Renault: Ricciardo will Team um sich schmieden

Bell weiter: "Natürlich sind wir noch voll dabei, das Team wachsen zu lassen, einschließlich neuer Leute. Deshalb sendet das genau die richtige Botschaft, dass Renault es absolut ernst meint. Das schafft Vertrauen im Team und zieht nur noch mehr Talente an, macht uns attraktiver. Fahrer bringen mehr als nur Performance auf der Strecke, sie können das Team motivieren und uns attraktiver für Sponsoren und Talente machen. Und Daniel ist so einer."

Unter dem Strich geht es also darum: Ricciardo will ein Team um sich herum formen. So, wie es alle großen des Sports schon gemacht haben. Michael Schumacher bei Ferrari, Sebastian Vettel bei Red Bull und Ferrari, Lewis Hamilton bei Mercedes. Das bestätigt auch Teamchef Abiteboul: "Wir haben unser Interesse an ihm ausgedrückt und dass es eine Gelegenheit für ihn bei Renault geben kann. Dass er eine Rolle spielen kann, in einem Projekt im Aufbau." Diese Chance sah der Australier beim reiferen Red Bull für sich wohl nicht. Weil eben mit Max Verstappen ein weiterer Top-Kaliber vorhanden ist.

Renault: Ricciardo macht Pflicht, zu liefern, noch größer

Bei Renault gibt es den mit Nico Hülkenberg allerdings auch. Den Deutschen nennt Renault auch weiter in einem Atemzug mit Ricciardo. Kein Wunder: Bislang hat Hülkenberg noch gegen keinen Teamkollegen enttäuscht. Mit Ricciardo kommt jetzt jedoch der bislang beste, sorgt für eine der stärksten Paarungen überhaupt.

Was waren die größten Wechsel-Flops? - Formel 1 2018 (24:14 Min.)

"Das setzt die technische Abteilung mehr unter Druck. Denn jetzt kann man sich nicht mehr verstecken mit zwei so höchst profilierten Fahrern wie Daniel und Nico. Wenn das Auto langsam ist, dann sind es sicher nicht die Fahrer", sagt Bell mit einem Lachen. "Aber das ist gesunder Druck", ergänzt Abiteboul. "Auf jeden Fall haben wir jetzt noch mehr Verantwortung und auch ein wenig die Pflicht, zu liefern."

Shareholdern, Fans, Sponsoren, dem Erbe Renaults sei man das ohnehin schon. Jetzt eben auch noch mit Ricciardo einem Topstar der Szene. Der sei Ricciardo mit all seinem Charisma absolut, ergänzt Abiteboul. Deshalb glaube er, dass Renault nicht einmal unbedingt der Höchstbietende gewesen sein müsse. "Aber er hat sich auch nicht unbedingt wegen des Geldes in das Projekt gebracht."

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