Daniel Ricciardo ließ mit der Bekanntgabe seines Wechsels zu Renault für die Formel-1-Saison 2019 eine wahre Transferbombe platzen. Allgemein wurde erwartet, dass der Australier ohne Chance auf ein Cockpit bei Mercedes oder Ferrari seinem Arbeitgeber treu bleiben würde. Selbst Red Bull rechnete mit eine Vertragsverlängerung, wie Dr. Helmut Marko am Montagabend auf ServusTV zugab.

"Ich kann es nicht nachvollziehen", so der Österreicher über die Entscheidung Ricciardos, der offenbar signalisiert hatte, auch 2019 für Red Bull fahren zu wollen. "Es war überhaupt eine merkwürdige Geschichte", sagt Marko über die Verhandlungen mit Ricciardo und deren unerwarteten Ausgang.

"Die Verhandlungen waren schwierig, aber am Mittwoch vor Österreich habe ich zwei Stunden mit ihm zusammengesessen und da waren wir uns einig", erklärt der 75-Jährige. Am Rennwochenende sei an den Vertragsmodalitäten noch einmal zu Ricciardos Zufriedenheit nachgebessert worden, womit für Red Bull eigentlich alles klar war. Etwas, dass der 29-Jährige wohl auch so signalisierte.

"Zum Schluss in Ungarn hat er sowohl Dietrich Mateschitz als auch mir gegenüber gesagt, dass alles passt und er am Dienstag unterschreibt", sagt Marko. Doch die Unterschrift blieb aus. Stattdessen klingelte beim Red-Bull-Berater zwei Tage später das Telefon: "Donnerstagnachmittag habe ich einen Anruf gekriegt, da war er schon so komisch in seiner Stimme."

Ricciardo wollte am Telefon nicht mit der Sprache rausrücken

Ricciardo fiel es zunächst offenbar schwer, seinen Chef von seiner Entscheidung in Kenntnis zu setzen. "Ich hab ihm gesagt: Komm zur Sache, wir sind ja erwachsen! Da hat er gesagt: Ich gehe zu Renault", erklärt Marko, den diese Nachricht offenbar genauso eiskalt erwischte wie den Rest des Paddocks.

"Ich kann nur mutmaßen, dass er vielleicht nicht so an das Honda-Projekt geglaubt hat und Renault hat ihm einen relativ, oder sehr hohen Betrag geboten", glaubt die österreichische Motorsport-Legende. So richtig ernst nehmen kann er den Wechsel zu Renault aber offenbar nicht. "Ich glaube, mit Shoeys wird es für ihn in nächster Zeit schwer werden."

Red Bull erwartet, 2019 auch mit den bis dato noch schwächer eingeschätzten Honda-Aggregaten vor Ricciardos zukünftigem Arbeitgeber zu liegen. "Ich bin sicher, dass wir nächstes Jahr weit vor Renault fahren werden", glaubt er. Für einen vermeintlich schwächeren Untersatz von Ricciardo versetzt zu werden, ist Marko unerklärlich. Für ihn wäre es etwas anderes gewesen, "wenn er gesagt hätte, er geht zu Ferrari."

Alonso, Sainz & Co: Fahrerwechsel in der Formel 1 2019: (02:01 Min.)

Marko versteht Ricciardos Wunsch: Beim Nachbarn ist das Gras grüner

Letztlich erklärte Ricciardo seinen Entschluss damit, dass er zu diesem Zeitpunkt seiner Karriere ein neues Ziel verfolgen will. "Er war insgesamt, wenn man seine Juniorzeit mitrechnet, zehn Jahre bei Red Bull und hat auf gut Deutsch gesagt, er brauche einen Tapetenwechsel", so Marko. "Auf der einen Seite verstehe ich das. Beim Nachbarn ist das Gras grüner, und dass er sich das jetzt mal anschauen will."

Gleichzeitig schmerz ihn der Verlust eines solch hochkarätigen Piloten wie Ricciardo: "Auf der anderen Seite ist es jammerschade. Im Rennen ist er sicher einer der stärksten Fahrer, seine Überholmanöver sind einfach klasse. Sie kommen aus dem nichts und da haben die Gegner manchmal gar nicht mitgekriegt, dass sie überholt werden. Im Qualifying ist er zuletzt mit Max nicht mehr ganz mitgekommen, aber das hat er mit seiner Rennstärke wettgemacht."

Marko sicher: Gasly wird Ricciardo bei Red Bull adäquat ersetzen

Der schnelle Teamkollege soll übrigens kein Grund für Ricciardos Entscheidung gewesen sein. "Das hat er zumindest nicht zum Ausdruck gebracht", so Marko. Seit Montagabend steht jedenfalls auch fest, dass Pierre Gasly von Toro Rosso befördert wird und Ricciardos Platz bei Red Bull einnimmt. Ein früher Schritt für den jungen Franzosen, doch Red Bull will ihm Zeit einräumen um sich im Top-Team zurecht zu finden.

"Pierre ist erst in seinem zweiten Jahr in der Formel 1, es fehlt ihm also noch an Routine", erklärt Marko, der jedoch glaubt, dass Verstappen mit Gasly eine neue Herausforderung ins Haus steht: "Vom reinen Speed her im Qualifying wird er nicht weit von Max entfernt liegen. Das ist eine seiner Stärken. Den Rest muss er lernen. Wir erwarten, dass er bis Mitte der Saison Ricciardo adäquat ersetzt."

Alonso für Red Bull nie eine Option: Passt absolut nicht in unser Gefüge

Etwas, wofür Fernando Alonso laut Marko nicht die richtige Wahl gewesen wäre. Der spanische Superstar lechzte seit Jahren nach einem weiteren Vertrag bei einem Top-Team und wurde nach Ricciardos Renault-Vertrag schnell bei Red Bull ins Spiel gebracht. "Wir haben 2007 und 2008 mit ihm verhandelt. Das war schon sehr mühsam wegen der Forderungen, die er gestellt hat", so Marko.

"Wenn man seine Historie anschaut, bei McLaren und Ferrari, war das immer eine One-Man-Show. Das passt bei uns nicht", stellt er klar. Abgesehen davon hat Red Bull seit Mark Webber ohnehin keinen Piloten mehr verpflichtet, der nicht aus dem eigenen Haus stammte. "Wir bringen unsere eigenen Leute. Alonso ist als Fahrer sicher absolut top, aber er passt nicht in unser Gefüge hinein."