Red Bull steht für die Formel-1-Saison 2019 vor einer mittlerweile altbekannten Frage: Mit Pierre Gasly erhielt wieder einer ihrer Shooting Stars aus dem Nachwuchskader Toro Rosso die Beförderung ins A-Team - und hinterlässt damit beim Juniorteam eine Lücke, die nur schwer zu füllen sein wird. Rettet Gaslys Wechsel am Ende die F1-Karriere von Brendon Hartley oder stellt sich Toro Rosso 2019 komplett neu auf?

Allzu viel Zeit will sich Red Bull mit der Entscheidung nicht lassen. Dr. Helmut Marko erklärte am Montagabend im Zuge der Bekanntgabe des Gasly-Wechsels zu Red Bull, dass der Nachfolger des Franzosen noch vor der Asien-Tournee fix sein soll: "Das wollen wir bis Monza entscheiden", so der Österreicher beim Talk im Hangar-7 auf ServusTV.

Fakt ist, wäre Ricciardo bei Red Bull geblieben, könnte Toro Rosso der Fahrerfrage für 2019 relativ entspannt entgegenblicken. Der in diesem Jahr so überzeugende Gasly würde ein weiteres Jahr beim Team in die Lehre gehen. Mit ihm hätte man einen erwiesenermaßen schnellen Piloten mit der Erfahrung aus anderthalb Jahren Formel 1.

An seiner Seite wäre nach aktuellem Stand wohl nicht mehr Brendon Hartley gefahren. Der Neuseeländer blieb 2018 bisher weit hinter den Erwartungen seiner Förderer zurück. Stattdessen hätte man wohl auf einen vielversprechenden Youngster aus den eigenen Reihen gesetzt. Dan Ticktum ist hier derzeit der heißeste Kandidat.

Gerüchten zufolge soll der junge Brite bereits vor einigen Wochen als kurzfristiger Ersatz für Hartley noch in dieser Saison im Gespräch gewesen sein. Doch fehlende Superlizenz-Punkte vereitelten sogar einen Testeinsatz in Budapest. "Wie sollen wir da unsere jungen Fahrer in die F1 bringen?", klagte Dr. Helmut Marko. Anders sieht es bei McLaren-Junior Lando Norris aus, den Red Bull zuvor als Hartley-Ersatz angefragt hatte.

Der amtierende Formel-2-Champion verfügt bereits über die nötigen Superlizenz-Punkte und testet seit 2017 regelmäßig für McLaren. Am kommenden Wochenende steht für ihn in Spa-Francorchamps der erste Freitagstest an. Bis zuletzt schien Norris für Toro Rosso 2019er Line-Up noch eine echte Option zu sein, denn McLaren befindet sich momentan wegen Technikdirektor James Key mit Red Bull im Clinche.

Norris wohl vom Markt, Red-Bull-Junior Ticktum mit Lizenzproblemen

Der begehrte Ingenieur hat bei McLaren unterschrieben, ist aber vertraglich noch an Toro Rosso gebunden. Norris hätte im Tausch gegen eine frühere Freigabe Keys zu Toro Rosso wechseln können. Durch Fernando Alonsos Rücktrittserklärung und nun regelmäßige Freitagseinsätze stehen die Zeichen aber darauf, dass McLaren Norris 2019 ins zweite Cockpit neben Carlos Sainz setzen will. Nur um ihn für Renneinsätze bei der Konkurrenz vorzubereiten, würde man diese Anstrengungen kaum unternehmen.

Damit dürfte als Youngster Ticktum die besten Chancen haben. Das Problem bleibt sein Superlizenz-Konto. In der Formel 3 EM liegt er derzeit auf dem zweiten Platz, doch selbst der Titel würde ihm nur 30 der 40 für die Lizenz benötigten Punkte einbringen. Und aus dem Vorjahr hat Ticktum mit Platz sieben im Formel Renault Eurocup keine vorzuweisen.

Neben ihm ist Jake Dennis eine weitere Möglichkeit. Der 23-Jährige testet seit diesem Jahr für Red Bull. Ihm wird allerdings nicht das große Talent Ticktums nachgesagt, der unter einigen als Pilot vom Kaliber Lando Norris gesehen wird. Außerdem müsste Red Bull sich dann einen neuen Young Driver suchen, der 2019 für das Team die Testeinsätze fahren kann.

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Toro Rosso braucht Erfahrung: Holt Red Bull Formel-E-Champion Vergne zurück?

Durch den Abgang Gaslys sind Hartleys Chancen auf einen Verbleib in der Formel 1 also deutlich gestiegen. Wenn der 28-Jährige in der zweiten Saisonhälfte überzeugen kann, könnte er auch 2019 im Toro Rosso sitzen. Denn ein Pilot mit Erfahrung ist zweifelsohne gewünscht. Hier ist mittlerweile aber auch wieder ein ganz anderer Name im Spiel, der Hartley Konkurrenz macht: Jean-Eric Vergne.

Der diesjährige Formel-E-Champion fuhr von 2012 bis 2014 für Toro Rosso, bevor seine Zeit im Red-Bull-Kader endete. Mit seiner Erfahrung aus 58 Grands Prix und dem Titel in der Formel E im Gepäck ist er mittlerweile zurück auf dem Radar seines ehemaligen Arbeitgebers. Gut möglich also, dass sich Hartley am Ende trotz des Gasly-Wechsels von der Formel 1 verabschieden muss.

In gewisser Weise erinnert die Situation Hartley an die von Daniil Kvyat in der Saison 2016. Nach seiner Degradierung ins Juniorteam überzeugte der Russe damals nicht. Da Red Bull ausgerechnet GP2-Champion Gasly noch nicht für Formel-1-reif hielt, behielt Kvyat für die Saison 2017 doch sehr überraschend sein Cockpit.