Daniil Kvyats Torpedo-Startmanöver war nicht der einzige Krach bei Toro Rosso am Spielberg-Wochenende. Carlos Sainz trat am Donnerstag in der Pressekonferenz eine Lawine los. Angesprochen auf seine Zukunft in der Formel 1 sagte er zunächst diese harmlosen Worte: "Mein Ziel Nummer 1 ist es, nächstes Jahr bei Red Bull zu sein und um Podestplätze und Siege zu kämpfen."

Ehrgeizige Aussagen hören die Nachwuchsförderer bei Red Bull gerne. Die folgenden Sätze allerdings weniger: "Wenn das nicht passiert, ist ein viertes Jahr bei Toro Rosso unwahrscheinlich. Ich bin offen für andere Möglichkeiten." Sainz erklärte, er sei bereit für den nächsten Schritt und schlage keine Türen zu, die sich ihm öffnen.

Das fanden Red-Bull-Teamchef Christian Horner und Berater Dr. Helmut Marko gar nicht witzig und verpassten ihrem Schützling eine verbale Ohrfeige. "Ich verstehe das nicht. Er ist unser Edelreservist. Wo hat er denn überhaupt ein Angebot?", polterte Marko im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. Er räumte ein, dass der Haussegen schiefhängt.

"Man darf nicht vergessen, dass er die Möglichkeit in der Formel 1 nur bekommen hat, weil Red Bull in seinen Jahren als Nachwuchspilot in ihn investiert hat", maßregelte auch Horner den spanischen Youngster. "Es ist etwas hinterlistig, solche Kommentare von sich zu geben, wenn so viel in diese Jungs investiert wird, um ihnen diese Chance zu geben." Ohne Red Bull würde Sainz nicht in einem Formel-1-Auto sitzen, betonte er.

Zudem stellte Horner klar, dass Red Bull die Option in Sainz' Vertrag gezogen hat und dass damit nicht nur für 2018 ein Wechsel zur Konkurrenz ausgeschlossen ist. "Wir haben für das nächste und das übernächste Jahr eine Option auf ihn, also wird er auch nächstes Jahr im Toro Rosso sitzen", sagte Horner gegenüber Sky Sports UK.

Sainz zeigte sich nach dem heftigen Gegenwind zwar nicht kleinlaut, aber einsichtig. "Ich habe gesehen, was passiert ist und wie sich alles entwickelt hat", sagte Sainz und räumte ein: "Man kann sagen, dass ich etwas überrascht war. Aber das passiert manchmal in der Formel 1. Ich werde daraus lernen und werde von nun an alles interner halten."

Sainz erklärte zudem, dass unverhältnismäßig viel Wirbel um seine Aussagen gemacht wurde. Ihm sei bewusst, dass er Red Bull und Toro Rosso alles verdanke. "Aber ich habe Ambitionen und die Ambition ist, eines Tages Red-Bull-Fahrer zu sein. Hoffentlich lieber früher als später, aber das ist alles", relativierte er seine Aussagen aus der Pressekonferenz.

Mit dem Wort 'unwahrscheinlich' habe er eigentlich ausdrücken wollen, dass es eine seltsame Situation wäre, ein viertes Jahr für Toro Rosso zu fahren. Das kann Landsmann Fernando Alonso nachvollziehen. "Toro Rosso ist ein schönes Team für den Anfang, sie helfen dir durch deine Karriere", sagte er in Baku gegenüber Sky UK. Ein Team wie McLaren sei jedoch ein anderes Level.

Sainz und sein Teamkollege Kvyat werden jedoch auch 2018 für Toro Rosso starten. Kvyat habe gewissermaßen den gleichen Vertrag wie Sainz, verriet Horner. Noch habe das Team nicht die Option auf eine Verlängerung gezogen, doch das werde in relativ naher Zukunft erfolgen, versicherte er. "Ich sehe kein Szenario, warum wir das nicht tun sollten."

Mit Sainz habe er ein 'vernünftiges Gespräch' geführt, erklärte Horner zudem. Ist damit bei Toro Rosso wieder alles im Lot?

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: In der Red-Bull-Familie scheint momentan nur einer richtig glücklich zu sein: Daniel Ricciardo. Der Honigdachs hat aufgrund seiner Podestserie allen Grund zum Strahlen. Nicht so der Rest. Max Verstappen ist genervt von unverschuldeten Ausfällen. Carlos Sainz will endlich aufsteigen, nachdem er sich schon fast drei Jahre lang bei Toro Rosso abgerackert hat. Dass ihm im Frust auf der Pressekonferenz ein unglückliches Wort rausrutscht, ist verständlich. Auch Daniil Kvyat hat momentan keine einfache Zeit. Der Startcrash in Spielberg, der Verstappen das Rennen kostete, dürfte hinter verschlossenen Türen das Donnerwetter zur Folge gehabt haben, das während des Österreich GP leider nicht runterging. Doch nicht nur drei der vier Formel-1-Piloten der Red-Bull-Familie dürften unglücklich sein. Für Ersatzmann Pierre Gasly bedeutet die Verlängerung von Kvyat und Sainz schließlich auch weiteres Warten auf eine Chance. Bei so viel Unzufriedenheit wäre es verwunderlich, wenn in den nächsten Monaten alles ruhig bleibt. (Annika Kläsener)