Ein neues Toro-Rosso-Märchen ist perfekt: Nach Daniil Kvyats sensationellem Podium im Regen von Hockenheim ist es in Sao Paulo ein weiteres Chaosrennen der Formel 1, das dieses Mal seinem Teamkollegen die Sensation ermöglicht - Pierre Gasly beendet den Großen Preis von Brasilien in Interlagos auf Platz zwei!

"Es ist einfach der beste Tag meines Lebens", jubelt der Franzose bei seinem ersten Auftritt in einer Post-Race-Pressekonferenz für die Top-3 des Rennens überhaupt. Schon zuvor hatte er via Boxenfunk einen nicht enden wollenden Jubelschrei ausgestoßen. "Als Kind träumst du davon, in die Formel 1 zu kommen. Wenn das dann passiert, ist es der schönste Tag deines Lebens. Und dann fängst du an, von deinem ersten Podium zu träumen."

Gasly glaubte nach Degradierung nicht mehr an F1-Podium

Ein Traum, der nach seiner Degradierung von Red Bull zu Toro Rosso Mitte der F1-Saison 2019 bereits ausgeträumt schien. Gasly: "Um ehrlich zu sein dachte ich nicht, dass es nach meiner Rückkehr zu Toro Rosso in der zweiten Saisonhälfte noch passieren würde."

Doch es passierte. Es passierte ihm. Aus eigener Kraft hätte es für Pierre Gasly im Toro Rosso in Brasilien immerhin mitnichten zu seinem ersten Formel-1-Podium gereicht. Dazu brauchte es schon zwei Ferrari, die einander abschossen, einen Defekt bei Valtteri Bottas und einen Abschuss des Red Bulls von Alex Albon durch Lewis Hamilton.

"Ich bin ja kein Irrer, ich bin objektiv"

Das weiß auch Gasly. Von dem Podium zu träumen wagte er deshalb bis zum letzten Moment des Rennens nicht. "Ich bin ja kein Irrer, ich bin objektiv", winkt Gasly lachend ab. "Nach Bottas' Ausfall war ich Sechster. Dort dachte ich, eigentlich zu bleiben, nur am Re-Start vielleicht noch etwas probieren zu können. Aber dann kollidierte auch die Ferrari und wieder dachte ich, dann am Re-Start eine Chance zu haben", schildert Gasly. Ganz am Ende habe ich dann einfach nur eher gehofft, dass das Safety Car noch etwas länger draußen gewesen wäre und es einfach so über die Linie gegangen wäre", kommentiert Gasly den Moment, als Hamilton in der Box gewesen, er auf P3-Kurs gelegen hatte.

Doch dann gab die Rennleitung den GP noch einmal für zwei Ruenden frei. "Ich wusste, dass Lewis dann mit frischeren Reifen auf Sieg gehen würde und schnell überholen wollen würde. Deshalb dachte ich, einfach dranzubleiben und auf eine Gelegenheit zu warten, falls sie kommt", schildert Gasly. Die Gelegenheit kam. Hamilton drehte Albon um, Gasly schlüpfte durch. So verdiente er sich seinen Abstauber zumindest etwas.

Gasly bezwingt Hamilton um 62 Tausendstel

Zumal er danach auch noch den wieder attackierenden Hamilton hinter sich hielt. Nur 62 Tausendstel vor dem Briten überquerte er nach einem irren Sprint den letzten Berg hinauf die Ziellinie. "Das war intensiv! Ist doch klar, wenn du dein erstes Podium vor Augen siehst und den Weltmeister hinter dir hast, der voll am Limit pusht", berichtet Gasly erleichtert.

Die letzten Meter, Foto: LAT Images
Die letzten Meter, Foto: LAT Images

"Ich habe einfach versucht, mich so gut ich konnte zu verteidigen. Aus der letzten Kurve ist es dann ja irgendwann nur noch Vollgas. Da hoffst du dann, dass der Motor dir jede einzelne Pferdestärke gibt, die er hat. Ich habe den Überholknopf gedrückt, mich so tief wie möglich ins Cockpit gedrückt und seinen Frontflügel schon neben mir gesehen. Ich dachte nur 'Bitte, bitte, überhol mich nicht an der Ampel. Ich wollte diesen zweiten Platz unbedingt behalten", schildert Gasly das nervenaufreibende Finish seines Rennens. "Danke auch an Honda, da auf der letzten Geraden noch so eine Power zu haben. Ohne ihre Fortschritte dieses Jahr wäre das nicht möglich gewesen."

Gasly verdient sich Abstauber-Moment: Mittelfeld beherrscht

Nicht nur durch diesen Schlussakkord verdiente sich Gasly jedoch die Sensation, sondern vor allem durch sein Rennen bis zum völligen Chaos ab dem Ferrari-Crash. Mit P6 als bester Mittelfeldpilot in der Startaufstellung, hatte sich Gasly vor dem Rennen eigentlich Sorgen um die Rennpace gemacht. Durch einen Defekt im Training - da zickte der Honda noch - hatte der Franzose wertvolle Longrun-Daten verpasst.

Da freut sich auch der Dr. Marko, Foto: LAT Images
Da freut sich auch der Dr. Marko, Foto: LAT Images

Dennoch lieferte Gasly im Rennen eine Meisterleistung. Seine Position als Best of the Rest wackelte zu keinem Zeitpunkt der 71 Rennrunden, Gasly hielt sich wacker auf P7 hinter den sechs Fahrern der Top-Teams, unantastbar für alle Räikkönens & Co. "Es lief heute einfach für uns", sagt Gasly. "Ich hatte schon vorher [vor dem Chaos, Anm. d. Red.] ein echt starkes rennen mit P7 hinter den Top-Teams. Wir hatten das ganze Rennen über eine echt gute Pace und die Jungs hinter uns gut im Griff."

Gasly: Podium zwischen Max und Lewis ist doch irre!

Gasly weiter: "Als es dann anfing, dass sich erst die Ferrari bekämpft haben, da dachte ich schon, dass es recht ähnlich aussehen könnte wie 2018 in Bahrain als ich Vierter wurde." Dann habe er eben gewusst, dass Hamilton noch etwas probieren würde. "Und dann habe ich es echt geschafft an den beiden [Albon & Hamilton, Anm. d. Red.] vorbeizukommen. Das Finish war dann natürlich noch richtig heftig, aber umso unglaublicher mein erstes Podium in der F1 zu bekommen", schwärmt Gasly.

Fast schon ein Fotofinsih, Foto: LAT Images
Fast schon ein Fotofinsih, Foto: LAT Images

"Es ist einfach verrückt. Die Jungs hier [Verstappen & Hamilton in der PK, Anm. d. Red.] sind ja daran gewöhnt, aber ... aus den Nachwuchsserien kenne ich es ja auch. Aber aus der F1 nicht. Irgendwann fängst du an, das zu vermissen. Mein letztes Podium habe ich 2016 erzielt, als ich Champion in der Formel 2 geworden bin", erinnert sich Gasly. "Ich habe das echt vermisst! Du willst dieses Erlebnis einfach mitnehmen. Gerade in der Formel 1 ist das ganz besonderes, vor allem mit einem zweiten Platz zwischen einem Max und einem Lewis. Das ist doch irre als erstes Podium in der Formel 1! Großartig und echt emotional für mich!"