"Ich hoffe, dass es noch regnet! Im Trockenen ist unsere Pace nicht gut genug, aber im Nassen haben wir eine Chance. Ich will auf das Podium!" - Im Interview mit 'ServusTV'-Experte Alex Hofmann schickte Johann Zarco rund 15 Minuten vor Rennstart eine klare Botschaft an die MotoGP-Götter, der Himmel über dem Bugatti Circuit möge sich öffnen. Und tatsächlich: Der Franzose bekam seinen Wunsch. Leichter Niederschlag pünktlich zum Start der Sichtungsrunde sorgte für einen Chaos-Grand-Prix in Le Mans - den Zarco dann völlig sensationell gewinnen konnte.
"Das ist ein sehr spezieller Moment, ich bin sehr stolz", suchte ein überglücklicher LCR-Honda-Pilot am Sonntagnachmittag nach Worten. Als erster Franzose seit Pierre Monneret im Jahr 1954 hatte er soeben den Frankreich-GP in der Königsklasse des Zweiradmotorsports gewonnen und damit 120.403 Zuschauer in völlige Extase versetzt. "Ich liebe die Geschichte der Motorrad-WM. Ich kenne all die großen Namen, habe viele alte Rennen gesehen. Dass ich jetzt heute als französischer Fahrer den Grand Prix von Frankreich gewinnen konnte, ist einfach magisch!"
LCR-Team und Johann Zarco vertrauen auf Wetterbericht
Bis zum Sieg war es jedoch ein weiter Weg. Weil Zarco als einer von ganz wenigen Piloten das gesamte Rennen über auf Regenreifen vertraute, fand er sich zwischenzeitlich weit hinten im Feld auf Platz 17 wieder. Doch sein Poker ging auf. "Wir sind hier in Le Mans, da kannst du darauf vertrauen, dass es regnen wird", baute der Lokalmatador auf sein Bauchgefühl und etwas Hilfe durch das eigene Team. "Wir hatten geplant, auf Regenreifen zu bleiben. Wir hatten das Regenradar genau im Blick. Sein Crewchief [David Garcia, Anm.] und ich waren uns sicher, dass die Bedingungen in 20 Minuten ganz anders aussehen würden. Das haben wir Johann gezeigt, dann war auch er etwas überzeugter von unserem Plan", meinte Teambesitzer Lucio Cecchinello im MotoGP-Format 'After the Flag'.
Dass LCR die wechselhaften Bedingungen tatsächlich korrekt eingeschätzt hatte, sollte sich aber natürlich erst im Rennverlauf offenbaren. Zuvor musste Zarco abwarten und auf den eigenen Plan vertrauen. Kein leichtes Unterfangen, zogen die Kontrahten auf Slicks doch erstmal davon. "Anfangs war es noch ziemlich trocken, da musste ich meine Reifen sehr vorsichtig behandeln. Erst als Jack [Miller] gestürzt ist, habe ich angefangen, an den Sieg zu glauben", beschreibt Zarco und ergänzt: "Ich hatte noch Angst, als Marc [Marquez] auf Regenreifen gewechselt ist, weil er anfangs schneller als ich war. Aber er hat die Reifen wohl zu hart rangenommen und konnte dann nicht mehr pushen, ich konnte meinen Vorsprung kontrollieren."
LCR-Boss mahnt Zarco zur Vorsicht, doch der gibt weiter Gas
Gänzlich Recht hatte er damit nicht, Marc Marquez fuhr aus einem anderen Grund deutlich langsamer als der Lokalmatador. Das wusste zu diesem Zeitpunkt aber natürlich keiner. "Normalerweise ist Marc in diesen Bedingungen unfassbar schnell, eine Sekunde schneller als alle anderen. Dass Johann eine Sekunde schneller als Marc war, hat mich daher ziemlich besorgt. Ich hatte Angst, dass er einen Fehler machen würde", gewährt Cecchinello einen Einblick in seine Gefühlswelt. Kurz nach Rennmitte hatten ihn die TV-Kameras dabei aufgeschnappt, wie er Zarco bei Zielüberfahrt von der Boxenmauer aus dazu anwieß, Tempo rauszunehmen.
Der 34-Jährige Routinier aus Cannes hörte jedoch nicht, baute seinen Vorsprung auf Marc Marquez noch auf über 20 Sekunden aus. Erst in der letzten Runde ging er dann etwas von Gas und feierte in den letzten zwei Kurven bereits per Handgeste mit dem heimischen Publikum. "Ich habe ihn an der Boxenmauer gesehen, ich hatte aber schon alles unter Kontrolle", scherzte Zarco auf die Ängste seines Teamchefs angesprochen. "Die Streckenverhältnisse sind hier in Le Mans besonders schwer einzuschätzen und ich wollte keine bösen Überraschungen erleben. Ich habe kurz darüber nachgedacht, langsamer zu werden. Aber schon in der nächsten Kurve habe ich wieder gemerkt, dass ich nicht viel rausnehmen sollte, weil ich im Rhythmus bleiben muss. Ich habe mich so wohl gefühlt, deshalb habe ich so weiter gemacht."
Zarcos Honda-Triumph verhindert Ducatis MotoGP-Rekord
Nach schier unendlich langen 26 Rennrunden wurden die französischen Fans und Zarco gegen 15 Uhr Ortszeit dann erlöst. "Ich bin so glücklich, meinen zweiten MotoGP-Sieg geholt zu haben. Aber ich muss schon sagen, dieser hier ist nochmal spezieller. Die Zuschauer haben meinen Namen und die französische Hymne seit Donnerstag gesungen, fast schon zu oft. Ich hatte Angst, dass wir das im besten Moment nach dem Rennen dann vielleicht nicht mehr machen können würden. Nachdem ich jetzt aber von der obersten Stufe des Podiums singen durfte, kann ich sagen, dass mein Wochenende ein voller Erfolg war", gewährt auch der Franzose einen tiefen Blick in seine Gefühlswelt. "Als französischer Fahrer den Frankreich-GP zu gewinnen, das ist so wundervoll. Und dann ist da ja auch noch Honda!"

Für den Motorradbauer aus Japan war es der erste MotoGP-Sieg seit mehr als zwei Jahren, der letzte Erfolg datierte vom Amerika-GP 2023. Damals triumphierte Alex Rins sensationell, nachdem Francesco Bagnaia in Führung liegend gestürzt war. Damals wie heute ein bitterer Tag für Ducati, denn die Italiener hätten mit einem Sieg in Le Mans einen neuen Allzeitrekord von 23 GP-Siegen in Serie aufstellen können. So aber bleiben Ducati und Honda (1997 bis 1998) mit 22 Siegen in Folge gemeinsam Rekordhalter. "Rins ist nach dem Rennen zu mir gekommen und meinte, dass ich ihm die Ehre des letzten Honda-Siegers gestohlen hätte", verrät Zarco. "Das hat mich echt stolz gemacht, denn das hatte ich im ersten Moment gar nicht realisiert."
Deutlich bescheidener verlief das Heimrennen für den zweiten Lokalmatador. Fabio Quartararo kam nach einem Sturz gar nicht ins Ziel und muss für ein Fehlverhalten nun sogar in Silverstone auf die Strafbank. Mehr dazu im nachfolgenden Artikel:



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