Was war das bitte für ein vollkommen verrücktes MotoGP-Rennen in Le Mans? Immer wieder wechselnde Wetterbedingungen, Startabbruch, zahlreiche Motorradwechsel, Strafen, Stürze, Kollisionen und ein völlig unerwarteter Sieger: Ausgerechnet Johann Zarco gewann seinen Heim-Grand-Prix von Startplatz elf aus, doch wie hat er das eigentlich geschafft? Das dürfte sich während und nach dem Frankreich-GP so mancher Zuschauer gefragt haben. Am Sonntag den Überblick zu behalten, war nämlich alles andere als einfach. Motorsport-Magazin.com analysiert:

Johann Zarco pokert korrekt: Kein Wechsel auf Slicks!

Beginnen wir beim Restart - der erste Start wurde abgebrochen, nachdem alle 22 Piloten zum Reifenwechsel von Slicks auf Regenreifen an die Box gekommen waren - denn dort legte Zarco den Grundstein für seinen späteren Rennsieg. Die zweite Sichtungsrunde des Tages startete der Lokalmatador wie 20 seiner Kollegen auf Regenreifen, einzig Lorenzo Savadori pokerte zu diesem Zeitpunkt mit Slicks. Am Ende der Sichtungsrunde kamen dann jedoch auch Marc und Alex Marquez, Brad Binder, Pedro Acosta, Fabio Di Giannantonio, Fermin Aldeguer, Raul Fernandez, Joan Mir, Franco Morbidelli, Maverick Vinales, Fabio Quartararo, Ai Ogura und Enea Bastianini zur Ansicht, dass Trockenreifen zu diesem Zeitpunkt die bessere Variante wären. Sie bogen allesamt in die Box ab, wechselten das Motorrad und starteten mit Slicks aus der Boxengasse in die Aufwärmrunde. Die logische Folge: Aufgrund der neuen Regeln wurde sie allesamt mit einer doppelten Longlap-Penalty belegt.

Erklärt: Die neuen MotoGP-Regeln für Privattests und Starts (09:28 Min.)

Zarco wiederum entschied sich dazu, auf den Regenreifen zu bleiben. Er startete die Aufwärmrunde somit gemeinsam mit Francesco Bagnaia, Jack Miller, Marco Bezzecchi, Luca Marini, Alex Rins, Miguel Oliveira, Takaaki Nakagami und Savadori (auf Slicks) aus der Startaufstellung.

Schreckmoment beim Start: Zarco nach Kurve drei fast schon ausgeschieden!

Mit dieser Ausgangslage startete die MotoGP dann in den Frankreich-Grand-Prix. Zarco erwischte auf den Regenreifen keinen guten Start, da er sich gegen eine Verwendung des Holeshot-Devices entschied. Dadurch fand er sich schon nach der zweiten Kurve nur noch auf Platz 18 wieder und landete dann auch noch fast im Kiesbett. Bastianini torpedierte in Kurve drei nämlich Bagnaia, dessen Ducati daraufhin quer über den Asphalt rutschte. Beim Versuch auszuweichen, berührten sich Zarco und Joan Mir, Letzterer stürzte ebenfalls. Der Franzose blieb nur mit viel Glück sitzen, beschädigte sogar einige seiner Elektronikknöpfe am Lenker. Doch Zarco konnte weiterfahren und sortierte sich nach einem kurzen Trip durch das Kiesbett auf Platz 17 wieder ein.

Am Ende der ersten Runde dann der nächste kritische Punkt. Marini, Bezzecchi und Rins fuhren an die Box, um auf die scheinbar schnelleren Slicks zu wechseln. Zarco jedoch vertraute darauf, dass er die Regenreifen später nochmal benötigen würde und blieb draußen: P14 für ihn. Zu diesem Zeitpunkt lagen wechsel- und strafenbereinigt bereits nur noch Miller und Savadori vor ihm, alle anderen Piloten mussten noch ihre doppelte Longlap-Strafe absitzen.

Slick-Fahrer wechseln auf Regenreifen: Johann Zarco pflügt durchs Feld

Bis zu Runde vier passierte dann nichts, ehe wieder Regen mit zunehmender Stärke einsetzte. Quartararo und Binder stürzten dadurch in der letzten Kurve. Während das Rennen für Quartararo sofort vorbei war, konnte Binder nochmal weiterfahren und sich genau vor Zarco wieder einsortieren. Der LCR-Honda-Pilot fand sich damit auf Platz 13 wieder. Allerdings nur kurz, denn am Ende von Runde fünf reagierten dann Acosta und Vinales als erste Piloten auf den stärker werdenden Regen und kamen zum erneuten Reifenwechsel an die Box, wodurch Zarco auf P11 kletterte.

Am Ende von Runde sechs folgten dann die Boxenstopps von Marc und Alex Marquez sowie Raul Fernandez, außerdem stürzten Morbidelli und Miller im Schlusssektor. Fünf weitere Positionsgewinne für Zarco, der nun schon Sechster war und dank des Miller-Abflugs nun auch vorderster Mann auf Regenreifen. Damit zeichnete sich die Sensation bereits ab und sollte nur einen Umlauf später Realität werden. Zunächst stürzte Binder in Kurve zwei ein weiteres Mal und übergab Zarco somit Platz fünf, dann konnte der Franzose durch die Boxenstopps von Aldeguer, Di Giannantonio, Savadori und Ogura zum Beginn der achten Runde die Führung im Frankreich-GP übernehmen.

Überragende Pace: Johann Zarco dominiert sogar Marc Marquez

Diese beendete Zarco mit 7,349 Sekunden Vorsprung auf Oliveira, ganz Frankreich jubelte bereits. Doch der Rennsieg war zu diesem Zeitpunkt natürlich noch in weiter Ferne: 19 Runden verblieben und nur 8,011 Sekunden Vorsprung auf den drittplatzierten Marc Marquez, dem man eine solche Aufholjagd doch zu jeder Zeit zutrauen musste. Tja, nicht an diesem Tag. Marquez schnappte sich P2 von Oliveira zwar nur kurze Zeit später, gegen Zarco fand er aber keine Antwort. Im Gegenteil: Bis zur Zielankunft baute der LCR-Pilot seinen Vorsprung sogar noch auf 19,907 Sekunden aus und durfte dann einen hochverdienten Heimsieg bejubeln.