Mit einer Leichtigkeit, die an seine besten Tage erinnerte, holte sich Max Verstappen den Sieg in Baku. Zu keinem Moment des Formel-1-Rennens war sein Erfolg in Gefahr, schon früh ließ er das Feld hinter sich. Zu seinem ersten und einzigen Boxenstopp in Runde 41 von 51 hatte er einen Vorsprung von 32 Sekunden auf George Russell herausgefahren. Er gab die Führung nie ab und schaffte so den sechsten Grand Slam (Pole-Position, jede Führungsrunde, schnellste Rennrunde und Rennsieg) seiner Karriere.

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Dabei setzte der amtierende Weltmeister beim Start auf eine unorthodoxe Strategie: Er startete auf der härtesten Reifenmischung, dem C4. Der Pneu braucht länger, um auf Betriebstemperatur zu kommen, und birgt ein gewisses Risiko für die Spitzentruppe. Ein Safety Car in der ersten Rennhälfte hätte Red Bulls Plan, den Boxenstopp so lange wie möglich hinauszuzögern, einen Strich durch die Rechnung gemacht und der Konkurrenz mit den schnelleren Medium-Pneus eine Chance gegeben.

Doch die von Oscar Piastri ausgelöste Safety-Car-Phase dauerte nur vier Runden, danach konnte Verstappen vorne wegfahren. "Nach 20 Laps war ich etwas entspannter. Es war ein Risiko. Vor dem Rennen haben wir noch gesagt, dass nur eine Strategie funktionieren wird. Zum Glück haben wir uns für die richtige entschieden", erzählte Verstappen nach dem Rennen.

Verstappen im WM-Kampf? Kein kategorisches Nein!

Nach Monza ist es der zweite Sieg in Folge für Verstappen, der bisher ein durchwachsenes Jahr erlebte. "Es ist ein weiteres großartiges Resultat. Ein bisschen seltsam, unsere Saison schwingt ständig hin und her. Aber zumindest hatten wir zwei starke Wochenenden hintereinander", freute er sich über seinen vierten Saisonerfolg. In der WM hat er dank Piastris Ausfall 25 Punkte auf den Spitzenreiter aufgeholt. Der Abstand ist auf 69 Zähler geschrumpft.

Hat Verstappen jetzt Lunte gerochen? Bei der Frage kommt dem Weltmeister das Lachen. Doch nach einem kategorischen Nein, wie es noch vor wenigen Wochen war, hörte sich seine Antwort nicht an: "Es ist schwierig zu sagen, ich denke nicht so viel darüber nach. Es sind noch sieben Rennen, das sind noch viele Punkte", sagte er schmunzelnd gegenüber dem ORF.

Er führte fort: "Es ist positiv, dass wir zwei Rennen gewonnen haben, aber ich vertraue nicht auf Hoffnung. 69 Punkte sind viel. Ich schaue mir das Rennen für Rennen an, so wie ich es in dieser Saison bisher gemacht habe, und versuche mein Bestes zu geben und Punkte zu sammeln. Wir werden es nach Abu Dhabi wissen."

Nach Aserbaidschan: Red Bull im Kampf um P2 in der Konstrukteurs-WM

Die Töne, die Dr. Helmut Marko nach dem Großen Preis von Aserbaidschan anschlug, sind um einiges euphorischer als die von Verstappen. "Die Hoffnung [auf die Fahrerweltmeisterschaft, Anm. d. Red.] ist wiederbelebt worden. Es ist etwas spät und realistisch glaube ich nicht daran. Aber wir hätten auch nicht gedacht, dass wir nach Silverstone so stark zurückkommen würden", so der Motorsportberater zum österreichischen Rundfunk.

Das Team von Red Bull beim Feiern nach dem Aserbaidschan GP
Das Team und Verstappens Oma feierte die Erfolge ihrer beiden Fahrer ausgiebig, Foto: IMAGO / PsnewZ

Red Bulls Teamchef Laurent Mekies geht eher in die Richtung seines Fahrers: "Wir schauen uns die Championship-Positionen gar nicht an, nicht einmal in der Konstrukteurswertung. Wir gehen Schritt für Schritt, um unser Auto besser zu verstehen und mehr Performance zu erzielen. Wir haben gute Antworten in Monza bekommen und hier wieder. Im Moment versuchen wir eine Hochrisiko-Einstellung, um vor dem Ende der Saison so viel wie möglich zu lernen, und das ist wichtiger als jede Weltmeisterschafts-Diskussion."

In der Konstrukteurs-Wertung hat Red Bull mit zwei Verstappen-Siegen und einem sechsten Platz für Yuki Tsunoda in Baku ordentlich aufgeholt. Mit nur 18 Punkten Rückstand auf Mercedes und 14 Punkten Rückstand auf Ferrari befindet sich die Mannschaft aus Milton Keynes mitten im Kampf um den zweiten Platz hinter McLaren.

Singapur als Stolperstein für Verstappens Titelchancen

Man ist sich bei den Bullen aber auch bewusst, dass das Autodromo Nazionale Monza und der Baku City Circuit zwei sehr spezielle Strecken im Formel-1-Kalender sind: langsame Kurven und ein Low-Downforce-Setup. Beim nächsten Stopp in Singapur sieht die Welt anders aus. Dort geht es um maximalen Abtrieb, die Temperatur ist auch in der Nacht heiß und der Reifenverschleiß hoch. Bisher hat sich der RB21 bei diesen Bedingungen nicht wohl gefühlt, der McLaren-Bolide hingegen schon.

"Wir werden uns beim nächsten Rennen nicht die Lücke zu irgendjemandem anschauen, sondern darüber nachdenken, wie wir die Herausforderung in Singapur meistern", meinte Mekies. Der Straßenkurs ist die einzige Strecke im Kalender, auf der Verstappen noch nie gewinnen konnte. Nicht einmal im Dominanz-Jahr 2023 gelang ihm hier ein Sieg.

Dass er dort den 127. Sieg für Red Bull einfahren kann, ist also statistisch gesehen unwahrscheinlich. Es wäre aber ein weiterer Schritt in Richtung Fahrertitel Nummer fünf. Ein - auch eher unwahrscheinlicher - Weg dorthin: Steht Verstappen bei allen restlichen Rennen und Sprints auf dem Siegespodest, Lando Norris auf Platz zwei und Oscar Piastri auf Platz drei, schnappt er sich mit sieben Punkten Vorsprung den Weltmeisterpokal.

Kann Max Verstappen noch aufholen - das ist die Frage. Wir haben in die Vergangenheit gesehen und seine größten Mutmacher gefunden. Einfach hineinschauen!