Nicht "Ob", sondern "Wann". Das war stets das Denken von McLaren-Teamchef Andrea Stella. "Und dieses 'Wann' ist Kanada 2025", stellt er am Sonntagabend nüchtern fest, nachdem Lando Norris im Kanada-GP seinem Teamkollegen Oscar Piastri ins Heck gefahren war und sich damit selbst aus dem Rennen nahm. Die Umstände könnten viel schlimmer sein. So baut Stella jetzt darauf, dass dieser Unfall McLaren sogar noch stärkt. Sofern Norris es schafft.
"Lando hat in Sachen Meisterschaft selbst den Preis dafür bezahlt, und zum Glück gab es keine doppelte Strafe durch verlorene Punkte des zweiten, unschuldigen Autos", rekapituliert Stella. "Eine Folge einer Fehleinschätzung, die natürlich nicht passieren sollte." Norris hatte selbst nach dem Rennen sofort eingestanden, dass er die Grundprinzipien des Teams verletzt hatte. Seine Aussagen gibt es hier:
"Aber das passiert eben im Motorsport, und wir wissen zu schätzen, dass Lando sofort die Situation auf sich genommen hat", lobt Stella gleich. Norris hatte sich nach dem Rennen bei Piastri entschuldigt, bei Stella, beim ganzen Team. Damit ist die größte Anspannung erst einmal vorbei. Stella will die Angelegenheit nun ganz abkühlen lassen. Dann aber wird es ab nächste Woche noch einmal schwierig werden für Norris.
Lando Norris nach Team-Crash in Kanada vor mentaler Herausforderung
"Um den Grund für diese Fehleinschätzung zu eruieren, werden wir ein paar gute Konversationen haben", kündigt Stella an. "Diese Konversationen mögen auch hart sein. Natürlich steht aber außer Frage, dass wir Lando unterstützen, und dass wir beide Fahrer weiterhin gleich behandeln werden." Das Problem ist vielmehr: Wie steckt Norris die ganze Angelegenheit mental weg?

Schließlich ist Norris in der WM bereits angeschlagen, liegt jetzt 22 Punkte hinten und hadert seit Monaten im Vergleich zu Piastri mit dem Auto. Stella weiß: "Lando wird selbst Charakter zeigen müssen, um diese Episode abzuhaken, und er muss sicherstellen, dass er nur daraus lernt, dass er nur das mitnimmt, was ihn zu einem stärkeren Fahrer macht, und dass er das vergisst, was für die Zukunft schlechten Einfluss auswirken könnte."
Norris' mentale Stärke wird von F1-Experten seit Wochen hinterfragt. Obendrauf stellt sich hier auch gleich die Frage, ob dem sonst eigentlich sehr sauberen Norris diese kapitale Fehleinschätzung nur passieren konnte, weil er in Kanada wieder das Qualifying verpatzt hatte und wieder im Rennen eine frustrierende Aufholjagd hatte fahren müssen, anstatt von Anfang an mit Piastri zu kämpfen.
"Es mag eine gewisse Frustration dagewesen sein", will Stella das nicht ausschließen. "Aber momentan denke ich nicht, dass das der Grund dafür war. Ich denke, das ist sehr weit hergeholt, diese zwei Dinge zu korrelieren." Stella spricht Norris letztendlich das volle Vertrauen aus, und er vertraut auf die Teamkultur von McLaren, um die Lage jetzt zu stabilisieren.
So wird McLaren nach dem Teamcrash jetzt handeln
"Ich denke, es geht hier nicht um theoretisches Lernen, die Prinzipien waren ja da", meint Stella diesbezüglich. Den Teamkollegen nicht zu berühren ist eine Grundregel, der sich beide Fahrer sehr gut bewusst sind. "Aber man lernt daraus, indem man die Erfahrung macht, wie sehr diese Situationen schmerzen können."
"Das erlebt zu haben, anstatt nur darüber zu sprechen, wird uns als Team robuster machen", prognostiziert Stella. "Denn diese Situationen werden wieder kommen. Wo zwei McLarens eng miteinander kämpfen. Und dann braucht es bessere Einschätzung in Sachen Spielraum zwischen den Autos. Heute war es ja letztendlich bloß eine Frage des Raumes."
"Wenn überhaupt, dann war es gefährlicher, als sie in der letzten Kurve nebeneinander ankamen, und da sah ich sie weise agieren", lobt Stella sogar. "Nur danach - und wir haben schon oft gesehen, dass man sich mit DRS etwas verschätzen kann. Da kann man etwas ans andere Auto herangesaugt werden, und das löst diese Fehleinschätzung aus."
Stella plädiert nun auf die fahrerische Vernunft. Er will seinen Fahrern keine verschärften Teamregeln aufzwingen: "Sonst wird das Racing irgendwann künstlich. Und wir wollen Lando und Oscar die Chancen geben, um gegeneinander zu fahren und am Ende des Jahres auf ihrer verdienten Position zu sein, basierend auf ihrer Leistung über die Saison hinweg. Anstatt dass sie am Ende der Saison feststellen müssen, dass ihre Punkte mehr vom Team als von ihren fahrerischen Qualitäten kontrolliert wurden."
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