In der Formel-1-Saison 2025 konnte man ja mit vielem rechnen, aber das hatten wohl vor Barcelona nur die wenigsten auf dem Zettel: Nico Hülkenberg auf Platz 5 – im Sauber. Der C45 war bisher in diesem Jahr eigentlich nie aus eigener Kraft ein Punktekandidat, beim Spanien-GP brillierte er allerdings in den Händen des Deutschen. Motorsport-Magazin.com erkundet in der Rennanalyse: Welche Faktoren führten dieses Wunder herbei? Dabei stellen wir fest: Der Erfolg von Sauber beruht vor allem auf vier Säulen.
1. Säule für die Hülkenberg-Sensation: Das Sauber-Upgrade
Sauber brachte vor diesem Wochenende eine Reihe an Updates an den C45. Die neue technische Direktive bezüglich dem Frontflügel stand nur mit einem davon im Zusammenhang, der neue Unterboden und die neue Motorabdeckung waren vollkommen unabhängig davon. Als Ziel verfolgte Sauber damit nur sekundär Performance-Gewinne, vielmehr ging es darum, das Arbeitsfenster zu verbreitern.
"Wir wollten ein Auto produzieren, das einheitlicher Downforce liefert. Das neue Paket liefert zwar auch ein bisschen mehr reine Performance, aber unsere Hoffnung ist, dass es vorhersehbarer für unsere Fahrer Abtrieb bietet", hatte Sauber-Sportdirektor Inaki Rueda am Freitag erklärt. Das sollte gegen Probleme bei windigen Bedingungen helfen, vor allem aber in der Startphase und bei direkten Zweikämpfen.
Dass das aufging, bewiesen die ersten Runden, in denen Hülkenberg Plätze gutmachte, und auch Bortoleto seine Position hielt (mehr dazu später). Teamchef Jonathan Wheatley verkündete nach dem Rennen, dass die Updates ein voller Erfolg gewesen seien: "Ich war sehr zufrieden, dass wir sehen konnten, dass die Upgrades ihre Erwartungen erfüllten und das Feedback der Fahrer konstant war. Wir hatten heute ein Auto, mit dem wir gut racen konnten."
2. Säule: Nico Hülkenbergs schlechtes Qualifying
Es mag paradox klingen, aber dass Nico Hülkenberg im Qualifying schon in Q1 scheiterte, erwies sich rückblickend betrachtet als Glücksgriff für seinen Rennerfolg. Denn das Rennen in Barcelona lief auf einen Verbrauchskampf hinaus, in dem Reifen ein wichtiges und knappes Gut waren. Hülkenberg kam in der Qualifikation nicht über die 16. Position hinaus. Dadurch musste er nur zwei Soft-Reifen anpatzen, die restlichen Qualifying-Reifen sparte er sich gezwungenermaßen auf.
Sein Teamkollege Gabriel Bortoleto bestritt beispielsweise noch Q2 und hatte dadurch nur noch einen unbenutzten Satz Soft-Reifen zur Verfügung. Isack Hadjar und Lewis Hamilton, die später im Rennen direkte Gegner von Hülkenberg wurden, hatten schon alle ihre weichen Mischungen angefahren. Hülkenberg hingegen hatte noch drei neue Sätze im Köcher.
Dadurch, dass der harte Reifen in Barcelona praktisch unbrauchbar war (Max Verstappen lieferte den Beweis dafür), war damit ein Vorteil für den Sauber-Piloten im Rennen also praktisch garantiert. Da die meisten Fahrer nur noch einmal Mediums zur Verfügung hatten und mindestens 2 Stopps praktisch alternativlos waren, multiplizierte sich dieser weiter.
Dank der Safety-Car-Phase kurz vor Schluss machte sich das doppelt bezahlt. Einmal beim Start, wo außer den beiden McLarens die gesamten Top-12 auf angefahrenen Softs ins Rennen gingen, und dann später nochmal beim Restart. Diesen nahm Hülkenberg hinter Hadjar und Hamilton, sowie vor Pierre Gasly auf. Außer ihm allesamt auf angefahrenen Softs.
Auch Hülkenberg stellte fest: "Dadurch, dass ich gestern in Q1 ausgeschieden bin, hatte ich diese ganzen neuen Reifen. Das war ironischerweise das goldene Ticket, und das hat sich heute ausgezahlt." Dazu kam noch, dass aufgrund des starken Reifenverschleißes der Unterschied zwischen einem benutzten und einem neuen Reifen sehr stark ausfiel. Das spielte eine wichtige Rolle darin, dass Hülkenberg zunächst direkt beim Restart in Runde 61 Hadjar überholen konnte und dann auch noch in Runde 65 den Ferrari von Lewis Hamilton. "Ansonsten [ohne Reifenvorteil, d. Red] können wir nicht mit den großen Teams kämpfen", sagte Hülkenberg.
Formel 1 in Barcelona: Start- und Restart-Reifen (Auswahl)Fahrer Grid Soft-Reifen nach Quali 1. Stint Restart Letzter Stint Hülkenberg P15 3x neu, 2x gebraucht Soft (neu) P8 Soft (neu) Hamilton P5 4x gebraucht Soft (alt) P6 Soft (alt) Hadjar P9 4x gebraucht Soft (alt) P7 Soft (alt) Gasly P8 4x gebraucht Soft (alt) P9 Soft (alt) Alonso P10 4x gebraucht Soft (alt) P13 Soft (alt) Lawson P13 1x neu, 4x gebraucht Soft (neu) P10 Soft (sehr alt) Bortoleto P12 1x neu, 4x gebraucht Soft (alt) P12 Soft (neu) Bearman P14 1x neu, 3x gebraucht Soft (neu) P14 Soft (alt) Albon P11 1x neu, 4x gebraucht Soft (alt) - -
3. Säule: Der starke Rennstart
Fahrer | Grid | Soft-Reifen nach Quali | 1. Stint | Restart | Letzter Stint |
---|---|---|---|---|---|
Hülkenberg | P15 | 3x neu, 2x gebraucht | Soft (neu) | P8 | Soft (neu) |
Hamilton | P5 | 4x gebraucht | Soft (alt) | P6 | Soft (alt) |
Hadjar | P9 | 4x gebraucht | Soft (alt) | P7 | Soft (alt) |
Gasly | P8 | 4x gebraucht | Soft (alt) | P9 | Soft (alt) |
Alonso | P10 | 4x gebraucht | Soft (alt) | P13 | Soft (alt) |
Lawson | P13 | 1x neu, 4x gebraucht | Soft (neu) | P10 | Soft (sehr alt) |
Bortoleto | P12 | 1x neu, 4x gebraucht | Soft (alt) | P12 | Soft (neu) |
Bearman | P14 | 1x neu, 3x gebraucht | Soft (neu) | P14 | Soft (alt) |
Albon | P11 | 1x neu, 4x gebraucht | Soft (alt) | - | - |
Auch mit Reifenvorteil war es kein Selbstläufer für Hülkenberg am Ende des Rennens noch bis auf P6 vorzudringen, was nach der Strafe von Verstappen gleichbedeutend mit P5 war. Erst recht lässt sich die Startphase nicht einfach nur damit erklären, wie sein Teamkollege Gabriel Bortoleto feststellte: "Egal ob auf neuen Reifen oder nicht, als guter Fahrer muss man das Auto erst an den richtigen Stellen platzieren und das hat er perfekt getan und dadurch viele Positionen gutgemacht."
Vor allem, da der Deutsche diesen Reifenvorteil nicht gegen alle hatte. Liam Lawson und Oliver Bearman direkt vor ihm gingen ebenfalls jeweils auf einem unbenutzten Soft-Satz ins Rennen. Doch Hülkenberg kam besser von der Linie weg und konnte so beide schon vor Kurve 1 hinter sich lassen. Glück hatte er danach, dass er aus Turn 1 unbeschadet herauskam. Lawson und Alonso hatten sich vor ihm berührt, weshalb er ausweichen musste und dabei mit Albon kollidierte. Der Williams-Fahrer brach sich dabei den Frontflügel.

An Lawson kam Hülkenberg, der die Ausweichroute durch Kurve 1/2 genommen hatte, ebenfalls durch diese Konfusion vorbei. Platz 12. Auf der weiteren ersten Runde überholte er seinen Sauber-Teamkollegen ohne viel Gegenwehr in Kurve 5. Ausgangs der letzten Kurve untersteuerte Alonso, der offenbar zu nah am Heck von Hadjar unterwegs gewesen war, etwas. Hülkenberg konnte auch das für sich nutzen und sich nach einem mehrere Kurven anhaltenden Zweikampf durchsetzen. Damit war es geschafft: Hülkenberg lag nach der Startphase auf Platz 10 und das zum (Reifen)-Preis von Startplatz 16.
4. Säule: Der längste Medium-Stint des Rennens
Sauber setzte nach einem guten ersten Rennabschnitt zudem auch auf die richtige Strategie. Die Schweizer spielten auf Track Position. Nachdem zuvor erst einige Hinterbänkler an die Box gekommen waren, holte man Hülkenberg als ersten Fahrer im vorderen Mittelfeld rein. Dadurch gelang umgehend der Undercut gegen Hadjar, das war aber nicht der ausschlaggebende Faktor.
Der Wechsel auf die Medium-Reifen machte sich schnell bezahlt. Mit den unbrauchbaren Hards und den fragilen Soft-Reifen erwies sich der Medium als der beste Renn-Pneu. Zudem teilte sich Hülkenberg diesen auch perfekt ein. Ob Absicht oder nicht, Sauber wies ihn nach dem Boxenstopp an, den Reifen vorsichtig anzufahren – das mögen die Pirellis. Zum Preis einer Position, denn dadurch verpasste er knapp den möglichen Undercut gegen Gasly.
Trotz seines extrem frühen Boxenstopps konnte Hülkenberg die Reifen bis in Runde 45 mit einer guten Pace konservieren. Bis Runde 43 war er noch 1:21er-Zeiten gefahren. Erst dann drohten sie einzubrechen und Sauber beorderte ihn zum zweiten Reifentausch an die Box.
Mit 36 Runden war es der längste Stint überhaupt im Formel-1-Rennen von Barcelona. In diesem verlor er zunächst eine durch den Undercut gewonnene Position gegen Hadjar (der Franzose hatte einen Reifenvorteil von zehn Runden) und schnappte sich später Pierre Gasly, dem sein zweiter Satz Soft-Reifen schon früher einging.
Gasly hatte er spätestens nach seinem zweiten Stopp endgültig abgeschirmt, gegen Hadjar wäre wohl ohne die Safety-Car-Unterstützung nichts mehr zu holen gewesen. Der Racing-Bull-Pilot war ihm zuvor im zweiten Stint schon um über zwölf Sekunden enteilt.
Hülkenberg kämpft aus eigener Kraft um Formel-1-Punkte - und bekommt Geschenke
Fazit: In Kombination zu diesen vier Faktoren kamen noch einige unterstützende Elemente dazu: Fernando Alonso kostete schon früh im Rennen ein unerzwungener Ausritt ins Kies viel Zeit und die beiden Williams (wobei Sainz sowieso weit hinter Hülkenberg war) fielen mit Flügel-Schäden ebenfalls weit zurück. Ansonsten lässt sich schwer abschätzen, ob wenigstens Albon nicht doch noch eine Rolle um die hinteren Punkte gespielt hätte.
Dazu kamen natürlich noch der Ausfall von Andrea Kimi Antonelli, das anschließende Safety Car, das Hülkenberg zwei Plätze brachte, und die Strafe gegen Max Verstappen. Bei einem 'normalen' Rennverlauf wäre somit hochgerechnet der Kampf um den neunten Platz das Höchste der Gefühle für den Sauber-Fahrer gewesen. Aber dass die Konkurrenz Fehler macht und man selbst nicht, gehört in der Formel 1 bei einem Ergebnis eines Mittelfeld-Teams dieser Dimension eben dazu.
diese Formel 1 Analyse