Formel 1 in Brasilien, Gewinner: Max Verstappen

Selten hat man Max Verstappen so im Jubeltaumel erlebt. In den letzten Jahren schon gar nicht, als Siege in der Formel 1 seinen Standard darstellten und alles andere schon beinahe eine Sensation war. Doch nach einer Durststrecke von beinahe vier Monaten und einer graduellen Verschlechterung der Red-Bull-Performance war Brasilien der Befreiungsschlag, den der Weltmeister gebraucht hat. Und was für ein Befreiungsschlag: Von Platz 17 raste Verstappen zum Sieg. Dass er dabei etwas Glück mit der roten Flagge hatte, erklärt dieses Meisterstück noch nicht, denn zuvor überholte er in nur elf Runden neun Autos und das ganz ohne DRS-Unterstützung. Die Pace sowohl nach dem Restart als auch zuvor war in einer eigenen Welt. Doch nicht nur das: Es war auch ein Quantensprung in Richtung Titelverteidigung. Mit 62 Punkten Vorsprung bei 86 verbleibenden Zählern scheint ihm der Titel kaum mehr zu nehmen zu sein. Vor dem Rennen schien das noch komplett in die andere Richtung zu kippen, mit Norris auf Pole und dem Niederländer auf P17. Doch dann kam die große Verstappen-Magie.

Formel 1 Brasilien, Verlierer: Lando Norris

Ist der WM-Traum schon jetzt ausgeträumt? Realistisch gesehen ja, aber in diesem verrückten Jahr wollen wir mal nicht zu früh die Pokale verteilen. Praktisch betrachtet würde Norris nun schon sehr viel Schützenhilfe von Red Bull und drei perfekte Rennwochenenden von seiner Seite benötigen, um Verstappen noch den Titel streitig machen zu können. Zu zweiterem scheint der WM-Zweite aber einfach nicht konstant in der Lage zu sein. In Brasilien war Norris nach seiner starken Pole nur eine stetige Fehlerquelle: Den Start bekam er nicht hin, er leistete sich mehrere Fahrfehler, die ihm Positionen kosteten und auch bei den Restarts ließ er sich auskochen. Mit allzu viel Ruhm bekleckerte er sich auch im Sky-Interview nach dem Rennen nicht, als er frustriert und fast trotzig erklärte: „All unsere Positionsverluste waren unter der roten Flagge, mit den gratis Boxenstopps der anderen.“ Welches Rennen Lando Norris auch immer aus seinem Auto beobachtet hat, der Brasilien-GP 2024 kann es nicht gewesen sein. Kurze Zeit später zeigte er sich immerhin einsichtiger.

Formel 1 Brasilien, Gewinner: Alpine

Bitte was? Alpine liegt plötzlich auf dem sechsten Platz in der Konstrukteurs-WM. Der Leistungssprung der Franzosen in den letzten Monaten war zwar ordentlich, aber mit diesem Paukenschlag hat wohl niemand gerechnet. Und er kommt nicht ganz von ungefähr. Die Pace von Esteban Ocon und Pierre Gasly war schon am ganzen Wochenende ordentlich. Dass dann auch die Strategie mit der roten Flagge so perfekt aufging, kommt noch dazu. Zugegeben, da war etwas Glück dabei, aber ganz ohne Rennpace hätte es Gasly niemals geschafft, Russell bis zum Rennende unter Kontrolle halten zu können. Mit diesem einen Rennen hat Team Enstone den gesamten Trend der Formel-1-Saison 2024 genullt und könnte nun tatsächlich seinen Vorjahres-Platz wieder verteidigen. Könnte… Denn mit Haas und den Racing Bulls nur wenige Zähler dahinter werden die letzten drei Rennen noch ein heißer Tanz.

Formel 1 Brasilien, Verlierer: Haas

Viel schlechter hätte das Rennwochenende für die US-Truppe nicht laufen können. Das kleinste Problem war noch der Ausfall von Kevin Magnussen am Freitag, da Haas mit Oliver Bearman ja sowieso einen fähigen Ersatz vorweisen kann, der den VF-24 auch umgehend ins SQ3 brachte. Aber alles was danach kam, war eine ausgewachsene Katastrophe. Das eigene Rennen verschoss Nico Hülkenberg mit einem Abflug auf den Kerb. Seine Rettungsaktion war illegal, also wurde er anschließend dafür disqualifiziert. Bearman machte auch ein paar Fehler zu viel, um im Rennen etwas ausrichten zu können. Plus ging auch der Sprint daneben, als man sich zuerst intern duellierte und dann auch noch Hülkenberg einen Motorschaden erlitt. Aber das wäre ja alles noch verschmerzbar, wenn nicht das unfassbare Alpine-Doppelpodium Haas plötzlich den sechsten Platz in der Konstrukteurs-Wertung abgenommen hätte. Die Racing Bulls sammelten zudem satt Punkte.

Formel 1 Brasilien, Verlierer: Williams

Wenn man für das britische Traditionsteam ein Horrorszenario für ein Formel-1-Rennen entworfen hätte, dann würde es wohl exakt so aussehen, wie der Sonntag lief. Franco Colapinto scheint die fehlende Regen-Erfahrung in einem F1-Auto bitter zu stehen gekommen zu sein. Denn gleich zweimal zerlegte er seinen Boliden – einmal im Qualifying, einmal im Rennen. Alex Albon benötigte nur einen Unfall, um das Wochenende zu einem vorzeitigen Ende zu bringen. Der Thai-Brite glaubt, dass ein Defekt dafür verantwortlich sein könnte. Ob er damit recht hat oder nicht, ist nebensächlich. Fakt ist, dass Williams mit drei Wracks in wenigen Stunden einen Schaden hatte, der wohl in die Millionen geht und gleichzeitig die Saison in der Konstrukteurs-WM für sie gelaufen ist. Alpines Riesensatz auf P6 in der WM war zu viel - Platz 9 ist so gut wie fix.

Formel 1 Brasilien, Gewinner: George Russell

Neben Alpine und Max Verstappen gibt es in Brasilien nicht sehr viel Gewinner. Doch George Russell lässt sich an dieser Stelle noch nennen. Den Mercedes-Pilot hatte in Brasilien niemand so wirklich auf der Rechnung, er maximierte die Pace seines Boliden aber und bekam auch den Start perfekt hin. Russell gelang es, das Beste aus dieser Situation zu machen. Im Gegensatz zu Lewis Hamilton, der mit dem Auto überhaupt nicht zurecht kam. Bitter ist allerdings, dass sein Team nicht auf eine rote Flagge gambelte, sondern unter VSC einen Stopp einlegte und dadurch eine potenzielle Siegchance vergab. Da zerfloss die Siegchance für Russell, aber im Nachgang ist man immer schlauer.

Start- & Unfallchaos! Norris schimpft: Eine dumme Regel! (18:27 Min.)

Formel 1 Brasilien, Verlierer: Carlos Sainz

Ein Reality-Check nach seinem märchenhaften Sieg in Mexiko. So könnte man das Wochenende in Sao Paulo für Carlos Sainz beschreiben. Oder besser gesagt: Den Sonntag. Nach zwei Unfällen innerhalb von wenigen Stunden erreichte er den Boden der Tatsachen schnell wieder und das mit seinem wohl schlechtesten Rennwochenende der Saison. Beide Male verlor er das Heck seines Boliden beinahe ohne Ankündigung und schlug dann hart ein. Mexiko war die beste Werbung für den Spanier, Brasilien das komplette Gegenteil davon. So läuft das eben manchmal in der Formel 1.

Ferrari-Fahrer Carlos Sainz Jr. crasht im Qualifying
Schnell weg hier: Carlos Sainz wird den Brasilien-GP dringend vergessen wollen., Foto: LAT Images

Formel 1 Brasilien, Gewinner: Rennleitung

Der Formel-1-Sonntag in Brasilien hatte einen ungewöhnlichen Ablauf. Mit dem Qualifying am Morgen und anschließend dem Rennen 90 Minuten früher als ursprünglich geplant. Ungewöhnlich ja, aber letztendlich fanden alle Sessions statt. Diesen Verdienst dürfen sich neben Rennleiter Niels Wittich auch die Formel 1 und die FIA anrechnen lassen, denn der Entschluss wurde in Absprache zwischen ihnen getroffen. Auch wenn die Verschiebung bei den TV-Stationen sicher für Entsetzen gesorgt hat, war es die richtige Entscheidung. Etwas Kritik – vor allem aus dem Red-Bull-Lager – musste die Rennleitung dennoch einstecken, und zwar, weil man das Rennen im stärksten Regen nicht schon früher abgebrochen hatte. Aber diese Einschätzungen sind sowieso immer stark meinungsabhängig und vor allem für Red Bulls Strategie kam eine Unterbrechung gerade recht.

Formel 1 Brasilien, Verlierer: Aston Martin

“Zum Glück haben wir zu Beginn des Jahres so viele Punkte gesammelt“, wird sich so manch einer in Silverstone denken. Aston Martin hat im Laufe des Jahres einen konstanten Abstieg hingelegt. Als einziges Team neben Sauber haben die Briten an den letzten drei Wochenenden keinen einzigen Punkt gesammelt. In Sao Paulo lag das nicht nur am zunehmende schwächeren Auto, sondern in erster Linie an den Fahrern. Das Qualifying war schon ein komplettes Desaster mit zwei gecrashten Autos, die nur gerade so fürs Rennen fertigwerden. Lance Stroll nahm sich dann noch vor dem Start mit einem Unfall und einem ungeschickten Manöver bei der Rückkehr in Richtung Strecke raus. Fernando Alonso war auch alles andere als fehlerfrei. Ihm muss man zumindest entlastend anrechnen, dass er mit einer Krankheit geschwächt ins Wochenende ging.