P12 im Qualifying, eine Startplatz-Strafe für einen Motorwechsel und dann auch noch eine Zeitstrafe im Sprint. Nichts deutete darauf hin, dass Max Verstappen beim Formel-1-Rennen in Brasilien seine WM-Führung vergrößern könnte. Nichts außer vielleicht die Wetterprognose für Sonntagnachmittag und die Erinnerung an das Sao-Paulo-Rennen 2016.
Damals flog Verstappen im Regen förmlich und kämpfte sich nach einem Beinahe-Dreher mit zahlreichen Überholmanövern auf die dritte Position zurück. Doch kaum jemand rechnete damit, dass er im Formel-1-Rennen heute diese Leistung noch einmal toppen könnte. Aber auf dem Autodromo Jose Carlos Pace war Verstappen in einer eigenen Liga unterwegs, stürmte erneut durchs Feld und krönte diese Leistung letztendlich mit einem dominanten Sieg von beinahe 20 Sekunden Vorsprung.
Helmut Marko: Mit so einer Machtdemonstration hätte ich nicht gerechnet
Red-Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko staunte nach dem Rennen im Sky-Interview: „Von Max hätte ich gedacht, dass er auf das Podium fährt. Aber mit so einer Machtdemonstration habe ich nicht gerechnet.“ Den WM-Titel verortet Marko nach diesem Sieg bereits „in greifbarer Nähe“. Bei 62 Punkten Vorsprung drei GPs vor Saisonende auch kein Wunder, denn während Verstappen in Interlagos aus dem 69-ründigen Rennen ein Meisterstück zimmerte, landete Lando Norris nach mehreren Fehler nur auf P6.
“Meine Emotionen heute waren eine Achterbahn“, sagte ein jubelnder Verstappen, der sich über seinen 62. Grand-Prix-Sieg so freute wie schon lange nicht mehr über einen ersten Platz. „Meine Emotionen gingen von ‚Ich hätte beinahe die Garage zerstört‘ zu ‚Ich gewinne das Rennen.'"
„Nach dem Qualifying, wo wir viel Pech mit der roten Flagge hatten, wussten wir, dass das Rennen mit dem Start von P17 aus hart werden würde. Aber wir haben uns aus Problemen rausgehalten, die richtigen Entscheidungen getroffen und sind ruhig geblieben“, erklärte der Niederländer.
Colapinto-Crash hilft Verstappen zum Sieg
Im entscheidenden Moment war zur Aufholjagd von Verstappen noch eine ordentliche Portion Glück dazugekommen. In der Frühphase des Rennens hatte sich Verstappen innerhalb von elf Runden bis auf P6 vorgearbeitet, anschließend fuhr er sich im P3-Zug fest, den Yuki Tsunoda vor Esteban Ocon und Charles Leclerc anführte.
Williams-Pilot Franco Colapinto verunfallte in der 31. Runde allerdings während einer Safety-Car-Phase und löste damit eine rote Flagge aus. Das verschaffte Red Bull einen kostenlosen Reifenwechsel und brachte Verstappen netto Rang 2. Ohne diesen Wechsel hätte er beim Restart mit seinen Rennstart-Reifen wohl viel Mühe gehabt, alle Fahrer hinter sich zu halten, die soeben ihre Gummis getauscht hatten. Angeführt wurde dieser Verfolgerreigen von WM-Rivale Norris vor George Russell.
Nur Verstappen kann in Brasilien leicht überholen
Auf der Strecke hatten abgesehen von einem phasenweise entfesselt auftretenden Verstappen alle anderen Fahrer Mühe, Überholmanöver durchzuführen. Als einen Grund für seine Aufholjagd nannte der WM-Führende die Balance seines Boliden. „Es ist einfach, seine Reifen zu blockieren. Aber ich hatte viel Vertrauen in mein Auto, das hilft“, meinte er nach einer Beschreibung seiner bevorzugten Überholstelle in Kurve 1.
Dort schnappte er sich auch direkt beim zweiten rollenden Restart in Runde 43 Alpine-Fahrer Esteban Ocon und übernahm dadurch die Führung. Der restliche Nachmittag war ein reines Schaulaufen, in dem er eine schnellste Runde nach der anderen drehte.
Red-Bull-Teamchef Christian Horner griff im TV-Interview bei Sky Sports nach dem Sieg seines Nummer-1-Fahrers zu Superlativen: „Die Vorstellung von Max war heute eine Meisterklasse. Es war eine unglaubliche Performance, eine seiner besten“, ist er sich sicher.
Die Freude von Verstappen, Horner und dem restlichen Red-Bull-Lager ist wohl umso größer, da der letzte Sieg des dominanten Fahrers der letzten Jahre bereits über sechs Monate zurücklag. Seit dem Spanien-GP im Juni war der nun achtfache Saisonsieger sieglos. Sein Auto war seitdem nur noch sehr selten die tonangebende Kraft im Feld.
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