Ganz nach dem Motto 'wer wagt, gewinnt' wurde die Ein-Stopp-Strategie beim Formel-1-Rennen in Spa-Francorchamps unerwartet zum Erfolgsgarant. Nicht einmal Reifenhersteller Pirelli hatte sie auf dem Strategieplan. Doch dann führte sie zuerst Mercedes-Fahrer George Russell auf das oberste Siegertreppchen - zumindest für zweieinhalb Stunden (alle Hintergründe zur nachträglichen Disqualifikation lest ihr hier). Ebenso brachte die Ein-Stopp-Strategie im Verfolgerfeld Fernando Alonso als Gewinner hervor.

Mercedes überraschte beim Großen Preis von Belgien mit einem Doppelsieg, der jedoch nur von kurzer Dauer war. Warum? Das erklärt euch Christian im Video:

Disqualifiziert! Warum war Russells F1-Mercedes illegal? (09:57 Min.)

Nur ein Stopp - der strategische Coup in Belgien

"Die Top-4-Teams sind außer Reichweite. Daher ist der neunte [nach Russells Disqualifikation der achte; Anm. d. Red.] ein kleiner Sieg für uns", zeigte sich der Spanier glücklich über das Ergebnis. Ein elementares Manko am Aston Martin AMR24 konnte durch die taktische Entscheidung am Kommandostand kompensiert werden: "Ich denke, die Pace war das ganze Rennen über nicht großartig. Aber das Team hat eine gute Entscheidung in Bezug auf die Strategie getroffen. Nur ein Stopp - genau wie Russell - das war die Strategie, der es dieses Jahr hier zu folgen galt", ist sich Alonso sicher.

Belgien Grand Prix 2024: Boxenstopps in Spa-Francorchamps
Alle Reifenwechsel beim Belgien GP im Überblick, Foto: Pirelli

Dabei war das Team mit der Wahl des Startreifens für Alonso, der von Startplatz acht aus ins Rennen ging, noch konservativ. Mit dem Medium-Reifen, auf dem nahezu alle Formel-1-Piloten starteten, hielt sich Aston Martin mehrere der prognostizierten Strategie-Optionen offen. "Wir hatten für heute einige verschiedene Strategien geplant. Wir hatten immer einen Plan B, Plan C, usw.", erklärte Alonso. Das Rennen mit nur einem Stopp durchzufahren sei dem 43-Jährigen zufolge dann aber "ein Zufallsprodukt" gewesen.

Nur durch Zufall auf P8? Strategie & Reifen als Schlüssel zum Erfolg

Nachdem Max Verstappen im starken Red Bull, der aufgrund einer Startplatzstrafe nur von P11 startete, schon in der zweiten Runde auf der Kemmel-Geraden an Alonso vorbeizog, fuhr der Aston-Martin-Pilot ein solides Rennen auf P9 hinter der Spitzengruppe. Das Wichtigste war, die Position auf der Strecke zu halten. "Denn die Williams und die Alpines waren beide die schnelleren Autos. Wären wir hinter sie zurückgefallen, wäre das Rennen praktisch gelaufen gewesen", bemerkte Alonso.

Als Alonso in Runde 13 die Box ansteuerte, gehörte er zu den Fahrern, bei denen der erste Reifenwechsel vergleichsweise spät durchgeführt wurde. Diese Entscheidung zum späten Stopp kostete ihn zwei Plätze - sowohl Alexander Albon als auch Daniel Ricciardo schlüpften vorbei. Was folgte, waren 31 Runden auf den harten Pirelli-Pneus bis ins Ziel. Der Plan sei jedoch eigentlich ein anderer gewesen, wie Alonso verrät: "Wir haben darauf gewartet, dass uns ein Safety Car in die Hände spielt. Als das nicht der Fall war, haben wir elf Runden vor Schluss gedacht: Warum nicht verlängern und auf einer Ein-Stopp-Strategie bleiben?"

"Wir waren also sehr flexibel und schätzten Runde für Runde die Bedingungen ein. Wir konnten das Tempo gut halten und hatten einen passablen Reifenabbau", lobte der Spanier. Die Entscheidung, keinen zweiten Boxenstopp zu machen, war schließlich der Schlüssel dazu, die Ausgangsposition zurückzugewinnen. Als die direkten Konkurrenten zwischen Runde 21 und 31 zum zweiten Boxenstopp kamen, befand sich Alonso auf P12. Dann fielen Ricciardo, Albon und Ocon hinter ihn zurück und er sicherte sich den neunten Platz, der durch die Disqualifikation von Russell nachträglich in einen achten Platz und somit in vier WM-Zähler verwandelt wurde.

Schnell allein reicht nicht: Alonso identifiziert Glücksfaktor in der Formel 1

Außerdem war es nicht unbedingt das schnellste Auto, sondern ein optimales Reifenmanagement, das mit Erfolg belohnt wurde. Dass die Reifen so wenig abbauen würden, dass die Ein-Stopp-Strategie eine brauchbare Option sein könnte, war nicht zu erwarten. "Niemand konnte vorhersagen, ob die Strategie funktionieren würde. Wenn der Reifenabbau in den letzten fünf Runden nicht linear verlaufen wäre, hätte sie nicht funktioniert", gibt Alonso zu bedenken.

Unberechenbar sei es ihm zufolge vor allem wegen des neuen Asphalts gewesen. "Entweder kommt es zu einer sehr geringen Abnutzung [der Reifen; Anm. d. Red.] oder zu Graining", zeigte der Aston-Martin Fahrer beide Möglichkeiten auf. Doch am Sonntag hatte er Glück: "Am Freitag hatten wir eine Menge Graining, heute nicht. Vielleicht haben die wärmeren Temperaturen am Sonntag dazu beigetragen", suchte Alonso nach dem Rennen nach einer Erklärung.

Bei allen technischen und strategischen Überlegungen ist dem Spanier klar: "Es ist manchmal auch ein bisschen Glück, wenn man solche Entscheidungen trifft." In Belgien wurden Mut und Kurzentschlossenheit bei der Rennstrategie honoriert. Die daraus resultierenden Punkte auf dem WM-Konto nimmt Alonso gerne mit.

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